Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese auf das Licht einwirkenden Kräfte scheinen an der
Oberfläche zweier Körper in abwechselnden Schichten wirksam zu
sein, so daß das Theilchen vielleicht einem abwechselnden Wirken
beider Kräfte unterworfen ist. Die anziehende Kraft muß bei dem
Eintritt in dichtere Körper am frühesten auf den Lichtstrahl wirken,
indem selbst von denjenigen Lichtstrahlen, die den allerkleinsten
Winkel mit der Brechungs-Ebne, mit der Ebne, wo beide Körper
an einander grenzen, machen, selbst von den Lichtstrahlen also deren
gegen diese Ebne gerichtete Geschwindigkeit leicht völlig zu zer-
stören ist, dennoch immer einige Theilchen in den dichteren Körper
eindringen; wäre in Beziehung auf diese die abstoßende Kraft die
zuerst oder bis zu größern Fernen einwirkende, so würden sie gar
nicht in den Wirkungskreis der anziehenden Kräfte gelangen.

Merkwürdig ist hiebei die Erfahrung, daß diese anziehenden
und abstoßenden Kräfte in einer so genauen Uebereinstimmung
stehen, daß da, wo beim Uebergange aus einem Körper in den
andern die Brechung geringe ist, auch die Zurückwerfung geringe
ist, und wo jene ganz aufhört, auch diese in den meisten Fällen
ganz verschwindet; indeß macht Brewster die Bemerkung, daß
dieses gänzliche Verschwinden der zurückgeworfenen Strahlen, we-
nigstens in einigen Fälle, wo doch die Brechung vollkommen auf-
hörte, oder wo die anziehenden Kräfte sich als völlig gleich bei
beiden Körpern zeigten, nicht im strengsten Sinne statt fand.

Ungleiche Einwirkung auf die verschiedenen Farben-
strahlen.

Die verschiedene Brechbarkeit der einzelnen Farbenstrahlen
erklärt sich hier aus der ungleichen Gewalt, mit welcher die anzie-
hende Kraft der Körper auf die verschiedenen Lichttheilchen, die
unserm Auge den Eindruck einer verschiedenen Farbe geben, wirkt.
Die Lichttheilchen, die unserm Auge das Violett darstellen, werden
in allen Fällen am stärksten angezogen, da wo der Uebergang in
einen, das Licht stärker anziehenden Körper statt findet, und der
am stärksten gebrochene Strahl zeigt sich uns daher als violett;
die Theilchen, die den Eindruck des Blau, Grün, Gelb, Orange,
Roth geben, sind, je näher sie dem Roth stehen, desto weniger
einer starken Anziehung unterworfen, und da es eine Abstufung,

Dieſe auf das Licht einwirkenden Kraͤfte ſcheinen an der
Oberflaͤche zweier Koͤrper in abwechſelnden Schichten wirkſam zu
ſein, ſo daß das Theilchen vielleicht einem abwechſelnden Wirken
beider Kraͤfte unterworfen iſt. Die anziehende Kraft muß bei dem
Eintritt in dichtere Koͤrper am fruͤheſten auf den Lichtſtrahl wirken,
indem ſelbſt von denjenigen Lichtſtrahlen, die den allerkleinſten
Winkel mit der Brechungs-Ebne, mit der Ebne, wo beide Koͤrper
an einander grenzen, machen, ſelbſt von den Lichtſtrahlen alſo deren
gegen dieſe Ebne gerichtete Geſchwindigkeit leicht voͤllig zu zer-
ſtoͤren iſt, dennoch immer einige Theilchen in den dichteren Koͤrper
eindringen; waͤre in Beziehung auf dieſe die abſtoßende Kraft die
zuerſt oder bis zu groͤßern Fernen einwirkende, ſo wuͤrden ſie gar
nicht in den Wirkungskreis der anziehenden Kraͤfte gelangen.

Merkwuͤrdig iſt hiebei die Erfahrung, daß dieſe anziehenden
und abſtoßenden Kraͤfte in einer ſo genauen Uebereinſtimmung
ſtehen, daß da, wo beim Uebergange aus einem Koͤrper in den
andern die Brechung geringe iſt, auch die Zuruͤckwerfung geringe
iſt, und wo jene ganz aufhoͤrt, auch dieſe in den meiſten Faͤllen
ganz verſchwindet; indeß macht Brewſter die Bemerkung, daß
dieſes gaͤnzliche Verſchwinden der zuruͤckgeworfenen Strahlen, we-
nigſtens in einigen Faͤlle, wo doch die Brechung vollkommen auf-
hoͤrte, oder wo die anziehenden Kraͤfte ſich als voͤllig gleich bei
beiden Koͤrpern zeigten, nicht im ſtrengſten Sinne ſtatt fand.

