sei so, als ob der Finger von der Säule her nach allen Richtungen schneidend durchdrungen werde, am positiven Zinkpole sei dagegen die Empfindung dumpfer, als ob der Finger eingeengt sei. Rit- ter glaubt bei dauernder Schließung der Säule am negativen Pole das Gefühl der Kälte, am positiven Pole ein Gefühl von Wärme bemerkt zu haben; aber hierin stimmen andre Beobachter nicht ganz ein, und ich selbst, obgleich ich jene erste Beschreibung der Empfindung nicht unpassend finde, habe doch in Beziehung auf Wärme und Kälte keinen so entschiedenen Gegensatz finden können. Ritter fand hier überall genaue Gegensätze, theils in den Sin- nes-Erscheinungen, welche beide Pole bei dem Schließen der Kette darbieten, theils in den Empfindungen, die an demselben Pole beim Schließen und Oeffnen der Kette vorkommen; so strenge kenntlich scheinen mir diese Gegensätze nicht, obgleich das wohl allerdings richtig ist, daß beim Oeffnen der Kette durch die Lebens- thätigkeit der Organe das Gefühl eines Zustandes hervortritt, der sich als dem durch jenen unnatürlichen Reiz erregten entgegen- gesetzt der Empfindung darbietet. Auf der Zunge giebt der vom positiven Pole herkommende Drath einen sauern, stechenden Ge- schmack, der vom negativen Pole herkommende Drath einen alca- lischen; über den Ursprung dieses Geschmacks aus der anfangenden Zersetzung der Feuchtigkeiten auf der Zunge geben die chemischen Erscheinungen noch mehr Aufschluß; daß aber beim Oeffnen der Kette sich die entgegengesetzte Geschmacks-Empfindung wahrneh- men läßt, muß gewiß aus der eben erwähnten Gegenwirkung des Organs erklärt werden. Der Lichtblitz vor dem Auge zeigt sich bei einer mäßigen Anzahl Plattenpaare schon deutlich, wenn man zwei von beiden Polen ausgehende Leiter an benetzte Stellen der Schläfe bringt.
Von Humboldt, Ritter, Most und andre haben eine große Menge hierher gehöriger Versuche angestellt, die ich nicht wei- ter anführe, da für die Gesetze der electrischen Erscheinungen selbst wenig belehrende Folgerungen daraus hervorgehen. Merkwürdig scheint mir indeß der Beweis, den Marianini für den Satz, daß die Zuckung der Froschschenkel beim Wiederöffnen der Kette nicht von einem Zurückströmen der Electricität herrührt, aufgestellt hat. Allerdings nämlich zeigt der Froschschenkel auch beim Oeffnen
ſei ſo, als ob der Finger von der Saͤule her nach allen Richtungen ſchneidend durchdrungen werde, am poſitiven Zinkpole ſei dagegen die Empfindung dumpfer, als ob der Finger eingeengt ſei. Rit- ter glaubt bei dauernder Schließung der Saͤule am negativen Pole das Gefuͤhl der Kaͤlte, am poſitiven Pole ein Gefuͤhl von Waͤrme bemerkt zu haben; aber hierin ſtimmen andre Beobachter nicht ganz ein, und ich ſelbſt, obgleich ich jene erſte Beſchreibung der Empfindung nicht unpaſſend finde, habe doch in Beziehung auf Waͤrme und Kaͤlte keinen ſo entſchiedenen Gegenſatz finden koͤnnen. Ritter fand hier uͤberall genaue Gegenſaͤtze, theils in den Sin- nes-Erſcheinungen, welche beide Pole bei dem Schließen der Kette darbieten, theils in den Empfindungen, die an demſelben Pole beim Schließen und Oeffnen der Kette vorkommen; ſo ſtrenge kenntlich ſcheinen mir dieſe Gegenſaͤtze nicht, obgleich das wohl allerdings richtig iſt, daß beim Oeffnen der Kette durch die Lebens- thaͤtigkeit der Organe das Gefuͤhl eines Zuſtandes hervortritt, der ſich als dem durch jenen unnatuͤrlichen Reiz erregten entgegen- geſetzt der Empfindung darbietet. Auf der Zunge giebt der vom poſitiven Pole herkommende Drath einen ſauern, ſtechenden Ge- ſchmack, der vom negativen Pole herkommende Drath einen alca- liſchen; uͤber den Urſprung dieſes Geſchmacks aus der anfangenden Zerſetzung der Feuchtigkeiten auf der Zunge geben die chemiſchen Erſcheinungen noch mehr Aufſchluß; daß aber beim Oeffnen der Kette ſich die entgegengeſetzte Geſchmacks-Empfindung wahrneh- men laͤßt, muß gewiß aus der eben erwaͤhnten Gegenwirkung des Organs erklaͤrt werden. Der Lichtblitz vor dem Auge zeigt ſich bei einer maͤßigen Anzahl Plattenpaare ſchon deutlich, wenn man zwei von beiden Polen ausgehende Leiter an benetzte Stellen der Schlaͤfe bringt.
