Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

und uns die Vorstellung von dem, was unsere Sinne nicht mehr
erkennen, durch Vergleichung mit dem deutlich Erkennbaren er-
leichtern.

Crystallisation.

Noch dunkler bleiben uns die Ursachen, warum die Körper bei
dem Ausscheiden aus flüssigen Auflösungen in so bestimmten Ge-
stalten hervortreten, wie es bei dem Crystallisiren der Fall ist. Es
ist bekannt, daß eine große Menge von Körpern, zum Beispiel die
Salze, sich immer nur in gewissen Formen darstellen, daß diese
Formen regelmäßig sind, und, wenn gleich hie und da an der
vollkommenen Ausbildung gehindert, durch Nebenumstände abge-
ändert, doch dem Wesentlichen nach immer wieder so hervorgehen.
Selbst in dem Innern mancher Körper, die uns gewöhnlich keine
crystallische Bildung verrathen, findet diese, in vielen Fällen we-
nigstens, statt, und sie tritt oft bei der Auflösung so hervor, daß
einige Theile des festen Körpers, eines Metalles zum Beispiel,
leichter aufgelöst werden, und einen crystallisch geformten Körper
übrig lassen. Einer der bekanntesten und leicht anzustellenden Ver-
suche, der solche Crystallformen, wenn auch nur unvollkommen,
zeigt, ist die Darstellung des sogenannten Metall-Moors (Moiree
metallique
), wo man eine recht rein abgewaschene Tafel verzinnten
Eisenbleches mit einer verdünnten Salpetersäure übergießt oder
benetzt, und in kurzer Zeit die mannigfaltigen bald baumartigen,
bald anders geformten, crystallinischen Gefüge hervorgehen sieht,
deren Schönheit man durch örtliche Erhitzung auf der andern Seite
des Bleches befördert. Die Crystallformen, die man hier hervor-
treten sieht, sind diejenigen, welche das Zinn durch die Erstarrung
beim Verzinnen des Bleches angenommen hat, die aber ohne jene
Einwirkung der Säure unserm Auge unkenntlich geblieben wären.
Eine ähnliche Crystallbildung in Körpern, die sie gewöhnlich nicht
zeigen, kann man erhalten, wenn man bei Schmelzung durch
Wärme die beim Erkalten entstandene Rinde durchstößt, ehe noch
die innern Theile erhärtet sind, indem dann durch das Ausfließen
des noch unerhärteten Körpers die bis dahin entstandene Crystall-
bildung frei liegend wird.


und uns die Vorſtellung von dem, was unſere Sinne nicht mehr
erkennen, durch Vergleichung mit dem deutlich Erkennbaren er-
leichtern.

Cryſtalliſation.

