scheint mir der Zusammenhang der drückenden Schwüle vor den Gewittern mit dem Entstehen der Gewitter erklärt zu sein.
Eine andere uns noch völlig dunkle Erscheinung ist die so oft in den Gewitterwolken entstehende Kälte, die sich häufig durch einen empfindlich kalten Wind, seltner durch die Entstehung des Hagels, merklich macht. Bei dem plötzlichen Uebergange der Dämpfe in tropfbares Wasser sollte eher Wärme frei werden; statt dessen aber bilden sich Eisstücke, die oft ganze Gegenden verheeren. Dieser Hagelbildung scheinen einige Gegenden häufiger als andere benach- barte Gegenden ausgesetzt zu sein; sie ist sehr selten über dem Meere und über den nächsten Gegenden am Meere; sie findet fast durchaus nur am Tage und fast nur an sehr heißen Tagen statt. -- Keine der zahlreichen, mir bekannten Theorien giebt einen Aufschluß, der eine strenge Critik aushielte, über alle diese Um- stände.
Leichter erklärlich ist es, daß die electrischen Wolken einander anziehen, daß man zuweilen ein Annähern der Wolke gegen die Erde und nach einem Blitze ein Höhersteigen der Wolke bemerkt hat, daß zuweilen eine ungeheure Staubmasse gegen die Wolke hinauf gezogen wird, und dann sich das Gewitter zerstreut, so als ob die Electricität eine Ableitung in dieser Staubmasse gegen die Erde zu gefunden hätte. Diese in einem Wirbelwinde, gewöhnlich ohne weiter auffallende Umstände, gehobenen Staubwolken scheinen verwandt mit dem gleichfalls noch ganz unerklärten Phänomene der Tromben oder Wasserhosen, die mit einer wirbelnden Bewe- gung alles zu zerstören pflegen, was ihnen von beweglichen Körpern in den Weg kömmt, und das Wasser des Meeres aufwärts zu ziehen scheinen.
Endlich muß ich doch noch eine electrische Erscheinung bei Gewittern erwähnen, die Wetterlichter, St. Elmsfeuer oder bei den Alten Castor und Pollux. Dieses sind weiße Flämmchen, die auf den höchsten Spitzen der Gegenstände sich zeigen und ganz der von Spitzen in die Luft ausströmenden Electricität gleichen. Gewöhnlich scheinen sie sich dann zu zeigen, wenn die untere Luft stark electrisch ist, so daß an den Spitzen die entgegengesetzte Elec- tricität ausströmt; da unter den Umständen nicht oder selten das schnelle Zunehmen der Electricität, welches den Blitz hervorbringt,
III. X
ſcheint mir der Zuſammenhang der druͤckenden Schwuͤle vor den Gewittern mit dem Entſtehen der Gewitter erklaͤrt zu ſein.
Eine andere uns noch voͤllig dunkle Erſcheinung iſt die ſo oft in den Gewitterwolken entſtehende Kaͤlte, die ſich haͤufig durch einen empfindlich kalten Wind, ſeltner durch die Entſtehung des Hagels, merklich macht. Bei dem ploͤtzlichen Uebergange der Daͤmpfe in tropfbares Waſſer ſollte eher Waͤrme frei werden; ſtatt deſſen aber bilden ſich Eisſtuͤcke, die oft ganze Gegenden verheeren. Dieſer Hagelbildung ſcheinen einige Gegenden haͤufiger als andere benach- barte Gegenden ausgeſetzt zu ſein; ſie iſt ſehr ſelten uͤber dem Meere und uͤber den naͤchſten Gegenden am Meere; ſie findet faſt durchaus nur am Tage und faſt nur an ſehr heißen Tagen ſtatt. — Keine der zahlreichen, mir bekannten Theorien giebt einen Aufſchluß, der eine ſtrenge Critik aushielte, uͤber alle dieſe Um- ſtaͤnde.
Leichter erklaͤrlich iſt es, daß die electriſchen Wolken einander anziehen, daß man zuweilen ein Annaͤhern der Wolke gegen die Erde und nach einem Blitze ein Hoͤherſteigen der Wolke bemerkt hat, daß zuweilen eine ungeheure Staubmaſſe gegen die Wolke hinauf gezogen wird, und dann ſich das Gewitter zerſtreut, ſo als ob die Electricitaͤt eine Ableitung in dieſer Staubmaſſe gegen die Erde zu gefunden haͤtte. Dieſe in einem Wirbelwinde, gewoͤhnlich ohne weiter auffallende Umſtaͤnde, gehobenen Staubwolken ſcheinen verwandt mit dem gleichfalls noch ganz unerklaͤrten Phaͤnomene der Tromben oder Waſſerhoſen, die mit einer wirbelnden Bewe- gung alles zu zerſtoͤren pflegen, was ihnen von beweglichen Koͤrpern in den Weg koͤmmt, und das Waſſer des Meeres aufwaͤrts zu ziehen ſcheinen.