Von Humboldt, Ritter, Moſt und andre haben eine große Menge hierher gehoͤriger Verſuche angeſtellt, die ich nicht wei- ter anfuͤhre, da fuͤr die Geſetze der electriſchen Erſcheinungen ſelbſt wenig belehrende Folgerungen daraus hervorgehen. Merkwuͤrdig ſcheint mir indeß der Beweis, den Marianini fuͤr den Satz, daß die Zuckung der Froſchſchenkel beim Wiederoͤffnen der Kette nicht von einem Zuruͤckſtroͤmen der Electricitaͤt herruͤhrt, aufgeſtellt hat. Allerdings naͤmlich zeigt der Froſchſchenkel auch beim Oeffnen
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ſei ſo, als ob der Finger von der Saͤule her nach allen Richtungen
ſchneidend durchdrungen werde, am poſitiven Zinkpole ſei dagegen
die Empfindung dumpfer, als ob der Finger eingeengt ſei. Rit-
ter glaubt bei dauernder Schließung der Saͤule am negativen
Pole das Gefuͤhl der Kaͤlte, am poſitiven Pole ein Gefuͤhl von
Waͤrme bemerkt zu haben; aber hierin ſtimmen andre Beobachter
nicht ganz ein, und ich ſelbſt, obgleich ich jene erſte Beſchreibung
der Empfindung nicht unpaſſend finde, habe doch in Beziehung auf
Waͤrme und Kaͤlte keinen ſo entſchiedenen Gegenſatz finden koͤnnen.
Ritter fand hier uͤberall genaue Gegenſaͤtze, theils in den Sin-
nes-Erſcheinungen, welche beide Pole bei dem Schließen der Kette
darbieten, theils in den Empfindungen, die an demſelben Pole
beim Schließen und Oeffnen der Kette vorkommen; ſo ſtrenge
kenntlich ſcheinen mir dieſe Gegenſaͤtze nicht, obgleich das wohl
allerdings richtig iſt, daß beim Oeffnen der Kette durch die Lebens-
thaͤtigkeit der Organe das Gefuͤhl eines Zuſtandes hervortritt, der
ſich als dem durch jenen unnatuͤrlichen Reiz erregten entgegen-
geſetzt der Empfindung darbietet. Auf der Zunge giebt der vom
poſitiven Pole herkommende Drath einen ſauern, ſtechenden Ge-
ſchmack, der vom negativen Pole herkommende Drath einen alca-
liſchen; uͤber den Urſprung dieſes Geſchmacks aus der anfangenden
Zerſetzung der Feuchtigkeiten auf der Zunge geben die chemiſchen
Erſcheinungen noch mehr Aufſchluß; daß aber beim Oeffnen der
Kette ſich die entgegengeſetzte Geſchmacks-Empfindung wahrneh-
men laͤßt, muß gewiß aus der eben erwaͤhnten Gegenwirkung
des Organs erklaͤrt werden. Der Lichtblitz vor dem Auge zeigt
ſich bei einer maͤßigen Anzahl Plattenpaare ſchon deutlich, wenn
man zwei von beiden Polen ausgehende Leiter an benetzte Stellen
der Schlaͤfe bringt.
Von Humboldt, Ritter, Moſt und andre haben eine
große Menge hierher gehoͤriger Verſuche angeſtellt, die ich nicht wei-
ter anfuͤhre, da fuͤr die Geſetze der electriſchen Erſcheinungen ſelbſt
wenig belehrende Folgerungen daraus hervorgehen. Merkwuͤrdig
ſcheint mir indeß der Beweis, den Marianini fuͤr den Satz,
daß die Zuckung der Froſchſchenkel beim Wiederoͤffnen der Kette
nicht von einem Zuruͤckſtroͤmen der Electricitaͤt herruͤhrt, aufgeſtellt
hat. Allerdings naͤmlich zeigt der Froſchſchenkel auch beim Oeffnen
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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