Noch dunkler bleiben uns die Urſachen, warum die Koͤrper bei
dem Ausſcheiden aus fluͤſſigen Aufloͤſungen in ſo beſtimmten Ge-
ſtalten hervortreten, wie es bei dem Cryſtalliſiren der Fall iſt. Es
iſt bekannt, daß eine große Menge von Koͤrpern, zum Beiſpiel die
Salze, ſich immer nur in gewiſſen Formen darſtellen, daß dieſe
Formen regelmaͤßig ſind, und, wenn gleich hie und da an der
vollkommenen Ausbildung gehindert, durch Nebenumſtaͤnde abge-
aͤndert, doch dem Weſentlichen nach immer wieder ſo hervorgehen.
Selbſt in dem Innern mancher Koͤrper, die uns gewoͤhnlich keine
cryſtalliſche Bildung verrathen, findet dieſe, in vielen Faͤllen we-
nigſtens, ſtatt, und ſie tritt oft bei der Aufloͤſung ſo hervor, daß
einige Theile des feſten Koͤrpers, eines Metalles zum Beiſpiel,
leichter aufgeloͤſt werden, und einen cryſtalliſch geformten Koͤrper
uͤbrig laſſen. Einer der bekannteſten und leicht anzuſtellenden Ver-
ſuche, der ſolche Cryſtallformen, wenn auch nur unvollkommen,
zeigt, iſt die Darſtellung des ſogenannten Metall-Moors (Moirée
métallique
), wo man eine recht rein abgewaſchene Tafel verzinnten
Eiſenbleches mit einer verduͤnnten Salpeterſaͤure uͤbergießt oder
benetzt, und in kurzer Zeit die mannigfaltigen bald baumartigen,
bald anders geformten, cryſtalliniſchen Gefuͤge hervorgehen ſieht,
deren Schoͤnheit man durch oͤrtliche Erhitzung auf der andern Seite
des Bleches befoͤrdert. Die Cryſtallformen, die man hier hervor-
treten ſieht, ſind diejenigen, welche das Zinn durch die Erſtarrung
beim Verzinnen des Bleches angenommen hat, die aber ohne jene
Einwirkung der Saͤure unſerm Auge unkenntlich geblieben waͤren.
Eine aͤhnliche Cryſtallbildung in Koͤrpern, die ſie gewoͤhnlich nicht
zeigen, kann man erhalten, wenn man bei Schmelzung durch
Waͤrme die beim Erkalten entſtandene Rinde durchſtoͤßt, ehe noch
die innern Theile erhaͤrtet ſind, indem dann durch das Ausfließen
des noch unerhaͤrteten Koͤrpers die bis dahin entſtandene Cryſtall-
bildung frei liegend wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="39"/>
und uns die                         Vor&#x017F;tellung von dem, was un&#x017F;ere Sinne nicht                         mehr<lb/>
erkennen, durch Vergleichung mit dem deutlich Erkennbaren                         er-<lb/>
leichtern.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Cry&#x017F;talli&#x017F;ation</hi>.</head><lb/>
          <p>Noch dunkler bleiben uns die Ur&#x017F;achen, warum die                         Ko&#x0364;rper bei<lb/>
dem Aus&#x017F;cheiden aus                         flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen                         Auflo&#x0364;&#x017F;ungen in &#x017F;o be&#x017F;timmten                         Ge-<lb/>
&#x017F;talten hervortreten, wie es bei dem                         Cry&#x017F;talli&#x017F;iren der Fall i&#x017F;t.                         Es<lb/>
i&#x017F;t bekannt, daß eine große Menge von Ko&#x0364;rpern,                         zum Bei&#x017F;piel die<lb/>
Salze, &#x017F;ich immer nur in                         gewi&#x017F;&#x017F;en Formen dar&#x017F;tellen, daß                         die&#x017F;e<lb/>
Formen regelma&#x0364;ßig &#x017F;ind, und,                         wenn gleich hie und da an der<lb/>
vollkommenen Ausbildung gehindert, durch                         Nebenum&#x017F;ta&#x0364;nde abge-<lb/>
a&#x0364;ndert, doch dem                         We&#x017F;entlichen nach immer wieder &#x017F;o                         hervorgehen.<lb/>
Selb&#x017F;t in dem Innern mancher Ko&#x0364;rper,                         die uns gewo&#x0364;hnlich keine<lb/>
cry&#x017F;talli&#x017F;che                         Bildung verrathen, findet die&#x017F;e, in vielen Fa&#x0364;llen                         we-<lb/>
nig&#x017F;tens, &#x017F;tatt, und &#x017F;ie tritt oft                         bei der Auflo&#x0364;&#x017F;ung &#x017F;o hervor,                         daß<lb/>
einige Theile des fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rpers, eines                         Metalles zum Bei&#x017F;piel,<lb/>
leichter                         aufgelo&#x0364;&#x017F;t werden, und einen                         cry&#x017F;talli&#x017F;ch geformten                         Ko&#x0364;rper<lb/>
u&#x0364;brig la&#x017F;&#x017F;en. Einer                         der bekannte&#x017F;ten und leicht anzu&#x017F;tellenden                         Ver-<lb/>