Ungleiche Einwirkung auf die verſchiedenen Farben-
ſtrahlen.

Die verſchiedene Brechbarkeit der einzelnen Farbenſtrahlen
erklaͤrt ſich hier aus der ungleichen Gewalt, mit welcher die anzie-
hende Kraft der Koͤrper auf die verſchiedenen Lichttheilchen, die
unſerm Auge den Eindruck einer verſchiedenen Farbe geben, wirkt.
Die Lichttheilchen, die unſerm Auge das Violett darſtellen, werden
in allen Faͤllen am ſtaͤrkſten angezogen, da wo der Uebergang in
einen, das Licht ſtaͤrker anziehenden Koͤrper ſtatt findet, und der
am ſtaͤrkſten gebrochene Strahl zeigt ſich uns daher als violett;
die Theilchen, die den Eindruck des Blau, Gruͤn, Gelb, Orange,
Roth geben, ſind, je naͤher ſie dem Roth ſtehen, deſto weniger
einer ſtarken Anziehung unterworfen, und da es eine Abſtufung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0256" n="242"/>
          <p>Die&#x017F;e auf das Licht einwirkenden Kra&#x0364;fte                         &#x017F;cheinen an der<lb/>
Oberfla&#x0364;che zweier                         Ko&#x0364;rper in abwech&#x017F;elnden Schichten wirk&#x017F;am                         zu<lb/>
&#x017F;ein, &#x017F;o daß das Theilchen vielleicht einem                         abwech&#x017F;elnden Wirken<lb/>
beider Kra&#x0364;fte unterworfen                         i&#x017F;t. Die anziehende Kraft muß bei dem<lb/>
Eintritt in dichtere                         Ko&#x0364;rper am fru&#x0364;he&#x017F;ten auf den                         Licht&#x017F;trahl wirken,<lb/>
indem &#x017F;elb&#x017F;t von                         denjenigen Licht&#x017F;trahlen, die den                         allerklein&#x017F;ten<lb/>
Winkel mit der Brechungs-Ebne, mit der Ebne,                         wo beide Ko&#x0364;rper<lb/>
an einander grenzen, machen,                         &#x017F;elb&#x017F;t von den Licht&#x017F;trahlen                         al&#x017F;o deren<lb/>
gegen die&#x017F;e Ebne gerichtete                         Ge&#x017F;chwindigkeit leicht vo&#x0364;llig zu                         zer-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ren i&#x017F;t, dennoch immer einige                         Theilchen in den dichteren Ko&#x0364;rper<lb/>
eindringen;                         wa&#x0364;re in Beziehung auf die&#x017F;e die ab&#x017F;toßende                         Kraft die<lb/>
zuer&#x017F;t oder bis zu gro&#x0364;ßern Fernen                         einwirkende, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie gar<lb/>
nicht                         in den Wirkungskreis der anziehenden Kra&#x0364;fte gelangen.</p><lb/>
          <p>Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t hiebei die Erfahrung, daß                         die&#x017F;e anziehenden<lb/>
und ab&#x017F;toßenden                         Kra&#x0364;fte in einer &#x017F;o genauen                         Ueberein&#x017F;timmung<lb/>
&#x017F;tehen, daß da, wo beim                         Uebergange aus einem Ko&#x0364;rper in den<lb/>
andern die Brechung                         geringe i&#x017F;t, auch die Zuru&#x0364;ckwerfung                         geringe<lb/>
i&#x017F;t, und wo jene ganz aufho&#x0364;rt, auch                         die&#x017F;e in den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen<lb/>
ganz                         ver&#x017F;chwindet; indeß macht <hi rendition="#g">Brew&#x017F;ter</hi> die Bemerkung, daß<lb/>
die&#x017F;es                         ga&#x0364;nzliche Ver&#x017F;chwinden der                         zuru&#x0364;ckgeworfenen Strahlen, we-<lb/>
nig&#x017F;tens in                         einigen Fa&#x0364;lle, wo doch die Brechung vollkommen                         auf-<lb/>
ho&#x0364;rte, oder wo die anziehenden Kra&#x0364;fte                         &#x017F;ich als vo&#x0364;llig gleich bei<lb/>
beiden                         Ko&#x0364;rpern zeigten, nicht im &#x017F;treng&#x017F;ten Sinne                         &#x017F;tatt fand.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Ungleiche Einwirkung auf die ver&#x017F;chiedenen                             Farben</hi>-<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;trahlen</hi>.</head><lb/>
