theilen, um sogleich jenen Winkel richtig abzulesen. Sie übersehen leicht, daß, wenn gleich meine Darstellung so lautet, als ob das Fernrohr immer unverrückt auf H gerichtet bleibe, diese feste Stel- lung doch durchaus nicht nothwendig ist. Mag immerhin meine Hand, die den Sextanten hält, wanken, oder mögen die Schwan- kungen des Schiffes mich in ungleiche Stellungen bringen, so werde ich doch von Zeit zu Zeit wieder die Richtung des Fernrohrs, bei welcher ich H im Fernrohr sehe, erreichen, und nach einigem Hin- und Herrücken des Lineals CD es dahin bringen, daß ich den Ge- genstand H in grader Richtung und den Gegenstand S im Spiegel zugleich sehe; und wenn ich nun, indem ich mehrmals diese Stel- lung wieder erreiche, oder mit fester Haltung die Gegenstände nicht mehr aus dem Auge verliere, die Ueberzeugung gewinne, daß das Zusammentreffen genau ist, so habe ich den verlangten Winkel ge- messen, der Unsicherheit meiner Stellung ungeachtet. Auf diese Weise bestimmt man auf dem Schiffe die Sonnenhöhe, indem man nach dem Seehorizonte sieht, und das gespiegelte Sonnenbild, durch Verdunkelungsgläser geschwächt, mit dem Horizonte zusammenfal- lend erblickt; auf eben die Weise nimmt man den Abstand des Mondes von der Sonne, um daraus die geographische Länge zu berechnen, u. s. w.
Das Heliotrop.
Durch den, als tiefsinnigen Mathematiker so berühmten Gauß ist die Zahl der Spiegel-Instrumente noch mit einem neuen vermehrt worden. Bei der großen, über das ganze König- reich Hannover ausgedehnten, höchst genauen Messung, deren Direction Gauß übertragen war, wurde das, auch sonst schon oft gefühlte Bedürfniß, weit sichtbare und einen sehr genau bestimm- ten Punct darbietende Signale zu besitzen, öfter merklich, indem aufgerichtete Gerüste oder andre größere Gegenstände, Kirchthürme und dergl. nicht mit der Schärfe, die man bei der Feinheit unsrer Instrumente fordern darf, beobachtet werden können, da ungleiche Beleuchtung uns z. B. bald die eine, bald die andre Seite einer Thurmspitze lebhafter zeigt, und uns dadurch zu Fehlern im Visi- ren verleitet. Hellleuchtende Feuersignale von geringem Durch- messer sind diesem Vorwurfe nicht ausgesetzt, aber meistens ist ihr
theilen, um ſogleich jenen Winkel richtig abzuleſen. Sie uͤberſehen leicht, daß, wenn gleich meine Darſtellung ſo lautet, als ob das Fernrohr immer unverruͤckt auf H gerichtet bleibe, dieſe feſte Stel- lung doch durchaus nicht nothwendig iſt. Mag immerhin meine Hand, die den Sextanten haͤlt, wanken, oder moͤgen die Schwan- kungen des Schiffes mich in ungleiche Stellungen bringen, ſo werde ich doch von Zeit zu Zeit wieder die Richtung des Fernrohrs, bei welcher ich H im Fernrohr ſehe, erreichen, und nach einigem Hin- und Herruͤcken des Lineals CD es dahin bringen, daß ich den Ge- genſtand H in grader Richtung und den Gegenſtand S im Spiegel zugleich ſehe; und wenn ich nun, indem ich mehrmals dieſe Stel- lung wieder erreiche, oder mit feſter Haltung die Gegenſtaͤnde nicht mehr aus dem Auge verliere, die Ueberzeugung gewinne, daß das Zuſammentreffen genau iſt, ſo habe ich den verlangten Winkel ge- meſſen, der Unſicherheit meiner Stellung ungeachtet. Auf dieſe Weiſe beſtimmt man auf dem Schiffe die Sonnenhoͤhe, indem man nach dem Seehorizonte ſieht, und das geſpiegelte Sonnenbild, durch Verdunkelungsglaͤſer geſchwaͤcht, mit dem Horizonte zuſammenfal- lend erblickt; auf eben die Weiſe nimmt man den Abſtand des Mondes von der Sonne, um daraus die geographiſche Laͤnge zu berechnen, u. ſ. w.
