Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Künstliche Kälte, durch Mischungen hervorgebracht.

Aus den Erscheinungen der latent werdenden Wärme beim
Aufthauen lassen sich die hohen Kältegrade erklären, die man durch
Mischungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Säuren
hervorbringt. Indem nämlich diese Körper in den flüssigen Zustand
übergehen, reißen sie die Wärme mit großer Gewalt an sich, und
kühlen die benachbarten Körper stark ab. Schon gewöhnliches Salz
mit Schnee gemischt bringt eine viel größere Kälte hervor als bloß
schmelzender Schnee, noch wirksamer aber ist eine Mischung von
salzsaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der salzsaure
Kalk crystallisirt und dann zerstoßen ist, so muß man ungefähr dop-
pelt so viel von demselben als vom Schnee nehmen und diese Kör-
per schichtenweise mischen; dann entsteht eine bis auf 40 Reaum.
Grade gehende Kälte, in welcher das Quecksilber gefriert. Man
thut wohl, den Versuch nur in einer Umgebung, wo es wenigstens
6 bis 8 Gr. R. kalt ist, anzustellen, und sich eines weiteren Gefäßes
mit Schnee und Salz gefüllt zu bedienen, um schon eine Kälte von
18 bis 20° zu bewirken; setzt man dann in dieses das kleinere Ge-
fäß, worin der Schnee mit salzsaurem Kalk gemischt werden soll,
und hat von diesem nicht zu wenig vorräthig, so wird man das
Quecksilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer
Vorrath ist erforderlich, um die entstandene Kälte, die wegen der
äußern, gewöhnlich um 20 bis 30 Gr. höhern, Temperatur bald
geringer zu werden geneigt ist, lange genug zu unterhalten.

Schnee mit Kochsalz bringt mit etwas Salpetersäure gemischt
eine bedeutende Kälte hervor, selbst wenn die äußere Luft ziemlich
hoch über den Gefrierpunct erwärmt ist; aber mit einer Mischung
von gleichviel Schnee und Salpetersäure bei + 14° Wärme eine
Kälte von --35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,)
ist nur bei Anwendung sehr bedeutender Quantitäten und durch
Umgebung des Hauptgefäßes mit einer sehr erkältenden Mischung
möglich.

In den Polargegenden gefriert das Quecksilber sehr oft durch
die dort statt findende Kälte der freien Luft, und da es sich dann
unregelmäßig und sehr stark zusammen zieht, so hat man ehemals
geglaubt, daß die Kälte dort einem viel höhern Thermometergrade

III. G
Kuͤnſtliche Kaͤlte, durch Miſchungen hervorgebracht.

Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim
Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch
Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren
hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand
uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und
kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz
mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß
ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von
ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure
Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop-
pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr-
per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum.
Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man
thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens
6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes
mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von
18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge-
faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll,
und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das
Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer
Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der
aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald
geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten.

Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht
eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich
hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung
von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine
Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,)
iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch
Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung
moͤglich.

In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch
die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann
unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals
geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade

III. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="97"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ka&#x0364;lte</hi>, <hi rendition="#g">durch Mi&#x017F;chungen hervorgebracht</hi>.</head><lb/>
          <p>Aus den Er&#x017F;cheinungen der latent werdenden Wa&#x0364;rme beim<lb/>
Aufthauen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die hohen Ka&#x0364;ltegrade erkla&#x0364;ren, die man durch<lb/>
Mi&#x017F;chungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Sa&#x0364;uren<lb/>
hervorbringt. Indem na&#x0364;mlich die&#x017F;e Ko&#x0364;rper in den flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Zu&#x017F;tand<lb/>
u&#x0364;bergehen, reißen &#x017F;ie die Wa&#x0364;rme mit großer Gewalt an &#x017F;ich, und<lb/>
ku&#x0364;hlen die benachbarten Ko&#x0364;rper &#x017F;tark ab. Schon gewo&#x0364;hnliches Salz<lb/>
mit Schnee gemi&#x017F;cht bringt eine viel gro&#x0364;ßere Ka&#x0364;lte hervor als bloß<lb/>
&#x017F;chmelzender Schnee, noch wirk&#x017F;amer aber i&#x017F;t eine Mi&#x017F;chung von<lb/>
&#x017F;alz&#x017F;aurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der &#x017F;alz&#x017F;aure<lb/>
Kalk cry&#x017F;talli&#x017F;irt und dann zer&#x017F;toßen i&#x017F;t, &#x017F;o muß man ungefa&#x0364;hr dop-<lb/>
pelt &#x017F;o viel von dem&#x017F;elben als vom Schnee nehmen und die&#x017F;e Ko&#x0364;r-<lb/>
per &#x017F;chichtenwei&#x017F;e mi&#x017F;chen; dann ent&#x017F;teht eine bis auf 40 Reaum.<lb/>
Grade gehende Ka&#x0364;lte, in welcher das Queck&#x017F;ilber gefriert. Man<lb/>
thut wohl, den Ver&#x017F;uch nur in einer Umgebung, wo es wenig&#x017F;tens<lb/>
6 bis 8 Gr. R. kalt i&#x017F;t, anzu&#x017F;tellen, und &#x017F;ich eines weiteren Gefa&#x0364;ßes<lb/>
mit Schnee und Salz gefu&#x0364;llt zu bedienen, um &#x017F;chon eine Ka&#x0364;lte von<lb/>
18 bis 20° zu bewirken; &#x017F;etzt man dann in die&#x017F;es das kleinere Ge-<lb/>
fa&#x0364;ß, worin der Schnee mit &#x017F;alz&#x017F;aurem Kalk gemi&#x017F;cht werden &#x017F;oll,<lb/>
und hat von die&#x017F;em nicht zu wenig vorra&#x0364;thig, &#x017F;o wird man das<lb/>
Queck&#x017F;ilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer<lb/>
Vorrath i&#x017F;t erforderlich, um die ent&#x017F;tandene Ka&#x0364;lte, die wegen der<lb/>
a&#x0364;ußern, gewo&#x0364;hnlich um 20 bis 30 Gr. ho&#x0364;hern, Temperatur bald<lb/>
geringer zu werden geneigt i&#x017F;t, lange genug zu unterhalten.</p><lb/>
          <p>Schnee mit Koch&#x017F;alz bringt mit etwas Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure gemi&#x017F;cht<lb/>
eine bedeutende Ka&#x0364;lte hervor, &#x017F;elb&#x017F;t wenn die a&#x0364;ußere Luft ziemlich<lb/>
hoch u&#x0364;ber den Gefrierpunct erwa&#x0364;rmt i&#x017F;t; aber mit einer Mi&#x017F;chung<lb/>
von gleichviel Schnee und Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure bei + 14° Wa&#x0364;rme eine<lb/>
Ka&#x0364;lte von &#x2014;35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,)<lb/>
i&#x017F;t nur bei Anwendung &#x017F;ehr bedeutender Quantita&#x0364;ten und durch<lb/>
Umgebung des Hauptgefa&#x0364;ßes mit einer &#x017F;ehr erka&#x0364;ltenden Mi&#x017F;chung<lb/>
mo&#x0364;glich.</p><lb/>
          <p>In den Polargegenden gefriert das Queck&#x017F;ilber &#x017F;ehr oft durch<lb/>
die dort &#x017F;tatt findende Ka&#x0364;lte der freien Luft, und da es &#x017F;ich dann<lb/>
unregelma&#x0364;ßig und &#x017F;ehr &#x017F;tark zu&#x017F;ammen zieht, &#x017F;o hat man ehemals<lb/>
geglaubt, daß die Ka&#x0364;lte dort einem viel ho&#x0364;hern Thermometergrade<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">III.</hi></hi> G</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0111] Kuͤnſtliche Kaͤlte, durch Miſchungen hervorgebracht. Aus den Erſcheinungen der latent werdenden Waͤrme beim Aufthauen laſſen ſich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch Miſchungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren hervorbringt. Indem naͤmlich dieſe Koͤrper in den fluͤſſigen Zuſtand uͤbergehen, reißen ſie die Waͤrme mit großer Gewalt an ſich, und kuͤhlen die benachbarten Koͤrper ſtark ab. Schon gewoͤhnliches Salz mit Schnee gemiſcht bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß ſchmelzender Schnee, noch wirkſamer aber iſt eine Miſchung von ſalzſaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der ſalzſaure Kalk cryſtalliſirt und dann zerſtoßen iſt, ſo muß man ungefaͤhr dop- pelt ſo viel von demſelben als vom Schnee nehmen und dieſe Koͤr- per ſchichtenweiſe miſchen; dann entſteht eine bis auf 40 Reaum. Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Queckſilber gefriert. Man thut wohl, den Verſuch nur in einer Umgebung, wo es wenigſtens 6 bis 8 Gr. R. kalt iſt, anzuſtellen, und ſich eines weiteren Gefaͤßes mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um ſchon eine Kaͤlte von 18 bis 20° zu bewirken; ſetzt man dann in dieſes das kleinere Ge- faͤß, worin der Schnee mit ſalzſaurem Kalk gemiſcht werden ſoll, und hat von dieſem nicht zu wenig vorraͤthig, ſo wird man das Queckſilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer Vorrath iſt erforderlich, um die entſtandene Kaͤlte, die wegen der aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald geringer zu werden geneigt iſt, lange genug zu unterhalten. Schnee mit Kochſalz bringt mit etwas Salpeterſaͤure gemiſcht eine bedeutende Kaͤlte hervor, ſelbſt wenn die aͤußere Luft ziemlich hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt iſt; aber mit einer Miſchung von gleichviel Schnee und Salpeterſaͤure bei + 14° Waͤrme eine Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,) iſt nur bei Anwendung ſehr bedeutender Quantitaͤten und durch Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer ſehr erkaͤltenden Miſchung moͤglich. In den Polargegenden gefriert das Queckſilber ſehr oft durch die dort ſtatt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es ſich dann unregelmaͤßig und ſehr ſtark zuſammen zieht, ſo hat man ehemals geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade III. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/111
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/111>, abgerufen am 22.12.2024.