im Glase erlangte Geschwindigkeit nach dem Hervordringen des Lichttheilchens auch völlig wieder zerstört ist, wenn das Licht in den luftleeren Raum übergeht, aus welchem es kam, das ist wohl leicht zu übersehen, da die Attraction genau so verzögernd beim Austritte, wie beschleunigend beim Eintritte, wirken muß.
Bei dieser Betrachtung bietet sich uns auch eine genauere Bestimmung dessen dar, was wir hier im strengen Sinne bre- chende Kraft nennen sollen. Die Mechanik lehrt, daß die anziehende Kraft, die hier mit der Brechungskraft des Körpers einerlei ist, dem Unterschiede der Quadrate der Geschwindigkeiten proportional ist; wir werden daher für Glas, wenn 1 zu 11/2 das Verhältniß der Geschwindigkeiten im luftleeren Raume und im Glase ist, die Brechungskraft = -1 oder -1 = finden; für Wasser, wo ich das Brechungsverhältniß 1 zu 3/4, die Geschwin- digkeit wie zu 1 setze, ist die Kraft -1 = , und so würde man in allen Fällen rechnen. Genauere Bestimmungen ergeben die Brechungskraft beim Diamant = 5, 1, beim Sap- phir = 2,2, beim Flintglase = 1,69, beim Tafelglase = 1,53, beim engl. Kronglase = 1,37, beim Oliven-Oel = 1,16, beim Wasser = 0,78.
An diese Berechnung der Brechungskraft hat schon Newton eine wichtige Bemerkung geknüpft. Im Allgemeinen steigt, wie sich erwarten läßt, die Brechungskraft mit der Dichtigkeit, so daß zum Beispiel die Dichtigkeit des Flintglases und Kronglases sich wie 1,69 zu 1,15, die Brechungskraft, wie 1,69 zu 1,37, verhalten; die Dichtigkeit des Sapphirs zur Dichtigkeit des Kron- glases wie 2,2 zu 1,38, die Brechungskraft 2,2 zu 1,37 ist, u. s. w.; aber die brennbaren Körper machen hiervon eine höchst auffallende Ausnahme, so daß sie eine viel stärkere Brechungskraft haben, als ihre Dichtigkeit zu fordern scheint. Der Diamant ist nicht so dicht als Flintglas und hat eine dreimal so große Bre- chungskraft als dieses; der Sapphir ist bedeutend schwerer als der Diamant, und doch hat dieser eine 21/4 mal so große Brechungs- kraft; Oliven-Oel ist so leicht, daß Kronglas als 23/4 mal so dicht kann angegeben werden, und doch steht die Brechungskraft des Oliven-Oeles der des Kronglases nicht viel nach. Indeß auch bei
im Glaſe erlangte Geſchwindigkeit nach dem Hervordringen des Lichttheilchens auch voͤllig wieder zerſtoͤrt iſt, wenn das Licht in den luftleeren Raum uͤbergeht, aus welchem es kam, das iſt wohl leicht zu uͤberſehen, da die Attraction genau ſo verzoͤgernd beim Austritte, wie beſchleunigend beim Eintritte, wirken muß.
Bei dieſer Betrachtung bietet ſich uns auch eine genauere Beſtimmung deſſen dar, was wir hier im ſtrengen Sinne bre- chende Kraft nennen ſollen. Die Mechanik lehrt, daß die anziehende Kraft, die hier mit der Brechungskraft des Koͤrpers einerlei iſt, dem Unterſchiede der Quadrate der Geſchwindigkeiten proportional iſt; wir werden daher fuͤr Glas, wenn 1 zu 1½ das Verhaͤltniß der Geſchwindigkeiten im luftleeren Raume und im Glaſe iſt, die Brechungskraft = ⋅-1 oder -1 = finden; fuͤr Waſſer, wo ich das Brechungsverhaͤltniß 1 zu ¾, die Geſchwin- digkeit wie zu 1 ſetze, iſt die Kraft ⋅-1 = , und ſo wuͤrde man in allen Faͤllen rechnen. Genauere Beſtimmungen ergeben die Brechungskraft beim Diamant = 5, 1, beim Sap- phir = 2,2, beim Flintglaſe = 1,69, beim Tafelglaſe = 1,53, beim engl. Kronglaſe = 1,37, beim Oliven-Oel = 1,16, beim Waſſer = 0,78.