Das Heliotrop.
Durch den, als tiefſinnigen Mathematiker ſo beruͤhmten Gauß iſt die Zahl der Spiegel-Inſtrumente noch mit einem neuen vermehrt worden. Bei der großen, uͤber das ganze Koͤnig- reich Hannover ausgedehnten, hoͤchſt genauen Meſſung, deren Direction Gauß uͤbertragen war, wurde das, auch ſonſt ſchon oft gefuͤhlte Beduͤrfniß, weit ſichtbare und einen ſehr genau beſtimm- ten Punct darbietende Signale zu beſitzen, oͤfter merklich, indem aufgerichtete Geruͤſte oder andre groͤßere Gegenſtaͤnde, Kirchthuͤrme und dergl. nicht mit der Schaͤrfe, die man bei der Feinheit unſrer Inſtrumente fordern darf, beobachtet werden koͤnnen, da ungleiche Beleuchtung uns z. B. bald die eine, bald die andre Seite einer Thurmſpitze lebhafter zeigt, und uns dadurch zu Fehlern im Viſi- ren verleitet. Hellleuchtende Feuerſignale von geringem Durch- meſſer ſind dieſem Vorwurfe nicht ausgeſetzt, aber meiſtens iſt ihr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0098"n="84"/>
theilen, um ſogleich jenen Winkel richtig abzuleſen. Sie uͤberſehen<lb/>
leicht, daß, wenn gleich meine Darſtellung ſo lautet, als ob das<lb/>
Fernrohr immer unverruͤckt auf <hirendition="#aq"><hirendition="#b">H</hi></hi> gerichtet bleibe, dieſe feſte Stel-<lb/>
lung doch durchaus nicht nothwendig iſt. Mag immerhin meine<lb/>
Hand, die den Sextanten haͤlt, wanken, oder moͤgen die Schwan-<lb/>
kungen des Schiffes mich in ungleiche Stellungen bringen, ſo werde<lb/>
ich doch von Zeit zu Zeit wieder die Richtung des Fernrohrs, bei<lb/>
welcher ich <hirendition="#aq"><hirendition="#b">H</hi></hi> im Fernrohr ſehe, erreichen, und nach einigem Hin-<lb/>
und Herruͤcken des Lineals <hirendition="#aq"><hirendition="#b">CD</hi></hi> es dahin bringen, daß ich den Ge-<lb/>
genſtand <hirendition="#aq"><hirendition="#b">H</hi></hi> in grader Richtung und den Gegenſtand <hirendition="#aq"><hirendition="#b">S</hi></hi> im Spiegel<lb/>
zugleich ſehe; und wenn ich nun, indem ich mehrmals dieſe Stel-<lb/>
lung wieder erreiche, oder mit feſter Haltung die Gegenſtaͤnde nicht<lb/>
mehr aus dem Auge verliere, die Ueberzeugung gewinne, daß das<lb/>
Zuſammentreffen genau iſt, ſo habe ich den verlangten Winkel ge-<lb/>
meſſen, der Unſicherheit meiner Stellung ungeachtet. Auf dieſe<lb/>
Weiſe beſtimmt man auf dem Schiffe die Sonnenhoͤhe, indem man<lb/>
nach dem Seehorizonte ſieht, und das geſpiegelte Sonnenbild, durch<lb/>
Verdunkelungsglaͤſer geſchwaͤcht, mit dem Horizonte zuſammenfal-<lb/>
lend erblickt; auf eben die Weiſe nimmt man den Abſtand des<lb/>
Mondes von der Sonne, um daraus die geographiſche Laͤnge zu<lb/>
berechnen, u. ſ. w.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Das Heliotrop</hi>.</head><lb/><p>Durch den, als tiefſinnigen Mathematiker ſo beruͤhmten<lb/><hirendition="#g">Gauß</hi> iſt die Zahl der Spiegel-Inſtrumente noch mit einem<lb/>
neuen vermehrt worden. Bei der großen, uͤber das ganze Koͤnig-<lb/>
reich <hirendition="#g">Hannover</hi> ausgedehnten, hoͤchſt genauen Meſſung, deren<lb/>
Direction <hirendition="#g">Gauß</hi> uͤbertragen war, wurde das, auch ſonſt ſchon oft<lb/>
