Diesem Mangel könnte man abhelfen, wenn man zwei Körper fände, in welchen zufällig die Zerstreuung der einzelnen Farben genau einander gemäß wäre; und dies ist einer der Gründe, warum Blair und später Barlow Versuche gemacht haben, eine mit Flüssigkeit gefüllte Linse der Glaslinse beizufügen, weil uns hier eine größere Mannigfaltigkeit zur Wahl offen steht und Mischun- gen verschiedener Flüssigkeiten vielleicht so angeordnet werden könn- ten, daß sie jenen Zweck, alle Farben zugleich zu zerstören, erfüll- ten. In der neuesten Zeit ist vorzüglich der Schwefel-Alcohol oder Schwefelkohlenstoff hiezu empfohlen und als dem Zwecke sehr entsprechend gerühmt worden; auch hat Blair besonders sich be- müht zu zeigen, daß man die Veränderungen, die solche Flüssigkei- ten etwa erleiden könnten, bei völlig fester Einschließung nicht zu fürchten brauche. Indeß ist es mir noch nicht hinreichend bekannt, ob die Proben, die man mit diesen Flüssigkeiten angestellt hat, mit hinreichend großen Objectiven und mit starker Vergrößerung ange- stellt sind; und Fraunhofers Bemerkung, daß eine kleine Tem- peratur-Aenderung allemal das Bild im Fernrohre bei Anwendung von Flüssigkeiten etwas trübe, weil die erkaltenden und die noch nicht erkalteten Theilchen das Licht ungleich brechen, scheint mir so wichtig, daß ich den Zweifel, ob auch wohl Blair und Barlow ihre Prüfungen mit der Strenge angestellt haben, die Fraunho- fer anzuwenden gewohnt war, noch nicht für gehoben halte.
Jener kleine Rest von Farben, den man bei Anwendung zweier Gläser nicht wegschaffen kann, läßt sich heben, wenn man dreifach zusammengesetzte Linsen anwendet; aber diese dreifachen Objective, die man früher (besonders wegen der aus der sphärischen Gestalt entspringenden Abweichung) empfahl, scheinen doch, weil an den vielen Oberflächen viel Licht verlohren geht, nicht zweckmäßig zu sein, und Fraunhofers große Fernröhre zeigen, daß man auch ohne diese Zusammensetzung etwas höchst Vortreffliches liefern kann. Um aber doch einen hiebei noch wichtigen Umstand nicht zu übergehen, muß ich einen Augenblick bei der zweiten Abweichung, die nämlich von der Kugelgestalt herrührt, verweilen. Sie erinnern sich, daß, ebenso wie bei großen kugelförmigen Hohlspiegeln statt eines Brennpunctes eine Brennlinie entstand, auch bei Linsenglä- sern, wenn sie erheblich groß werden, wenn die Oeffnung des Ob-
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Dieſem Mangel koͤnnte man abhelfen, wenn man zwei Koͤrper faͤnde, in welchen zufaͤllig die Zerſtreuung der einzelnen Farben genau einander gemaͤß waͤre; und dies iſt einer der Gruͤnde, warum Blair und ſpaͤter Barlow Verſuche gemacht haben, eine mit Fluͤſſigkeit gefuͤllte Linſe der Glaslinſe beizufuͤgen, weil uns hier eine groͤßere Mannigfaltigkeit zur Wahl offen ſteht und Miſchun- gen verſchiedener Fluͤſſigkeiten vielleicht ſo angeordnet werden koͤnn- ten, daß ſie jenen Zweck, alle Farben zugleich zu zerſtoͤren, erfuͤll- ten. In der neueſten Zeit iſt vorzuͤglich der Schwefel-Alcohol oder Schwefelkohlenſtoff hiezu empfohlen und als dem Zwecke ſehr entſprechend geruͤhmt worden; auch hat Blair beſonders ſich be- muͤht zu zeigen, daß man die Veraͤnderungen, die ſolche Fluͤſſigkei- ten etwa erleiden koͤnnten, bei voͤllig feſter Einſchließung nicht zu fuͤrchten brauche. Indeß iſt es mir noch nicht hinreichend bekannt, ob die Proben, die man mit dieſen Fluͤſſigkeiten angeſtellt hat, mit hinreichend großen Objectiven und mit ſtarker Vergroͤßerung ange- ſtellt ſind; und Fraunhofers Bemerkung, daß eine kleine Tem- peratur-Aenderung allemal das Bild im Fernrohre bei Anwendung von Fluͤſſigkeiten etwas truͤbe, weil die erkaltenden und die noch nicht erkalteten Theilchen das Licht ungleich brechen, ſcheint mir ſo wichtig, daß ich den Zweifel, ob auch wohl Blair und Barlow ihre Pruͤfungen mit der Strenge angeſtellt haben, die Fraunho- fer anzuwenden gewohnt war, noch nicht fuͤr gehoben halte.
