Bogens an der untern Seite, ohne sich an seinen Schenkeln bis zur Erde herab zu erstrecken. Venturi hat diese Erscheinung aus einer abgeplatteten Form der Regentropfen erklärt, indem er ganz richtig zeigt, daß Tropfen, die mehr breit als hoch sind, einen nie- drigern Farbenbogen darstellen müssen; aber so richtig dieses ist, so müßte man, wie es mir scheint, Regentropfen von so viel be- stimmten Formen, als es die Anzahl dieser wiederholten Bogen for- dert, annehmen, und dürfte nicht zugestehen, daß zwischen ihnen Uebergänge statt fänden, und dieses scheint um so minder glaublich, da es außer den Kugeltropfen, die den Hauptbogen darstellen, noch wenigstens zwei bestimmte andre Formen geben müßte, um die so oft deutlich sichtbaren zwei Farbenwiederholungen zu geben. Mög- lich wäre es indeß, daß die durch den Widerstand der Luft bestimmte Gestalt der Regentropfen einen Grund für die zur Entstehung meh- rerer Bogen nöthige Form enthielte.
Indeß, obgleich wir über die ganz genaue Form der Regen- tropfen ununterrichtet sind, so scheint es mir doch glaublicher, daß man die Wiederholung der Farben Grün und Violett, die sogar öfter als zweimal scheint vorkommen zu können, aus einem andern Umstande erklären müsse. Wenn nämlich zur Zeit des Entstehens eines Regenbogens zugleich ein hinreichend lebhafter Farbenring, ein Hof um die Sonne erschiene, so müßten Nebenbogen erscheinen, und diese vorzüglich an der innern Seite und aus Grün, Blau und Violett bestehend. Um dies zu übersehen, muß ich Sie zuerst daran erinnern, daß der rothe Bogen des Hauptregenbogens 421/2, der violette Bogen 401/2 Grad, also der grüne etwa 411/2 Grad Halbmesser hatte; und nun können wir fragen, wie würden sich die Erscheinungen verhalten, wenn oberhalb und unterhalb der Sonne zuerst nur kleine Theile farbiger Ringe ständen. Ich will für diese Ringe die Abstände = 1° für das erste Roth, 11/4° für das erste Grün, 11/2 Grad für das erste Violett, 13/4° für das zweite Roth annehmen, und diese Theile der Ringe als kleine far- bige Sonnen oberhalb und unterhalb der wahren Sonne ansehen. Stellen nun (Fig. 123.) ab, cd, ef die drei genannten Farben des Hauptbogens dar, so giebt die obenstehende rothe Sonne einen rothen Bogen, der 1 Grad tiefer als ab liegt, die zweite oben ste- hende rothe Sonne einen Bogen, der 13/4 Grad tiefer als ab liegt;
Bogens an der untern Seite, ohne ſich an ſeinen Schenkeln bis zur Erde herab zu erſtrecken. Venturi hat dieſe Erſcheinung aus einer abgeplatteten Form der Regentropfen erklaͤrt, indem er ganz richtig zeigt, daß Tropfen, die mehr breit als hoch ſind, einen nie- drigern Farbenbogen darſtellen muͤſſen; aber ſo richtig dieſes iſt, ſo muͤßte man, wie es mir ſcheint, Regentropfen von ſo viel be- ſtimmten Formen, als es die Anzahl dieſer wiederholten Bogen for- dert, annehmen, und duͤrfte nicht zugeſtehen, daß zwiſchen ihnen Uebergaͤnge ſtatt faͤnden, und dieſes ſcheint um ſo minder glaublich, da es außer den Kugeltropfen, die den Hauptbogen darſtellen, noch wenigſtens zwei beſtimmte andre Formen geben muͤßte, um die ſo oft deutlich ſichtbaren zwei Farbenwiederholungen zu geben. Moͤg- lich waͤre es indeß, daß die durch den Widerſtand der Luft beſtimmte Geſtalt der Regentropfen einen Grund fuͤr die zur Entſtehung meh- rerer Bogen noͤthige Form enthielte.
