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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831.

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die Unvollkommenheit der Spiegelfläche noch größere Unregelmä-
ßigkeit bewirken müßte. Newton hat daher nöthig gefunden, den
Körpern auch eine an ihren Oberflächen wirksame Reflexionskraft
oder zurückstoßende Kraft beizulegen, und wenn man die Wir-
kungssphäre dieser als die Größe der Unebenheiten der Oberfläche
übertreffend ansieht, so bildet die Grenze der Wirkungssphären
ABC (Fig. 110.) oder der um a, b, c, d, e, f, g, gezogenen
Kreise eine mehr der Ebene nahe kommende Fläche, als die feste
Oberfläche afbcgde selbst. Diese zurückstoßende Kraft raubt den
sich nähernden Lichttheilchen ihre gegen die Ebene der Oberfläche AB
senkrechte Geschwindigkeit (Fig. 111.); da aber dabei die mit der
Ebne AB parallele Geschwindigkeit ungeändert bleibt, und das in D
angekommene Theilchen, nachdem es alle gegen AB zu gerichtete
Geschwindigkeit verlohren hat, eine von AB abwärts gehende Ge-
schwindigkeit nach eben denselben Gesetzen wieder erlangt, wie jene
verlohren war, so muß DE unter eben dem Winkel wie CD
gegen AB geneigt sein.

Aber obgleich niemand zweifeln kann, daß eine solche Absto-
ßungskraft die Gesetze der Spiegelung vollkommen erkläre, so hat
man doch gegen die Voraussetzung, daß eine solche Kraft hier wirksam
sei, den wichtigen Einwurf gemacht, es sei nicht wohl denkbar, daß in
eben der Gegend, wo eine Anziehungskraft der Körper auf die der
Refraction unterworfenen Lichttheilchen statt finde, eine Absto-
ßungskraft auf die der Reflexion unterworfenen Lichttheilchen anzu-
nehmen sei, und ferner es erhelle nicht, warum einige Lichttheil-
chen zurückgeworfen werden, andre aber ihren Weg fortsetzen.
Dem letzten Einwurfe weicht Newton durch eine, hier noch
nicht ganz begründete, aus andern Erscheinungen aber einen höhern
Grad von Wahrscheinlichkeit erhaltende Voraussetzung aus, indem
er die Lichttheilchen als einem wechselnden Zustande unterworfen an-
sieht, vermöge dessen dasselbe Lichttheilchen bald zu einer leichtern
Zurückwerfung geeignet, bald einer leichteren Durchlassung durch
die jene zwei ungleichen Körper trennende Oberfläche fähig ist.
Die Gründe, die für diese Abwechselungen, für diese Anwand-
lungen, leichtern Durchgangs und leichterer Zu-
rückwerfung sprechen, werde ich später anführen; hier genügt
es, zu bemerken, daß die Zurückwerfung einiger Lichtstrahlen, die

die Unvollkommenheit der Spiegelflaͤche noch groͤßere Unregelmaͤ-
ßigkeit bewirken muͤßte. Newton hat daher noͤthig gefunden, den
Koͤrpern auch eine an ihren Oberflaͤchen wirkſame Reflexionskraft
oder zuruͤckſtoßende Kraft beizulegen, und wenn man die Wir-
kungsſphaͤre dieſer als die Groͤße der Unebenheiten der Oberflaͤche
uͤbertreffend anſieht, ſo bildet die Grenze der Wirkungsſphaͤren
ABC (Fig. 110.) oder der um a, b, c, d, e, f, g, gezogenen
Kreiſe eine mehr der Ebene nahe kommende Flaͤche, als die feſte
Oberflaͤche afbcgde ſelbſt. Dieſe zuruͤckſtoßende Kraft raubt den
ſich naͤhernden Lichttheilchen ihre gegen die Ebene der Oberflaͤche AB
ſenkrechte Geſchwindigkeit (Fig. 111.); da aber dabei die mit der
Ebne AB parallele Geſchwindigkeit ungeaͤndert bleibt, und das in D
angekommene Theilchen, nachdem es alle gegen AB zu gerichtete
Geſchwindigkeit verlohren hat, eine von AB abwaͤrts gehende Ge-
ſchwindigkeit nach eben denſelben Geſetzen wieder erlangt, wie jene
verlohren war, ſo muß DE unter eben dem Winkel wie CD
gegen AB geneigt ſein.