Jener kleine Reſt von Farben, den man bei Anwendung zweier Glaͤſer nicht wegſchaffen kann, laͤßt ſich heben, wenn man dreifach zuſammengeſetzte Linſen anwendet; aber dieſe dreifachen Objective, die man fruͤher (beſonders wegen der aus der ſphaͤriſchen Geſtalt entſpringenden Abweichung) empfahl, ſcheinen doch, weil an den vielen Oberflaͤchen viel Licht verlohren geht, nicht zweckmaͤßig zu ſein, und Fraunhofers große Fernroͤhre zeigen, daß man auch ohne dieſe Zuſammenſetzung etwas hoͤchſt Vortreffliches liefern kann. Um aber doch einen hiebei noch wichtigen Umſtand nicht zu uͤbergehen, muß ich einen Augenblick bei der zweiten Abweichung, die naͤmlich von der Kugelgeſtalt herruͤhrt, verweilen. Sie erinnern ſich, daß, ebenſo wie bei großen kugelfoͤrmigen Hohlſpiegeln ſtatt eines Brennpunctes eine Brennlinie entſtand, auch bei Linſenglaͤ- ſern, wenn ſie erheblich groß werden, wenn die Oeffnung des Ob-
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Dieſem Mangel koͤnnte man abhelfen, wenn man zwei Koͤrper
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Blair und ſpaͤter Barlow Verſuche gemacht haben, eine mit
Fluͤſſigkeit gefuͤllte Linſe der Glaslinſe beizufuͤgen, weil uns hier
eine groͤßere Mannigfaltigkeit zur Wahl offen ſteht und Miſchun-
gen verſchiedener Fluͤſſigkeiten vielleicht ſo angeordnet werden koͤnn-
ten, daß ſie jenen Zweck, alle Farben zugleich zu zerſtoͤren, erfuͤll-
ten. In der neueſten Zeit iſt vorzuͤglich der Schwefel-Alcohol
oder Schwefelkohlenſtoff hiezu empfohlen und als dem Zwecke ſehr
entſprechend geruͤhmt worden; auch hat Blair beſonders ſich be-
muͤht zu zeigen, daß man die Veraͤnderungen, die ſolche Fluͤſſigkei-
ten etwa erleiden koͤnnten, bei voͤllig feſter Einſchließung nicht zu
fuͤrchten brauche. Indeß iſt es mir noch nicht hinreichend bekannt,
ob die Proben, die man mit dieſen Fluͤſſigkeiten angeſtellt hat, mit
hinreichend großen Objectiven und mit ſtarker Vergroͤßerung ange-
ſtellt ſind; und Fraunhofers Bemerkung, daß eine kleine Tem-
peratur-Aenderung allemal das Bild im Fernrohre bei Anwendung
von Fluͤſſigkeiten etwas truͤbe, weil die erkaltenden und die noch
nicht erkalteten Theilchen das Licht ungleich brechen, ſcheint mir ſo
wichtig, daß ich den Zweifel, ob auch wohl Blair und Barlow
ihre Pruͤfungen mit der Strenge angeſtellt haben, die Fraunho-
fer anzuwenden gewohnt war, noch nicht fuͤr gehoben halte.
Jener kleine Reſt von Farben, den man bei Anwendung
zweier Glaͤſer nicht wegſchaffen kann, laͤßt ſich heben, wenn man
dreifach zuſammengeſetzte Linſen anwendet; aber dieſe dreifachen
Objective, die man fruͤher (beſonders wegen der aus der ſphaͤriſchen
Geſtalt entſpringenden Abweichung) empfahl, ſcheinen doch, weil an
den vielen Oberflaͤchen viel Licht verlohren geht, nicht zweckmaͤßig
zu ſein, und Fraunhofers große Fernroͤhre zeigen, daß man
auch ohne dieſe Zuſammenſetzung etwas hoͤchſt Vortreffliches liefern
kann. Um aber doch einen hiebei noch wichtigen Umſtand nicht zu
uͤbergehen, muß ich einen Augenblick bei der zweiten Abweichung,
die naͤmlich von der Kugelgeſtalt herruͤhrt, verweilen. Sie erinnern
ſich, daß, ebenſo wie bei großen kugelfoͤrmigen Hohlſpiegeln ſtatt
eines Brennpunctes eine Brennlinie entſtand, auch bei Linſenglaͤ-
ſern, wenn ſie erheblich groß werden, wenn die Oeffnung des Ob-
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/209>, abgerufen am 22.11.2024.
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