Indeß, obgleich wir uͤber die ganz genaue Form der Regen- tropfen ununterrichtet ſind, ſo ſcheint es mir doch glaublicher, daß man die Wiederholung der Farben Gruͤn und Violett, die ſogar oͤfter als zweimal ſcheint vorkommen zu koͤnnen, aus einem andern Umſtande erklaͤren muͤſſe. Wenn naͤmlich zur Zeit des Entſtehens eines Regenbogens zugleich ein hinreichend lebhafter Farbenring, ein Hof um die Sonne erſchiene, ſo muͤßten Nebenbogen erſcheinen, und dieſe vorzuͤglich an der innern Seite und aus Gruͤn, Blau und Violett beſtehend. Um dies zu uͤberſehen, muß ich Sie zuerſt daran erinnern, daß der rothe Bogen des Hauptregenbogens 42½, der violette Bogen 40½ Grad, alſo der gruͤne etwa 41½ Grad Halbmeſſer hatte; und nun koͤnnen wir fragen, wie wuͤrden ſich die Erſcheinungen verhalten, wenn oberhalb und unterhalb der Sonne zuerſt nur kleine Theile farbiger Ringe ſtaͤnden. Ich will fuͤr dieſe Ringe die Abſtaͤnde = 1° fuͤr das erſte Roth, 1¼° fuͤr das erſte Gruͤn, 1½ Grad fuͤr das erſte Violett, 1¾° fuͤr das zweite Roth annehmen, und dieſe Theile der Ringe als kleine far- bige Sonnen oberhalb und unterhalb der wahren Sonne anſehen. Stellen nun (Fig. 123.) ab, cd, ef die drei genannten Farben des Hauptbogens dar, ſo giebt die obenſtehende rothe Sonne einen rothen Bogen, der 1 Grad tiefer als ab liegt, die zweite oben ſte- hende rothe Sonne einen Bogen, der 1¾ Grad tiefer als ab liegt;
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Bogens an der untern Seite, ohne ſich an ſeinen Schenkeln bis
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einer abgeplatteten Form der Regentropfen erklaͤrt, indem er ganz
richtig zeigt, daß Tropfen, die mehr breit als hoch ſind, einen nie-
drigern Farbenbogen darſtellen muͤſſen; aber ſo richtig dieſes iſt,
ſo muͤßte man, wie es mir ſcheint, Regentropfen von ſo viel be-
ſtimmten Formen, als es die Anzahl dieſer wiederholten Bogen for-
dert, annehmen, und duͤrfte nicht zugeſtehen, daß zwiſchen ihnen
Uebergaͤnge ſtatt faͤnden, und dieſes ſcheint um ſo minder glaublich,
da es außer den Kugeltropfen, die den Hauptbogen darſtellen, noch
wenigſtens zwei beſtimmte andre Formen geben muͤßte, um die ſo
oft deutlich ſichtbaren zwei Farbenwiederholungen zu geben. Moͤg-
lich waͤre es indeß, daß die durch den Widerſtand der Luft beſtimmte
Geſtalt der Regentropfen einen Grund fuͤr die zur Entſtehung meh-
rerer Bogen noͤthige Form enthielte.
Indeß, obgleich wir uͤber die ganz genaue Form der Regen-
tropfen ununterrichtet ſind, ſo ſcheint es mir doch glaublicher, daß
man die Wiederholung der Farben Gruͤn und Violett, die ſogar
oͤfter als zweimal ſcheint vorkommen zu koͤnnen, aus einem andern
Umſtande erklaͤren muͤſſe. Wenn naͤmlich zur Zeit des Entſtehens
eines Regenbogens zugleich ein hinreichend lebhafter Farbenring,
ein Hof um die Sonne erſchiene, ſo muͤßten Nebenbogen erſcheinen,
und dieſe vorzuͤglich an der innern Seite und aus Gruͤn, Blau
und Violett beſtehend. Um dies zu uͤberſehen, muß ich Sie zuerſt
daran erinnern, daß der rothe Bogen des Hauptregenbogens 42½,
der violette Bogen 40½ Grad, alſo der gruͤne etwa 41½ Grad
Halbmeſſer hatte; und nun koͤnnen wir fragen, wie wuͤrden ſich
die Erſcheinungen verhalten, wenn oberhalb und unterhalb der
Sonne zuerſt nur kleine Theile farbiger Ringe ſtaͤnden. Ich will
fuͤr dieſe Ringe die Abſtaͤnde = 1° fuͤr das erſte Roth, 1¼° fuͤr
das erſte Gruͤn, 1½ Grad fuͤr das erſte Violett, 1¾° fuͤr das
zweite Roth annehmen, und dieſe Theile der Ringe als kleine far-
bige Sonnen oberhalb und unterhalb der wahren Sonne anſehen.
Stellen nun (Fig. 123.) ab, cd, ef die drei genannten Farben
des Hauptbogens dar, ſo giebt die obenſtehende rothe Sonne einen
rothen Bogen, der 1 Grad tiefer als ab liegt, die zweite oben ſte-
hende rothe Sonne einen Bogen, der 1¾ Grad tiefer als ab liegt;
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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