Ich will nicht grade die Behauptung wagen, daß in diesen Betrachtungen eine für jeden einzelnen Fall und für jede einzelne Erscheinung der Morgenröthe und Abendröthe genügende Erklärung liegt; aber ich glaube doch gewiß zu sein, daß man im Wesentlichen diese Erklärungen bei genauer Aufmerksamkeit auf die Erscheinun- gen sehr genügend finden wird.
Die Dämmerung.
Auch die Erscheinungen der Dämmerung lassen sich ganz nach diesen Grundsätzen erklären. Wenn an einem heitern Abend die Sonne untergegangen ist, so zeigt sich bald am östlichen Horizonte ein dunkelblauer bogenförmig begrenzter Raum, über welchem sich der Himmel etwas röthlich, höher hinauf weiß, endlich gegen das Zenith blau zeigt. Jener dunkle Kreis-Abschnitt entsteht durch den Schatten, welchen die Erde auf die Atmosphäre wirft; weil keine Sonnenstrahlen mehr auf diese Gegend der Luft gelangen, so zeigen sich die Dünste und die Luft selbst sehr schwach erleuchtet, und blau erleuchtet, weil auch der lebhaftere Theil der Abendröthe in jener Gegend der Atmosphäre schon untergegangen ist, also das Blau der in höhern Luftgegenden zurückgeworfenen Strahlen dort noch am meisten zu der schwachen Erleuchtung beiträgt. Der röthliche Bogen über dem Dunkel bezeichnet die Gegend, wo das lebhafte Abendroth noch genug in der unteren Luft befindliche Dünste trifft, um sie durch rothe Erleuchtung kenntlich zu machen; das Weiß, welches diesen Bogen umgiebt, gehört einer Gegend an, wo das von der reineren oberen Luft reflectirte Blau der Sonnenstrahlen selbst sich mit dem von den Dünsten zurückgeworfenen Roth der Abendröthestrahlen vermischt, und so dem Auge ein aus allen Far- benstrahlen gemischtes Weiß darstellt; am Zenith endlich ist der Himmel blau, weil unsre Gesichtslinie durch zu wenige rothgefärbte Dünste geht, um uns durch ihre reflectirten Strahlen eine das Blau ganz aufhebende weiße Mischung zu zeigen. Ungefähr ebenso verhält es sich am westlichen Himmel, wo ebenfalls das Orange der Abendröthe einige Zeit nach Sonnen-Untergang einen Uebergang durch Weiß zum Blau, das am Zenith sich noch zeigt, darstellt. Die Dünste nämlich, die sich in der nach diesem Weiß hin gezoge- nen Gesichtslinie befinden, geben die rothen Strahlen theils der
Ich will nicht grade die Behauptung wagen, daß in dieſen Betrachtungen eine fuͤr jeden einzelnen Fall und fuͤr jede einzelne Erſcheinung der Morgenroͤthe und Abendroͤthe genuͤgende Erklaͤrung liegt; aber ich glaube doch gewiß zu ſein, daß man im Weſentlichen dieſe Erklaͤrungen bei genauer Aufmerkſamkeit auf die Erſcheinun- gen ſehr genuͤgend finden wird.
Die Daͤmmerung.
