gleicher Materie, daß nämlich immer der zehnmal so gut leitende Drath auch zehnmal so viel electrische Materie fortführt, als der mit ihm zugleich angewandte schlechter leitende Drath.
Unipolare Leiter.
Eine auffallende Beobachtung Ermans hat lange die Phy- siker in einige Verlegenheit wegen der Erklärung gesetzt. Wir sind nämlich durch so viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electrischen Materien nicht wohl so statt finden könne, daß die eine besser oder minder gut als die andre fortgeleitet werde, sondern beide schienen hierin ganz gleichen Gesetzen zu folgen; jene Beobachtung Ermans aber scheint Ausnahmen von dieser Regel anzugeben. Erman stellte eine voltaische Säule isolirt auf, und versuchte, ob auch die Wein- geistflamme sich als Leiter der Electricität zeige. Sie wissen, daß die isolirt aufgestellte Säule, wenn sie an beiden Enden mit Elec- trometern versehen ist, uns am Zink-Ende eine gegenseitige Ab- stoßung der Goldblättchen durch positive Electricität, am Kupfer- Ende durch negative Electricität zeigt, und es ist offenbar, daß eines dieser Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die Flamme, als Leiter der Electricität, einen Theil der am einen Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies, wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath sich in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver- bunden ist, daß das am andern Pole der Säule angebrachte Elec- trometer nun auf die doppelte Spannung steigt, trat auch hier ein. So zeigte sich also die Weingeistflamme als ein Leiter an jedem einzelnen Pole der Säule; aber wenn man die Flamme isolirt aufgestellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdräthe an- brachte, wenn sowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole kommende Drath sich in der isolirten Flamme endigte und die Flamme hier als Leiter dienen sollte, so sank nur am positiven Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen zu der doppelten Divergenz, so als ob dieser isolirt wäre. Die Flamme zeigte sich also als unipolarer positiver Leiter, aber als die negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unsre
Cc 2
gleicher Materie, daß naͤmlich immer der zehnmal ſo gut leitende Drath auch zehnmal ſo viel electriſche Materie fortfuͤhrt, als der mit ihm zugleich angewandte ſchlechter leitende Drath.
Unipolare Leiter.
Eine auffallende Beobachtung Ermans hat lange die Phy- ſiker in einige Verlegenheit wegen der Erklaͤrung geſetzt. Wir ſind naͤmlich durch ſo viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electriſchen Materien nicht wohl ſo ſtatt finden koͤnne, daß die eine beſſer oder minder gut als die andre fortgeleitet werde, ſondern beide ſchienen hierin ganz gleichen Geſetzen zu folgen; jene Beobachtung Ermans aber ſcheint Ausnahmen von dieſer Regel anzugeben. Erman ſtellte eine voltaiſche Saͤule iſolirt auf, und verſuchte, ob auch die Wein- geiſtflamme ſich als Leiter der Electricitaͤt zeige. Sie wiſſen, daß die iſolirt aufgeſtellte Saͤule, wenn ſie an beiden Enden mit Elec- trometern verſehen iſt, uns am Zink-Ende eine gegenſeitige Ab- ſtoßung der Goldblaͤttchen durch poſitive Electricitaͤt, am Kupfer- Ende durch negative Electricitaͤt zeigt, und es iſt offenbar, daß eines dieſer Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die Flamme, als Leiter der Electricitaͤt, einen Theil der am einen Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies, wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath ſich in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver- bunden iſt, daß das am andern Pole der Saͤule angebrachte Elec- trometer nun auf die doppelte Spannung ſteigt, trat auch hier ein. So zeigte ſich alſo die Weingeiſtflamme als ein Leiter an jedem einzelnen Pole der Saͤule; aber wenn man die Flamme iſolirt aufgeſtellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdraͤthe an- brachte, wenn ſowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole kommende Drath ſich in der iſolirten Flamme endigte und die Flamme hier als Leiter dienen ſollte, ſo ſank nur am poſitiven Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen zu der doppelten Divergenz, ſo als ob dieſer iſolirt waͤre. Die Flamme zeigte ſich alſo als unipolarer poſitiver Leiter, aber als die negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unſre
Cc 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0417"n="403"/>
gleicher Materie, daß naͤmlich immer der zehnmal ſo gut leitende<lb/>
Drath auch zehnmal ſo viel electriſche Materie fortfuͤhrt, als der<lb/>
mit ihm zugleich angewandte ſchlechter leitende Drath.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Unipolare Leiter</hi>.</head><lb/><p>Eine auffallende Beobachtung <hirendition="#g">Ermans</hi> hat lange die Phy-<lb/>ſiker in einige Verlegenheit wegen der Erklaͤrung geſetzt. Wir<lb/>ſind naͤmlich durch ſo viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung<lb/>
gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electriſchen Materien<lb/>
nicht wohl ſo ſtatt finden koͤnne, daß die eine beſſer oder minder<lb/>
gut als die andre fortgeleitet werde, ſondern beide ſchienen hierin<lb/>
ganz gleichen Geſetzen zu folgen; jene Beobachtung <hirendition="#g">Ermans</hi> aber<lb/>ſcheint Ausnahmen von dieſer Regel anzugeben. <hirendition="#g">Erman</hi>ſtellte<lb/>
eine voltaiſche Saͤule iſolirt auf, und verſuchte, ob auch die Wein-<lb/>
geiſtflamme ſich als Leiter der Electricitaͤt zeige. Sie wiſſen, daß<lb/>
die iſolirt aufgeſtellte Saͤule, wenn ſie an beiden Enden mit Elec-<lb/>
trometern verſehen iſt, uns am Zink-Ende eine gegenſeitige Ab-<lb/>ſtoßung der Goldblaͤttchen durch poſitive Electricitaͤt, am Kupfer-<lb/>
Ende durch negative Electricitaͤt zeigt, und es iſt offenbar, daß<lb/>
eines dieſer Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die<lb/>
Flamme, als Leiter der Electricitaͤt, einen Theil der am einen<lb/>
Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies,<lb/>
wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath ſich<lb/>
in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte<lb/>
der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver-<lb/>
bunden iſt, daß das am andern Pole der Saͤule angebrachte Elec-<lb/>
trometer nun auf die doppelte Spannung ſteigt, trat auch hier ein.<lb/>
So zeigte ſich alſo die Weingeiſtflamme als ein Leiter an jedem<lb/>
einzelnen Pole der Saͤule; aber wenn man die Flamme iſolirt<lb/>
aufgeſtellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdraͤthe an-<lb/>
brachte, wenn ſowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole<lb/>
kommende Drath ſich in der iſolirten Flamme endigte und die<lb/>
Flamme hier als Leiter dienen ſollte, ſo ſank nur am poſitiven<lb/>
Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen<lb/>
zu der doppelten Divergenz, ſo als ob dieſer iſolirt waͤre. Die<lb/>
Flamme zeigte ſich alſo als unipolarer poſitiver Leiter, aber als die<lb/>
negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unſre<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Cc 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[403/0417]
gleicher Materie, daß naͤmlich immer der zehnmal ſo gut leitende
Drath auch zehnmal ſo viel electriſche Materie fortfuͤhrt, als der
mit ihm zugleich angewandte ſchlechter leitende Drath.
Unipolare Leiter.
Eine auffallende Beobachtung Ermans hat lange die Phy-
ſiker in einige Verlegenheit wegen der Erklaͤrung geſetzt. Wir
ſind naͤmlich durch ſo viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung
gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electriſchen Materien
nicht wohl ſo ſtatt finden koͤnne, daß die eine beſſer oder minder
gut als die andre fortgeleitet werde, ſondern beide ſchienen hierin
ganz gleichen Geſetzen zu folgen; jene Beobachtung Ermans aber
ſcheint Ausnahmen von dieſer Regel anzugeben. Erman ſtellte
eine voltaiſche Saͤule iſolirt auf, und verſuchte, ob auch die Wein-
geiſtflamme ſich als Leiter der Electricitaͤt zeige. Sie wiſſen, daß
die iſolirt aufgeſtellte Saͤule, wenn ſie an beiden Enden mit Elec-
trometern verſehen iſt, uns am Zink-Ende eine gegenſeitige Ab-
ſtoßung der Goldblaͤttchen durch poſitive Electricitaͤt, am Kupfer-
Ende durch negative Electricitaͤt zeigt, und es iſt offenbar, daß
eines dieſer Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die
Flamme, als Leiter der Electricitaͤt, einen Theil der am einen
Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies,
wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath ſich
in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte
der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver-
bunden iſt, daß das am andern Pole der Saͤule angebrachte Elec-
trometer nun auf die doppelte Spannung ſteigt, trat auch hier ein.
So zeigte ſich alſo die Weingeiſtflamme als ein Leiter an jedem
einzelnen Pole der Saͤule; aber wenn man die Flamme iſolirt
aufgeſtellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdraͤthe an-
brachte, wenn ſowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole
kommende Drath ſich in der iſolirten Flamme endigte und die
Flamme hier als Leiter dienen ſollte, ſo ſank nur am poſitiven
Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen
zu der doppelten Divergenz, ſo als ob dieſer iſolirt waͤre. Die
Flamme zeigte ſich alſo als unipolarer poſitiver Leiter, aber als die
negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unſre
Cc 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/417>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.