&#x017F;uche, der &#x017F;olche Cry&#x017F;tallformen,                         wenn auch nur unvollkommen,<lb/>
zeigt, i&#x017F;t die                         Dar&#x017F;tellung des &#x017F;ogenannten Metall-Moors (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Moirée<lb/>
métallique</hi></hi>), wo man eine recht rein abgewa&#x017F;chene Tafel                         verzinnten<lb/>
Ei&#x017F;enbleches mit einer verdu&#x0364;nnten                         Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure u&#x0364;bergießt oder<lb/>
benetzt,                         und in kurzer Zeit die mannigfaltigen bald baumartigen,<lb/>
bald anders                         geformten, cry&#x017F;tallini&#x017F;chen Gefu&#x0364;ge                         hervorgehen &#x017F;ieht,<lb/>
deren Scho&#x0364;nheit man durch                         o&#x0364;rtliche Erhitzung auf der andern Seite<lb/>
des Bleches                         befo&#x0364;rdert. Die Cry&#x017F;tallformen, die man hier                         hervor-<lb/>
treten &#x017F;ieht, &#x017F;ind diejenigen, welche das                         Zinn durch die Er&#x017F;tarrung<lb/>
beim Verzinnen des Bleches                         angenommen hat, die aber ohne jene<lb/>
Einwirkung der Sa&#x0364;ure                         un&#x017F;erm Auge unkenntlich geblieben wa&#x0364;ren.<lb/>
Eine                         a&#x0364;hnliche Cry&#x017F;tallbildung in Ko&#x0364;rpern, die                         &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich nicht<lb/>
zeigen, kann man erhalten,                         wenn man bei Schmelzung durch<lb/>
Wa&#x0364;rme die beim Erkalten                         ent&#x017F;tandene Rinde durch&#x017F;to&#x0364;ßt, ehe                         noch<lb/>
die innern Theile erha&#x0364;rtet &#x017F;ind, indem dann                         durch das Ausfließen<lb/>
des noch unerha&#x0364;rteten                         Ko&#x0364;rpers die bis dahin ent&#x017F;tandene                         Cry&#x017F;tall-<lb/>
bildung frei liegend wird.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0053] und uns die Vorſtellung von dem, was unſere Sinne nicht mehr erkennen, durch Vergleichung mit dem deutlich Erkennbaren er- leichtern. Cryſtalliſation. Noch dunkler bleiben uns die Urſachen, warum die Koͤrper bei dem Ausſcheiden aus fluͤſſigen Aufloͤſungen in ſo beſtimmten Ge- ſtalten hervortreten, wie es bei dem Cryſtalliſiren der Fall iſt. Es iſt bekannt, daß eine große Menge von Koͤrpern, zum Beiſpiel die Salze, ſich immer nur in gewiſſen Formen darſtellen, daß dieſe Formen regelmaͤßig ſind, und, wenn gleich hie und da an der vollkommenen Ausbildung gehindert, durch Nebenumſtaͤnde abge- aͤndert, doch dem Weſentlichen nach immer wieder ſo hervorgehen. Selbſt in dem Innern mancher Koͤrper, die uns gewoͤhnlich keine cryſtalliſche Bildung verrathen, findet dieſe, in vielen Faͤllen we- nigſtens, ſtatt, und ſie tritt oft bei der Aufloͤſung ſo hervor, daß einige Theile des feſten Koͤrpers, eines Metalles zum Beiſpiel, leichter aufgeloͤſt werden, und einen cryſtalliſch geformten Koͤrper uͤbrig laſſen. Einer der bekannteſten und leicht anzuſtellenden Ver- ſuche, der ſolche Cryſtallformen, wenn auch nur unvollkommen, zeigt, iſt die Darſtellung des ſogenannten Metall-Moors (Moirée métallique), wo man eine recht rein abgewaſchene Tafel verzinnten Eiſenbleches mit einer verduͤnnten Salpeterſaͤure uͤbergießt oder benetzt, und in kurzer Zeit die mannigfaltigen bald baumartigen, bald anders geformten, cryſtalliniſchen Gefuͤge hervorgehen ſieht, deren Schoͤnheit man durch oͤrtliche Erhitzung auf der andern Seite des Bleches befoͤrdert. Die Cryſtallformen, die man hier hervor- treten ſieht, ſind diejenigen, welche das Zinn durch die Erſtarrung beim Verzinnen des Bleches angenommen hat, die aber ohne jene Einwirkung der Saͤure unſerm Auge unkenntlich geblieben waͤren. Eine aͤhnliche Cryſtallbildung in Koͤrpern, die ſie gewoͤhnlich nicht zeigen, kann man erhalten, wenn man bei Schmelzung durch Waͤrme die beim Erkalten entſtandene Rinde durchſtoͤßt, ehe noch die innern Theile erhaͤrtet ſind, indem dann durch das Ausfließen des noch unerhaͤrteten Koͤrpers die bis dahin entſtandene Cryſtall- bildung frei liegend wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/53
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/53>, abgerufen am 22.11.2024.