Uhr rückt immer um 60 Secunden fort, wenn das Pendel 60 Schläge vollendet, aber diese angeblichen Secunden sind nicht Se- cunden mehr, wenn das Pendel seine Länge ändert; und da unsre Pendel-Uhren von der härtesten Winterkälte bis zur größten Som- merwärme einer Aenderung von mehr als 60 Cent. Gr. unterwor- fen sind, so ändert ein Pendel mit Stahlstange seine Länge um etwa der ganzen Länge, das ist, um reichlich 1/4 Linie, und hiedurch wird die Anzahl der Schwingungen in einem Tage um 30 Schwingungen vermindert, wenn die Wärme um so viel zu- nimmt *). Diese Aenderungen der Schwingungszeit müßten bei jeder Beobachtung berücksichtiget werden, und dies würde, wegen des unaufhörlichen Wechsels der Temperatur, für ganze Tage und längere Zeiten unausführbar, dadurch aber die bei astronomischen Beobachtungen erforderliche Genauigkeit unmöglich sein. Es ward daher, als man genau gehende Uhren zu machen anfing, ein Be- dürfniß, Pendel zu haben, die diesen Veränderungen nicht unter- worfen, wo sie compensirt wären. Man hat hiezu vorzüglich zwei Einrichtungen in Anwendung gebracht, unter denen das rost- förmige Pendel das bis jetzt am meisten gebrauchte ist.
Wenn man eine Verbindung von Stahlstangen (Fig. 9.) AB, CD, der Wärme aussetzt, so verlängern sich diese bei jedem Wärmegrade (der Centes. Scale) ungefähr um 12 Milliontel ihrer ganzen Länge. Sind auf den unten mit diesen fest verbundenen Stücken BE, DH zwei Zinkstangen FE, GH, fest eingesetzt, so geht, wofern AC fest gehalten wird, mit BE, HD auch das untere Ende der Zinkstangen herab; aber da Zink sich sehr stark ausdehnt, so geht das obere Ende FG, sich von EH entfernend, wieder hin- auf, und beide Ausdehnungen müssen sich zum Theil oder ganz einander ausgleichen. Da Zink sich um 30 Milliontel ausdehnt, während Stahl bei 1 Gr. Wärme-Aenderung sich nur um 12 Milliontel ausdehnt, so läßt sich folgende Anordnung des rostför- migen Pendels leicht übersehen. Man nimmt die Stahlstangen AB, CD, 30 Zoll lang, die Zinkstangen FE, GH, 24 Zoll und befestigt an FG die 30 Zoll lange Stahlstange IK, an welcher sich die sehr schwere Linse K des Pendels befindet; wird nun diese
*) Bei Messing sogar 45 Schwingungen.
Uhr ruͤckt immer um 60 Secunden fort, wenn das Pendel 60 Schlaͤge vollendet, aber dieſe angeblichen Secunden ſind nicht Se- cunden mehr, wenn das Pendel ſeine Laͤnge aͤndert; und da unſre Pendel-Uhren von der haͤrteſten Winterkaͤlte bis zur groͤßten Som- merwaͤrme einer Aenderung von mehr als 60 Cent. Gr. unterwor- fen ſind, ſo aͤndert ein Pendel mit Stahlſtange ſeine Laͤnge um etwa der ganzen Laͤnge, das iſt, um reichlich ¼ Linie, und hiedurch wird die Anzahl der Schwingungen in einem Tage um 30 Schwingungen vermindert, wenn die Waͤrme um ſo viel zu- nimmt *). Dieſe Aenderungen der Schwingungszeit muͤßten bei jeder Beobachtung beruͤckſichtiget werden, und dies wuͤrde, wegen des unaufhoͤrlichen Wechſels der Temperatur, fuͤr ganze Tage und laͤngere Zeiten unausfuͤhrbar, dadurch aber die bei aſtronomiſchen Beobachtungen erforderliche Genauigkeit unmoͤglich ſein. Es ward daher, als man genau gehende Uhren zu machen anfing, ein Be- duͤrfniß, Pendel zu haben, die dieſen Veraͤnderungen nicht unter- worfen, wo ſie compenſirt waͤren. Man hat hiezu vorzuͤglich zwei Einrichtungen in Anwendung gebracht, unter denen das roſt- foͤrmige Pendel das bis jetzt am meiſten gebrauchte iſt.