gefuͤhlte Beduͤrfniß, weit ſichtbare und einen ſehr genau beſtimm-<lb/>
ten Punct darbietende Signale zu beſitzen, oͤfter merklich, indem<lb/>
aufgerichtete Geruͤſte oder andre groͤßere Gegenſtaͤnde, Kirchthuͤrme<lb/>
und dergl. nicht mit der Schaͤrfe, die man bei der Feinheit unſrer<lb/>
Inſtrumente fordern darf, beobachtet werden koͤnnen, da ungleiche<lb/>
Beleuchtung uns z. B. bald die eine, bald die andre Seite einer<lb/>
Thurmſpitze lebhafter zeigt, und uns dadurch zu Fehlern im Viſi-<lb/>
ren verleitet. Hellleuchtende Feuerſignale von geringem Durch-<lb/>
meſſer ſind dieſem Vorwurfe nicht ausgeſetzt, aber meiſtens iſt ihr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0098]
theilen, um ſogleich jenen Winkel richtig abzuleſen. Sie uͤberſehen
leicht, daß, wenn gleich meine Darſtellung ſo lautet, als ob das
Fernrohr immer unverruͤckt auf H gerichtet bleibe, dieſe feſte Stel-
lung doch durchaus nicht nothwendig iſt. Mag immerhin meine
Hand, die den Sextanten haͤlt, wanken, oder moͤgen die Schwan-
kungen des Schiffes mich in ungleiche Stellungen bringen, ſo werde
ich doch von Zeit zu Zeit wieder die Richtung des Fernrohrs, bei
welcher ich H im Fernrohr ſehe, erreichen, und nach einigem Hin-
und Herruͤcken des Lineals CD es dahin bringen, daß ich den Ge-
genſtand H in grader Richtung und den Gegenſtand S im Spiegel
zugleich ſehe; und wenn ich nun, indem ich mehrmals dieſe Stel-
lung wieder erreiche, oder mit feſter Haltung die Gegenſtaͤnde nicht
mehr aus dem Auge verliere, die Ueberzeugung gewinne, daß das
Zuſammentreffen genau iſt, ſo habe ich den verlangten Winkel ge-
meſſen, der Unſicherheit meiner Stellung ungeachtet. Auf dieſe
Weiſe beſtimmt man auf dem Schiffe die Sonnenhoͤhe, indem man
nach dem Seehorizonte ſieht, und das geſpiegelte Sonnenbild, durch
Verdunkelungsglaͤſer geſchwaͤcht, mit dem Horizonte zuſammenfal-
lend erblickt; auf eben die Weiſe nimmt man den Abſtand des
Mondes von der Sonne, um daraus die geographiſche Laͤnge zu
berechnen, u. ſ. w.
Das Heliotrop.
Durch den, als tiefſinnigen Mathematiker ſo beruͤhmten
Gauß iſt die Zahl der Spiegel-Inſtrumente noch mit einem
neuen vermehrt worden. Bei der großen, uͤber das ganze Koͤnig-
reich Hannover ausgedehnten, hoͤchſt genauen Meſſung, deren
Direction Gauß uͤbertragen war, wurde das, auch ſonſt ſchon oft
gefuͤhlte Beduͤrfniß, weit ſichtbare und einen ſehr genau beſtimm-
ten Punct darbietende Signale zu beſitzen, oͤfter merklich, indem
aufgerichtete Geruͤſte oder andre groͤßere Gegenſtaͤnde, Kirchthuͤrme
und dergl. nicht mit der Schaͤrfe, die man bei der Feinheit unſrer
Inſtrumente fordern darf, beobachtet werden koͤnnen, da ungleiche
Beleuchtung uns z. B. bald die eine, bald die andre Seite einer
Thurmſpitze lebhafter zeigt, und uns dadurch zu Fehlern im Viſi-
ren verleitet. Hellleuchtende Feuerſignale von geringem Durch-
meſſer ſind dieſem Vorwurfe nicht ausgeſetzt, aber meiſtens iſt ihr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/98>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.