und das Auge in der gehörigen Stellung auf den zweiten Spiegel richtet, so bemerkt man in vier Stellungen jenes Blattes ein Ver- schwinden des Bildes, in allen dazwischen liegenden Stellungen da- gegen ist es schön gefärbt sichtbar, und die Farben sind fast bei jedem andern Blättchen andre. Dieser blätterige Gyps ist ein dop- pelt brechendes Mineral; es besteht aus prismatischen Crystallen, deren Grundfläche ein schiefwinkliches Parallelogramm ist, und die zwei Axen doppelter Brechung liegen in der Grundfläche selbst, das ist, in der Ebne der Blättchen, die wir mit ziemlich leichter Mühe ablösen, und die gern die Form jenes schiefen Parallelogrammes annehmen, welche als eigentliche Crystallform dieser Blättchen an- zusehen ist. Die Mittellinie zwischen beiden Axen macht nach Biot's Bestimmung einen Winkel von 161/4 Grad mit der einen Seite des Parallelogrammes, und diese Mittellinie ist es, die wir hier vorzüglich zu beachten haben. Immer bleiben unsre dünnen Crystalltafeln senkrecht auf die Richtung des polarisirten Strahles, aber wir geben ihnen, indem wir sie, ohne sie von der senkrechten Stellung zu entfernen, drehen, mannigfaltig verschiedene Lagen. Sieht man dann, ohne den zweiten Spiegel anzuwenden, durch das Gypsblättchen von O her in den ersten Spiegel, so nimmt man das Bild der weißen Wolken (denn von diesen läßt man hier am liebsten Licht auffallen, weil die Farbe der Flamme störend ist,) hell und ohne Färbung wahr; bringt man aber den zweiten Spiegel wieder in diejenige Stellung, wo er die polarisirten Strahlen nicht zurückwarf, und sucht das Bild der glänzenden Wolken, welches vom ersten Spiegel her im zweiten sichtbar sein sollte, auf; so er- scheint dieses erstlich höchst dunkel, fast gar nicht, wenn jene Mit- tellinie des Blättchens in der Ebne der ersten Reflexions-Ebne liegt, dagegen zweitens tritt dieses Bild immer heller und heller, und mit einer sich immer glänzender zeigenden Farbe hervor, wenn man jene Mittellinie von der ersten Reflexions-Ebne entfernt, bis sie bei 45° Entfernung den größten Glanz erreicht; von da an nimmt der Glanz ab, und -- drittens -- bei der Entfernung = 90° ist wieder Dunkelheit da. Dieselben Erscheinungen zeigen sich in allen Quadranten gleich, so daß bei 0°, 90°, 180°, 270°, Dunkelheit statt findet oder dem Strahle die Eigenschaft vom zwei- ten Spiegel reflectirt zu werden nicht wieder ertheilt wird, bei 45°,
und das Auge in der gehoͤrigen Stellung auf den zweiten Spiegel richtet, ſo bemerkt man in vier Stellungen jenes Blattes ein Ver- ſchwinden des Bildes, in allen dazwiſchen liegenden Stellungen da- gegen iſt es ſchoͤn gefaͤrbt ſichtbar, und die Farben ſind faſt bei jedem andern Blaͤttchen andre. Dieſer blaͤtterige Gyps iſt ein dop- pelt brechendes Mineral; es beſteht aus prismatiſchen Cryſtallen, deren Grundflaͤche ein ſchiefwinkliches Parallelogramm iſt, und die zwei Axen doppelter Brechung liegen in der Grundflaͤche ſelbſt, das iſt, in der Ebne der Blaͤttchen, die wir mit ziemlich leichter Muͤhe abloͤſen, und die gern die Form jenes ſchiefen Parallelogrammes annehmen, welche als eigentliche Cryſtallform dieſer Blaͤttchen an- zuſehen iſt. Die Mittellinie zwiſchen beiden Axen macht nach Biot's Beſtimmung einen Winkel von 16¼ Grad mit der einen Seite des Parallelogrammes, und dieſe Mittellinie iſt es, die wir hier vorzuͤglich zu beachten haben. Immer bleiben unſre duͤnnen