Auch die Erſcheinungen der Daͤmmerung laſſen ſich ganz nach dieſen Grundſaͤtzen erklaͤren. Wenn an einem heitern Abend die Sonne untergegangen iſt, ſo zeigt ſich bald am oͤſtlichen Horizonte ein dunkelblauer bogenfoͤrmig begrenzter Raum, uͤber welchem ſich der Himmel etwas roͤthlich, hoͤher hinauf weiß, endlich gegen das Zenith blau zeigt. Jener dunkle Kreis-Abſchnitt entſteht durch den Schatten, welchen die Erde auf die Atmoſphaͤre wirft; weil keine Sonnenſtrahlen mehr auf dieſe Gegend der Luft gelangen, ſo zeigen ſich die Duͤnſte und die Luft ſelbſt ſehr ſchwach erleuchtet, und blau erleuchtet, weil auch der lebhaftere Theil der Abendroͤthe in jener Gegend der Atmoſphaͤre ſchon untergegangen iſt, alſo das Blau der in hoͤhern Luftgegenden zuruͤckgeworfenen Strahlen dort noch am meiſten zu der ſchwachen Erleuchtung beitraͤgt. Der roͤthliche Bogen uͤber dem Dunkel bezeichnet die Gegend, wo das lebhafte Abendroth noch genug in der unteren Luft befindliche Duͤnſte trifft, um ſie durch rothe Erleuchtung kenntlich zu machen; das Weiß, welches dieſen Bogen umgiebt, gehoͤrt einer Gegend an, wo das von der reineren oberen Luft reflectirte Blau der Sonnenſtrahlen ſelbſt ſich mit dem von den Duͤnſten zuruͤckgeworfenen Roth der Abendroͤtheſtrahlen vermiſcht, und ſo dem Auge ein aus allen Far- benſtrahlen gemiſchtes Weiß darſtellt; am Zenith endlich iſt der Himmel blau, weil unſre Geſichtslinie durch zu wenige rothgefaͤrbte Duͤnſte geht, um uns durch ihre reflectirten Strahlen eine das Blau ganz aufhebende weiße Miſchung zu zeigen. Ungefaͤhr ebenſo verhaͤlt es ſich am weſtlichen Himmel, wo ebenfalls das Orange der Abendroͤthe einige Zeit nach Sonnen-Untergang einen Uebergang durch Weiß zum Blau, das am Zenith ſich noch zeigt, darſtellt. Die Duͤnſte naͤmlich, die ſich in der nach dieſem Weiß hin gezoge- nen Geſichtslinie befinden, geben die rothen Strahlen theils der
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Ich will nicht grade die Behauptung wagen, daß in dieſen
Betrachtungen eine fuͤr jeden einzelnen Fall und fuͤr jede einzelne
Erſcheinung der Morgenroͤthe und Abendroͤthe genuͤgende Erklaͤrung
liegt; aber ich glaube doch gewiß zu ſein, daß man im Weſentlichen
dieſe Erklaͤrungen bei genauer Aufmerkſamkeit auf die Erſcheinun-
gen ſehr genuͤgend finden wird.
Die Daͤmmerung.
Auch die Erſcheinungen der Daͤmmerung laſſen ſich ganz nach
dieſen Grundſaͤtzen erklaͤren. Wenn an einem heitern Abend die
Sonne untergegangen iſt, ſo zeigt ſich bald am oͤſtlichen Horizonte
ein dunkelblauer bogenfoͤrmig begrenzter Raum, uͤber welchem ſich
der Himmel etwas roͤthlich, hoͤher hinauf weiß, endlich gegen das
Zenith blau zeigt. Jener dunkle Kreis-Abſchnitt entſteht durch den
Schatten, welchen die Erde auf die Atmoſphaͤre wirft; weil keine
Sonnenſtrahlen mehr auf dieſe Gegend der Luft gelangen, ſo zeigen
ſich die Duͤnſte und die Luft ſelbſt ſehr ſchwach erleuchtet, und blau
erleuchtet, weil auch der lebhaftere Theil der Abendroͤthe in jener
Gegend der Atmoſphaͤre ſchon untergegangen iſt, alſo das Blau
der in hoͤhern Luftgegenden zuruͤckgeworfenen Strahlen dort noch
am meiſten zu der ſchwachen Erleuchtung beitraͤgt. Der roͤthliche
Bogen uͤber dem Dunkel bezeichnet die Gegend, wo das lebhafte
Abendroth noch genug in der unteren Luft befindliche Duͤnſte trifft,
um ſie durch rothe Erleuchtung kenntlich zu machen; das Weiß,
welches dieſen Bogen umgiebt, gehoͤrt einer Gegend an, wo das
von der reineren oberen Luft reflectirte Blau der Sonnenſtrahlen
ſelbſt ſich mit dem von den Duͤnſten zuruͤckgeworfenen Roth der
Abendroͤtheſtrahlen vermiſcht, und ſo dem Auge ein aus allen Far-
benſtrahlen gemiſchtes Weiß darſtellt; am Zenith endlich iſt der
Himmel blau, weil unſre Geſichtslinie durch zu wenige rothgefaͤrbte
Duͤnſte geht, um uns durch ihre reflectirten Strahlen eine das
Blau ganz aufhebende weiße Miſchung zu zeigen. Ungefaͤhr ebenſo
verhaͤlt es ſich am weſtlichen Himmel, wo ebenfalls das Orange der
Abendroͤthe einige Zeit nach Sonnen-Untergang einen Uebergang
durch Weiß zum Blau, das am Zenith ſich noch zeigt, darſtellt.
Die Duͤnſte naͤmlich, die ſich in der nach dieſem Weiß hin gezoge-
nen Geſichtslinie befinden, geben die rothen Strahlen theils der
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/238>, abgerufen am 21.11.2024.
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