An dieſe Berechnung der Brechungskraft hat ſchon Newton eine wichtige Bemerkung geknuͤpft. Im Allgemeinen ſteigt, wie ſich erwarten laͤßt, die Brechungskraft mit der Dichtigkeit, ſo daß zum Beiſpiel die Dichtigkeit des Flintglaſes und Kronglaſes ſich wie 1,69 zu 1,15, die Brechungskraft, wie 1,69 zu 1,37, verhalten; die Dichtigkeit des Sapphirs zur Dichtigkeit des Kron- glaſes wie 2,2 zu 1,38, die Brechungskraft 2,2 zu 1,37 iſt, u. ſ. w.; aber die brennbaren Koͤrper machen hiervon eine hoͤchſt auffallende Ausnahme, ſo daß ſie eine viel ſtaͤrkere Brechungskraft haben, als ihre Dichtigkeit zu fordern ſcheint. Der Diamant iſt nicht ſo dicht als Flintglas und hat eine dreimal ſo große Bre- chungskraft als dieſes; der Sapphir iſt bedeutend ſchwerer als der Diamant, und doch hat dieſer eine 2¼ mal ſo große Brechungs- kraft; Oliven-Oel iſt ſo leicht, daß Kronglas als 2¾ mal ſo dicht kann angegeben werden, und doch ſteht die Brechungskraft des Oliven-Oeles der des Kronglaſes nicht viel nach. Indeß auch bei
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0250"n="236"/>
im Glaſe erlangte Geſchwindigkeit nach dem Hervordringen des<lb/>
Lichttheilchens auch voͤllig wieder zerſtoͤrt iſt, wenn das Licht in den<lb/>
luftleeren Raum uͤbergeht, aus welchem es kam, das iſt wohl leicht<lb/>
zu uͤberſehen, da die Attraction genau ſo verzoͤgernd beim Austritte,<lb/>
wie beſchleunigend beim Eintritte, wirken muß.</p><lb/><p>Bei dieſer Betrachtung bietet ſich uns auch eine genauere<lb/>
Beſtimmung deſſen dar, was wir hier im ſtrengen Sinne <hirendition="#g">bre</hi>-<lb/><hirendition="#g">chende Kraft</hi> nennen ſollen. Die Mechanik lehrt, daß die<lb/>
anziehende Kraft, die hier mit der Brechungskraft des Koͤrpers<lb/>
einerlei iſt, dem Unterſchiede der Quadrate der Geſchwindigkeiten<lb/>
proportional iſt; wir werden daher fuͤr Glas, wenn 1 zu 1½ das<lb/>
Verhaͤltniß der Geſchwindigkeiten im luftleeren Raume und im Glaſe<lb/>
iſt, die Brechungskraft = <formulanotation="TeX">\frac{3}{2}</formula>⋅<formulanotation="TeX">\frac{3}{2}</formula>-1 oder <formulanotation="TeX">\frac{9}{4}</formula>-1 = <formulanotation="TeX">\frac{5}{4}</formula> finden;<lb/>
fuͤr Waſſer, wo ich das Brechungsverhaͤltniß 1 zu ¾, die Geſchwin-<lb/>
digkeit wie <formulanotation="TeX">\frac{4}{3}</formula> zu 1 ſetze, iſt die Kraft <formulanotation="TeX">\frac{4}{3}</formula>⋅<formulanotation="TeX">\frac{4}{3}</formula>-1 = <formulanotation="TeX">\frac{7}{9}</formula>, und ſo<lb/>
wuͤrde man in allen Faͤllen rechnen. Genauere Beſtimmungen<lb/>
ergeben die Brechungskraft beim Diamant = 5, 1, beim Sap-<lb/>
phir = 2,2, beim Flintglaſe = 1,69, beim Tafelglaſe = 1,53,<lb/>
beim engl. Kronglaſe = 1,37, beim Oliven-Oel = 1,16, beim<lb/>
Waſſer = 0,78.</p><lb/><p>An dieſe Berechnung der Brechungskraft hat ſchon <hirendition="#g">Newton</hi><lb/>
eine wichtige Bemerkung geknuͤpft. Im Allgemeinen ſteigt, wie<lb/>ſich erwarten laͤßt, die Brechungskraft mit der Dichtigkeit, ſo<lb/>
daß zum Beiſpiel die Dichtigkeit des Flintglaſes und Kronglaſes<lb/>ſich wie 1,69 zu 1,15, die Brechungskraft, wie 1,69 zu 1,37,<lb/>