Wenn man eine Verbindung von Stahlſtangen (Fig. 9.) AB, CD, der Waͤrme ausſetzt, ſo verlaͤngern ſich dieſe bei jedem Waͤrmegrade (der Centeſ. Scale) ungefaͤhr um 12 Milliontel ihrer ganzen Laͤnge. Sind auf den unten mit dieſen feſt verbundenen Stuͤcken BE, DH zwei Zinkſtangen FE, GH, feſt eingeſetzt, ſo geht, wofern AC feſt gehalten wird, mit BE, HD auch das untere Ende der Zinkſtangen herab; aber da Zink ſich ſehr ſtark ausdehnt, ſo geht das obere Ende FG, ſich von EH entfernend, wieder hin- auf, und beide Ausdehnungen muͤſſen ſich zum Theil oder ganz einander ausgleichen. Da Zink ſich um 30 Milliontel ausdehnt, waͤhrend Stahl bei 1 Gr. Waͤrme-Aenderung ſich nur um 12 Milliontel ausdehnt, ſo laͤßt ſich folgende Anordnung des roſtfoͤr- migen Pendels leicht uͤberſehen. Man nimmt die Stahlſtangen AB, CD, 30 Zoll lang, die Zinkſtangen FE, GH, 24 Zoll und befeſtigt an FG die 30 Zoll lange Stahlſtange IK, an welcher ſich die ſehr ſchwere Linſe K des Pendels befindet; wird nun dieſe
*) Bei Meſſing ſogar 45 Schwingungen.
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hiedurch wird die Anzahl der Schwingungen in einem Tage um
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jeder Beobachtung beruͤckſichtiget werden, und dies wuͤrde, wegen
des unaufhoͤrlichen Wechſels der Temperatur, fuͤr ganze Tage und
laͤngere Zeiten unausfuͤhrbar, dadurch aber die bei aſtronomiſchen
Beobachtungen erforderliche Genauigkeit unmoͤglich ſein. Es ward
daher, als man genau gehende Uhren zu machen anfing, ein Be-
duͤrfniß, Pendel zu haben, die dieſen Veraͤnderungen nicht unter-
worfen, wo ſie compenſirt waͤren. Man hat hiezu vorzuͤglich
zwei Einrichtungen in Anwendung gebracht, unter denen das roſt-
foͤrmige Pendel das bis jetzt am meiſten gebrauchte iſt.
Wenn man eine Verbindung von Stahlſtangen (Fig. 9.)
AB, CD, der Waͤrme ausſetzt, ſo verlaͤngern ſich dieſe bei jedem
Waͤrmegrade (der Centeſ. Scale) ungefaͤhr um 12 Milliontel ihrer
ganzen Laͤnge. Sind auf den unten mit dieſen feſt verbundenen
Stuͤcken BE, DH zwei Zinkſtangen FE, GH, feſt eingeſetzt, ſo
geht, wofern AC feſt gehalten wird, mit BE, HD auch das untere
Ende der Zinkſtangen herab; aber da Zink ſich ſehr ſtark ausdehnt,
ſo geht das obere Ende FG, ſich von EH entfernend, wieder hin-
auf, und beide Ausdehnungen muͤſſen ſich zum Theil oder ganz
einander ausgleichen. Da Zink ſich um 30 Milliontel ausdehnt,
waͤhrend Stahl bei 1 Gr. Waͤrme-Aenderung ſich nur um 12
Milliontel ausdehnt, ſo laͤßt ſich folgende Anordnung des roſtfoͤr-
migen Pendels leicht uͤberſehen. Man nimmt die Stahlſtangen
AB, CD, 30 Zoll lang, die Zinkſtangen FE, GH, 24 Zoll
und befeſtigt an FG die 30 Zoll lange Stahlſtange IK, an welcher
ſich die ſehr ſchwere Linſe K des Pendels befindet; wird nun dieſe
*) Bei Meſſing ſogar 45 Schwingungen.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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