Aber obgleich niemand zweifeln kann, daß eine ſolche Abſto-
ßungskraft die Geſetze der Spiegelung vollkommen erklaͤre, ſo hat
man doch gegen die Vorausſetzung, daß eine ſolche Kraft hier wirkſam
ſei, den wichtigen Einwurf gemacht, es ſei nicht wohl denkbar, daß in
eben der Gegend, wo eine Anziehungskraft der Koͤrper auf die der
Refraction unterworfenen Lichttheilchen ſtatt finde, eine Abſto-
ßungskraft auf die der Reflexion unterworfenen Lichttheilchen anzu-
nehmen ſei, und ferner es erhelle nicht, warum einige Lichttheil-
chen zuruͤckgeworfen werden, andre aber ihren Weg fortſetzen.
Dem letzten Einwurfe weicht Newton durch eine, hier noch
nicht ganz begruͤndete, aus andern Erſcheinungen aber einen hoͤhern
Grad von Wahrſcheinlichkeit erhaltende Vorausſetzung aus, indem
er die Lichttheilchen als einem wechſelnden Zuſtande unterworfen an-
ſieht, vermoͤge deſſen daſſelbe Lichttheilchen bald zu einer leichtern
Zuruͤckwerfung geeignet, bald einer leichteren Durchlaſſung durch
die jene zwei ungleichen Koͤrper trennende Oberflaͤche faͤhig iſt.
Die Gruͤnde, die fuͤr dieſe Abwechſelungen, fuͤr dieſe Anwand-
lungen, leichtern Durchgangs und leichterer Zu-
ruͤckwerfung ſprechen, werde ich ſpaͤter anfuͤhren; hier genuͤgt
es, zu bemerken, daß die Zuruͤckwerfung einiger Lichtſtrahlen, die

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[240/0254] die Unvollkommenheit der Spiegelflaͤche noch groͤßere Unregelmaͤ- ßigkeit bewirken muͤßte. Newton hat daher noͤthig gefunden, den Koͤrpern auch eine an ihren Oberflaͤchen wirkſame Reflexionskraft oder zuruͤckſtoßende Kraft beizulegen, und wenn man die Wir- kungsſphaͤre dieſer als die Groͤße der Unebenheiten der Oberflaͤche uͤbertreffend anſieht, ſo bildet die Grenze der Wirkungsſphaͤren ABC (Fig. 110.) oder der um a, b, c, d, e, f, g, gezogenen Kreiſe eine mehr der Ebene nahe kommende Flaͤche, als die feſte Oberflaͤche afbcgde ſelbſt. Dieſe zuruͤckſtoßende Kraft raubt den ſich naͤhernden Lichttheilchen ihre gegen die Ebene der Oberflaͤche AB ſenkrechte Geſchwindigkeit (Fig. 111.); da aber dabei die mit der Ebne AB parallele Geſchwindigkeit ungeaͤndert bleibt, und das in D angekommene Theilchen, nachdem es alle gegen AB zu gerichtete Geſchwindigkeit verlohren hat, eine von AB abwaͤrts gehende Ge- ſchwindigkeit nach eben denſelben Geſetzen wieder erlangt, wie jene verlohren war, ſo muß DE unter eben dem Winkel wie CD gegen AB geneigt ſein. Aber obgleich niemand zweifeln kann, daß eine ſolche Abſto- ßungskraft die Geſetze der Spiegelung vollkommen erklaͤre, ſo hat man doch gegen die Vorausſetzung, daß eine ſolche Kraft hier wirkſam ſei, den wichtigen Einwurf gemacht, es ſei nicht wohl denkbar, daß in eben der Gegend, wo eine Anziehungskraft der Koͤrper auf die der Refraction unterworfenen Lichttheilchen ſtatt finde, eine Abſto- ßungskraft auf die der Reflexion unterworfenen Lichttheilchen anzu- nehmen ſei, und ferner es erhelle nicht, warum einige Lichttheil- chen zuruͤckgeworfen werden, andre aber ihren Weg fortſetzen. Dem letzten Einwurfe weicht Newton durch eine, hier noch nicht ganz begruͤndete, aus andern Erſcheinungen aber einen hoͤhern Grad von Wahrſcheinlichkeit erhaltende Vorausſetzung aus, indem er die Lichttheilchen als einem wechſelnden Zuſtande unterworfen an- ſieht, vermoͤge deſſen daſſelbe Lichttheilchen bald zu einer leichtern Zuruͤckwerfung geeignet, bald einer leichteren Durchlaſſung durch die jene zwei ungleichen Koͤrper trennende Oberflaͤche faͤhig iſt. Die Gruͤnde, die fuͤr dieſe Abwechſelungen, fuͤr dieſe Anwand- lungen, leichtern Durchgangs und leichterer Zu- ruͤckwerfung ſprechen, werde ich ſpaͤter anfuͤhren; hier genuͤgt es, zu bemerken, daß die Zuruͤckwerfung einiger Lichtſtrahlen, die

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/254>, abgerufen am 22.11.2024.