Endlich muß ich doch noch eine electriſche Erſcheinung bei Gewittern erwaͤhnen, die Wetterlichter, St. Elmsfeuer oder bei den Alten Caſtor und Pollux. Dieſes ſind weiße Flaͤmmchen, die auf den hoͤchſten Spitzen der Gegenſtaͤnde ſich zeigen und ganz der von Spitzen in die Luft ausſtroͤmenden Electricitaͤt gleichen. Gewoͤhnlich ſcheinen ſie ſich dann zu zeigen, wenn die untere Luft ſtark electriſch iſt, ſo daß an den Spitzen die entgegengeſetzte Elec- tricitaͤt ausſtroͤmt; da unter den Umſtaͤnden nicht oder ſelten das ſchnelle Zunehmen der Electricitaͤt, welches den Blitz hervorbringt,
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ſcheint mir der Zuſammenhang der druͤckenden Schwuͤle vor den
Gewittern mit dem Entſtehen der Gewitter erklaͤrt zu ſein.
Eine andere uns noch voͤllig dunkle Erſcheinung iſt die ſo oft
in den Gewitterwolken entſtehende Kaͤlte, die ſich haͤufig durch einen
empfindlich kalten Wind, ſeltner durch die Entſtehung des Hagels,
merklich macht. Bei dem ploͤtzlichen Uebergange der Daͤmpfe in
tropfbares Waſſer ſollte eher Waͤrme frei werden; ſtatt deſſen aber
bilden ſich Eisſtuͤcke, die oft ganze Gegenden verheeren. Dieſer
Hagelbildung ſcheinen einige Gegenden haͤufiger als andere benach-
barte Gegenden ausgeſetzt zu ſein; ſie iſt ſehr ſelten uͤber dem
Meere und uͤber den naͤchſten Gegenden am Meere; ſie findet
faſt durchaus nur am Tage und faſt nur an ſehr heißen Tagen
ſtatt. — Keine der zahlreichen, mir bekannten Theorien giebt einen
Aufſchluß, der eine ſtrenge Critik aushielte, uͤber alle dieſe Um-
ſtaͤnde.
Leichter erklaͤrlich iſt es, daß die electriſchen Wolken einander
anziehen, daß man zuweilen ein Annaͤhern der Wolke gegen die
Erde und nach einem Blitze ein Hoͤherſteigen der Wolke bemerkt
hat, daß zuweilen eine ungeheure Staubmaſſe gegen die Wolke
hinauf gezogen wird, und dann ſich das Gewitter zerſtreut, ſo als
ob die Electricitaͤt eine Ableitung in dieſer Staubmaſſe gegen die
Erde zu gefunden haͤtte. Dieſe in einem Wirbelwinde, gewoͤhnlich
ohne weiter auffallende Umſtaͤnde, gehobenen Staubwolken ſcheinen
verwandt mit dem gleichfalls noch ganz unerklaͤrten Phaͤnomene
der Tromben oder Waſſerhoſen, die mit einer wirbelnden Bewe-
gung alles zu zerſtoͤren pflegen, was ihnen von beweglichen Koͤrpern
in den Weg koͤmmt, und das Waſſer des Meeres aufwaͤrts zu
ziehen ſcheinen.
Endlich muß ich doch noch eine electriſche Erſcheinung bei
Gewittern erwaͤhnen, die Wetterlichter, St. Elmsfeuer oder
bei den Alten Caſtor und Pollux. Dieſes ſind weiße Flaͤmmchen,
die auf den hoͤchſten Spitzen der Gegenſtaͤnde ſich zeigen und ganz
der von Spitzen in die Luft ausſtroͤmenden Electricitaͤt gleichen.
Gewoͤhnlich ſcheinen ſie ſich dann zu zeigen, wenn die untere Luft
ſtark electriſch iſt, ſo daß an den Spitzen die entgegengeſetzte Elec-
tricitaͤt ausſtroͤmt; da unter den Umſtaͤnden nicht oder ſelten das
ſchnelle Zunehmen der Electricitaͤt, welches den Blitz hervorbringt,
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/335>, abgerufen am 25.11.2024.
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