Cryſtalltafeln ſenkrecht auf die Richtung des polariſirten Strahles, aber wir geben ihnen, indem wir ſie, ohne ſie von der ſenkrechten Stellung zu entfernen, drehen, mannigfaltig verſchiedene Lagen. Sieht man dann, ohne den zweiten Spiegel anzuwenden, durch das Gypsblaͤttchen von O her in den erſten Spiegel, ſo nimmt man das Bild der weißen Wolken (denn von dieſen laͤßt man hier am liebſten Licht auffallen, weil die Farbe der Flamme ſtoͤrend iſt,) hell und ohne Faͤrbung wahr; bringt man aber den zweiten Spiegel wieder in diejenige Stellung, wo er die polariſirten Strahlen nicht zuruͤckwarf, und ſucht das Bild der glaͤnzenden Wolken, welches vom erſten Spiegel her im zweiten ſichtbar ſein ſollte, auf; ſo er- ſcheint dieſes erſtlich hoͤchſt dunkel, faſt gar nicht, wenn jene Mit- tellinie des Blaͤttchens in der Ebne der erſten Reflexions-Ebne liegt, dagegen zweitens tritt dieſes Bild immer heller und heller, und mit einer ſich immer glaͤnzender zeigenden Farbe hervor, wenn man jene Mittellinie von der erſten Reflexions-Ebne entfernt, bis ſie bei 45° Entfernung den groͤßten Glanz erreicht; von da an nimmt der Glanz ab, und — drittens — bei der Entfernung = 90° iſt wieder Dunkelheit da. Dieſelben Erſcheinungen zeigen ſich in allen Quadranten gleich, ſo daß bei 0°, 90°, 180°, 270°, Dunkelheit ſtatt findet oder dem Strahle die Eigenſchaft vom zwei- ten Spiegel reflectirt zu werden nicht wieder ertheilt wird, bei 45°,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0352"n="338"/>
und das Auge in der gehoͤrigen Stellung auf den zweiten Spiegel<lb/>
richtet, ſo bemerkt man in vier Stellungen jenes Blattes ein Ver-<lb/>ſchwinden des Bildes, in allen dazwiſchen liegenden Stellungen da-<lb/>
gegen iſt es ſchoͤn gefaͤrbt ſichtbar, und die Farben ſind faſt bei<lb/>
jedem andern Blaͤttchen andre. Dieſer blaͤtterige Gyps iſt ein dop-<lb/>
pelt brechendes Mineral; es beſteht aus prismatiſchen Cryſtallen,<lb/>
deren Grundflaͤche ein ſchiefwinkliches Parallelogramm iſt, und die<lb/>
zwei Axen doppelter Brechung liegen in der Grundflaͤche ſelbſt, das<lb/>
iſt, in der Ebne der Blaͤttchen, die wir mit ziemlich leichter Muͤhe<lb/>
abloͤſen, und die gern die Form jenes ſchiefen Parallelogrammes<lb/>
annehmen, welche als eigentliche Cryſtallform dieſer Blaͤttchen an-<lb/>
zuſehen iſt. Die Mittellinie zwiſchen beiden Axen macht nach<lb/><hirendition="#g">Biot</hi>'s Beſtimmung einen Winkel von 16¼ Grad mit der einen<lb/>
Seite des Parallelogrammes, und dieſe Mittellinie iſt es, die wir<lb/>
hier vorzuͤglich zu beachten haben. Immer bleiben unſre duͤnnen<lb/>
Cryſtalltafeln ſenkrecht auf die Richtung des polariſirten Strahles,<lb/>
aber wir geben ihnen, indem wir ſie, ohne ſie von der ſenkrechten<lb/>
Stellung zu entfernen, drehen, mannigfaltig verſchiedene Lagen.<lb/>
Sieht man dann, ohne den zweiten Spiegel anzuwenden, durch<lb/>
das Gypsblaͤttchen von <hirendition="#aq"><hirendition="#b">O</hi></hi> her in den erſten Spiegel, ſo nimmt<lb/>
man das Bild der weißen Wolken (denn von dieſen laͤßt man hier<lb/>
am liebſten Licht auffallen, weil die Farbe der Flamme ſtoͤrend iſt,)<lb/>
hell und ohne Faͤrbung wahr; bringt man aber den zweiten Spiegel<lb/>
wieder in diejenige Stellung, wo er die polariſirten Strahlen nicht<lb/>
zuruͤckwarf, und ſucht das Bild der glaͤnzenden Wolken, welches<lb/>