          <p>Die ver&#x017F;chiedene Brechbarkeit der einzelnen                         Farben&#x017F;trahlen<lb/>
erkla&#x0364;rt &#x017F;ich hier aus                         der ungleichen Gewalt, mit welcher die anzie-<lb/>
hende Kraft der                         Ko&#x0364;rper auf die ver&#x017F;chiedenen Lichttheilchen,                         die<lb/>
un&#x017F;erm Auge den Eindruck einer ver&#x017F;chiedenen                         Farbe geben, wirkt.<lb/>
Die Lichttheilchen, die un&#x017F;erm Auge das                         Violett dar&#x017F;tellen, werden<lb/>
in allen Fa&#x0364;llen am                         &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten angezogen, da wo der Uebergang                         in<lb/>
einen, das Licht &#x017F;ta&#x0364;rker anziehenden                         Ko&#x0364;rper &#x017F;tatt findet, und der<lb/>
am                         &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten gebrochene Strahl zeigt                         &#x017F;ich uns daher als violett;<lb/>
die Theilchen, die den Eindruck                         des Blau, Gru&#x0364;n, Gelb, Orange,<lb/>
Roth geben, &#x017F;ind,                         je na&#x0364;her &#x017F;ie dem Roth &#x017F;tehen,                         de&#x017F;to weniger<lb/>
einer &#x017F;tarken Anziehung unterworfen,                         und da es eine Ab&#x017F;tufung,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0256] Dieſe auf das Licht einwirkenden Kraͤfte ſcheinen an der Oberflaͤche zweier Koͤrper in abwechſelnden Schichten wirkſam zu ſein, ſo daß das Theilchen vielleicht einem abwechſelnden Wirken beider Kraͤfte unterworfen iſt. Die anziehende Kraft muß bei dem Eintritt in dichtere Koͤrper am fruͤheſten auf den Lichtſtrahl wirken, indem ſelbſt von denjenigen Lichtſtrahlen, die den allerkleinſten Winkel mit der Brechungs-Ebne, mit der Ebne, wo beide Koͤrper an einander grenzen, machen, ſelbſt von den Lichtſtrahlen alſo deren gegen dieſe Ebne gerichtete Geſchwindigkeit leicht voͤllig zu zer- ſtoͤren iſt, dennoch immer einige Theilchen in den dichteren Koͤrper eindringen; waͤre in Beziehung auf dieſe die abſtoßende Kraft die zuerſt oder bis zu groͤßern Fernen einwirkende, ſo wuͤrden ſie gar nicht in den Wirkungskreis der anziehenden Kraͤfte gelangen. Merkwuͤrdig iſt hiebei die Erfahrung, daß dieſe anziehenden und abſtoßenden Kraͤfte in einer ſo genauen Uebereinſtimmung ſtehen, daß da, wo beim Uebergange aus einem Koͤrper in den andern die Brechung geringe iſt, auch die Zuruͤckwerfung geringe iſt, und wo jene ganz aufhoͤrt, auch dieſe in den meiſten Faͤllen ganz verſchwindet; indeß macht Brewſter die Bemerkung, daß dieſes gaͤnzliche Verſchwinden der zuruͤckgeworfenen Strahlen, we- nigſtens in einigen Faͤlle, wo doch die Brechung vollkommen auf- hoͤrte, oder wo die anziehenden Kraͤfte ſich als voͤllig gleich bei beiden Koͤrpern zeigten, nicht im ſtrengſten Sinne ſtatt fand. Ungleiche Einwirkung auf die verſchiedenen Farben- ſtrahlen. Die verſchiedene Brechbarkeit der einzelnen Farbenſtrahlen erklaͤrt ſich hier aus der ungleichen Gewalt, mit welcher die anzie- hende Kraft der Koͤrper auf die verſchiedenen Lichttheilchen, die unſerm Auge den Eindruck einer verſchiedenen Farbe geben, wirkt. Die Lichttheilchen, die unſerm Auge das Violett darſtellen, werden in allen Faͤllen am ſtaͤrkſten angezogen, da wo der Uebergang in einen, das Licht ſtaͤrker anziehenden Koͤrper ſtatt findet, und der am ſtaͤrkſten gebrochene Strahl zeigt ſich uns daher als violett; die Theilchen, die den Eindruck des Blau, Gruͤn, Gelb, Orange, Roth geben, ſind, je naͤher ſie dem Roth ſtehen, deſto weniger einer ſtarken Anziehung unterworfen, und da es eine Abſtufung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/256
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/256>, abgerufen am 22.12.2024.