verhalten; die Dichtigkeit des Sapphirs zur Dichtigkeit des Kron-<lb/>
glaſes wie 2,2 zu 1,38, die Brechungskraft 2,2 zu 1,37 iſt,<lb/>
u. ſ. w.; aber die brennbaren Koͤrper machen hiervon eine hoͤchſt<lb/>
auffallende Ausnahme, ſo daß ſie eine viel ſtaͤrkere Brechungskraft<lb/>
haben, als ihre Dichtigkeit zu fordern ſcheint. Der Diamant iſt<lb/>
nicht ſo dicht als Flintglas und hat eine dreimal ſo große Bre-<lb/>
chungskraft als dieſes; der Sapphir iſt bedeutend ſchwerer als der<lb/>
Diamant, und doch hat dieſer eine 2¼ mal ſo große Brechungs-<lb/>
kraft; Oliven-Oel iſt ſo leicht, daß Kronglas als 2¾ mal ſo dicht<lb/>
kann angegeben werden, und doch ſteht die Brechungskraft des<lb/>
Oliven-Oeles der des Kronglaſes nicht viel nach. Indeß auch bei<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[236/0250]
im Glaſe erlangte Geſchwindigkeit nach dem Hervordringen des
Lichttheilchens auch voͤllig wieder zerſtoͤrt iſt, wenn das Licht in den
luftleeren Raum uͤbergeht, aus welchem es kam, das iſt wohl leicht
zu uͤberſehen, da die Attraction genau ſo verzoͤgernd beim Austritte,
wie beſchleunigend beim Eintritte, wirken muß.
Bei dieſer Betrachtung bietet ſich uns auch eine genauere
Beſtimmung deſſen dar, was wir hier im ſtrengen Sinne bre-
chende Kraft nennen ſollen. Die Mechanik lehrt, daß die
anziehende Kraft, die hier mit der Brechungskraft des Koͤrpers
einerlei iſt, dem Unterſchiede der Quadrate der Geſchwindigkeiten
proportional iſt; wir werden daher fuͤr Glas, wenn 1 zu 1½ das
Verhaͤltniß der Geſchwindigkeiten im luftleeren Raume und im Glaſe
iſt, die Brechungskraft = [FORMEL]⋅[FORMEL]-1 oder [FORMEL]-1 = [FORMEL] finden;
fuͤr Waſſer, wo ich das Brechungsverhaͤltniß 1 zu ¾, die Geſchwin-
digkeit wie [FORMEL] zu 1 ſetze, iſt die Kraft [FORMEL]⋅[FORMEL]-1 = [FORMEL], und ſo
wuͤrde man in allen Faͤllen rechnen. Genauere Beſtimmungen
ergeben die Brechungskraft beim Diamant = 5, 1, beim Sap-
phir = 2,2, beim Flintglaſe = 1,69, beim Tafelglaſe = 1,53,
beim engl. Kronglaſe = 1,37, beim Oliven-Oel = 1,16, beim
Waſſer = 0,78.
An dieſe Berechnung der Brechungskraft hat ſchon Newton
eine wichtige Bemerkung geknuͤpft. Im Allgemeinen ſteigt, wie
ſich erwarten laͤßt, die Brechungskraft mit der Dichtigkeit, ſo
daß zum Beiſpiel die Dichtigkeit des Flintglaſes und Kronglaſes
ſich wie 1,69 zu 1,15, die Brechungskraft, wie 1,69 zu 1,37,
verhalten; die Dichtigkeit des Sapphirs zur Dichtigkeit des Kron-
glaſes wie 2,2 zu 1,38, die Brechungskraft 2,2 zu 1,37 iſt,
u. ſ. w.; aber die brennbaren Koͤrper machen hiervon eine hoͤchſt
auffallende Ausnahme, ſo daß ſie eine viel ſtaͤrkere Brechungskraft
haben, als ihre Dichtigkeit zu fordern ſcheint. Der Diamant iſt
nicht ſo dicht als Flintglas und hat eine dreimal ſo große Bre-
chungskraft als dieſes; der Sapphir iſt bedeutend ſchwerer als der
Diamant, und doch hat dieſer eine 2¼ mal ſo große Brechungs-
kraft; Oliven-Oel iſt ſo leicht, daß Kronglas als 2¾ mal ſo dicht
kann angegeben werden, und doch ſteht die Brechungskraft des
Oliven-Oeles der des Kronglaſes nicht viel nach. Indeß auch bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/250>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.