vom erſten Spiegel her im zweiten ſichtbar ſein ſollte, auf; ſo er-<lb/>ſcheint dieſes erſtlich hoͤchſt dunkel, faſt gar nicht, wenn jene Mit-<lb/>
tellinie des Blaͤttchens in der Ebne der erſten Reflexions-Ebne<lb/>
liegt, dagegen zweitens tritt dieſes Bild immer heller und heller,<lb/>
und mit einer ſich immer glaͤnzender zeigenden Farbe hervor, wenn<lb/>
man jene Mittellinie von der erſten Reflexions-Ebne entfernt, bis<lb/>ſie bei 45° Entfernung den groͤßten Glanz erreicht; von da an<lb/>
nimmt der Glanz ab, und — drittens — bei der Entfernung =<lb/>
90° iſt wieder Dunkelheit da. Dieſelben Erſcheinungen zeigen ſich<lb/>
in allen Quadranten gleich, ſo daß bei 0°, 90°, 180°, 270°,<lb/>
Dunkelheit ſtatt findet oder dem Strahle die Eigenſchaft vom zwei-<lb/>
ten Spiegel reflectirt zu werden nicht wieder ertheilt wird, bei 45°,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[338/0352]
und das Auge in der gehoͤrigen Stellung auf den zweiten Spiegel
richtet, ſo bemerkt man in vier Stellungen jenes Blattes ein Ver-
ſchwinden des Bildes, in allen dazwiſchen liegenden Stellungen da-
gegen iſt es ſchoͤn gefaͤrbt ſichtbar, und die Farben ſind faſt bei
jedem andern Blaͤttchen andre. Dieſer blaͤtterige Gyps iſt ein dop-
pelt brechendes Mineral; es beſteht aus prismatiſchen Cryſtallen,
deren Grundflaͤche ein ſchiefwinkliches Parallelogramm iſt, und die
zwei Axen doppelter Brechung liegen in der Grundflaͤche ſelbſt, das
iſt, in der Ebne der Blaͤttchen, die wir mit ziemlich leichter Muͤhe
abloͤſen, und die gern die Form jenes ſchiefen Parallelogrammes
annehmen, welche als eigentliche Cryſtallform dieſer Blaͤttchen an-
zuſehen iſt. Die Mittellinie zwiſchen beiden Axen macht nach
Biot's Beſtimmung einen Winkel von 16¼ Grad mit der einen
Seite des Parallelogrammes, und dieſe Mittellinie iſt es, die wir
hier vorzuͤglich zu beachten haben. Immer bleiben unſre duͤnnen
Cryſtalltafeln ſenkrecht auf die Richtung des polariſirten Strahles,
aber wir geben ihnen, indem wir ſie, ohne ſie von der ſenkrechten
Stellung zu entfernen, drehen, mannigfaltig verſchiedene Lagen.
Sieht man dann, ohne den zweiten Spiegel anzuwenden, durch
das Gypsblaͤttchen von O her in den erſten Spiegel, ſo nimmt
man das Bild der weißen Wolken (denn von dieſen laͤßt man hier
am liebſten Licht auffallen, weil die Farbe der Flamme ſtoͤrend iſt,)
hell und ohne Faͤrbung wahr; bringt man aber den zweiten Spiegel
wieder in diejenige Stellung, wo er die polariſirten Strahlen nicht
zuruͤckwarf, und ſucht das Bild der glaͤnzenden Wolken, welches
vom erſten Spiegel her im zweiten ſichtbar ſein ſollte, auf; ſo er-
ſcheint dieſes erſtlich hoͤchſt dunkel, faſt gar nicht, wenn jene Mit-
tellinie des Blaͤttchens in der Ebne der erſten Reflexions-Ebne
liegt, dagegen zweitens tritt dieſes Bild immer heller und heller,
und mit einer ſich immer glaͤnzender zeigenden Farbe hervor, wenn
man jene Mittellinie von der erſten Reflexions-Ebne entfernt, bis
ſie bei 45° Entfernung den groͤßten Glanz erreicht; von da an
nimmt der Glanz ab, und — drittens — bei der Entfernung =
90° iſt wieder Dunkelheit da. Dieſelben Erſcheinungen zeigen ſich
in allen Quadranten gleich, ſo daß bei 0°, 90°, 180°, 270°,
Dunkelheit ſtatt findet oder dem Strahle die Eigenſchaft vom zwei-
ten Spiegel reflectirt zu werden nicht wieder ertheilt wird, bei 45°,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/352>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.