Wenn man durch die Linse alle Strahlen, das Blau ausge- nommen, vereinigt, so erhält man Gelb oder Orange, je nachdem das Blau aus einem näher am Violett oder näher am Grün lie- genden Theile des Farbenbildes genommen ist, und es heißt daher Blau die Complementairfarbe, die Ergänzungsfarbe des Orange oder Gelb; ebenso ist Roth die Ergänzungsfarbe des Grün, Violett die Ergänzungsfarbe des Gelb, weil das Zusam- menkommen aller Farben außer jener einen, die zugehörige Ergän- zungsfarbe hervorbringt.
Genaue Bestimmung des Brechungsverhältnisses für verschiedene Farbenstrahlen.
Von diesen Versuchen, welche die vereinte Wirkung mehrerer Farbenstrahlen betrafen, kehre ich zu der ungleichen Größe der Brechung zurück, indem es nicht genug ist, diese Ungleichheit obenhin zu kennen, sondern auch die Mittel zu einer ganz genauen Bestimmung vollständiger zu übersehen.
Um diese Bestimmung zu erhalten, wandte Fraunhofer die schon vorhin beschriebene Einrichtung zu Abmessung der Bre- chung an, die ich kaum noch weiter zu erklären brauche, da die dem Vorigen beizufügende Erörterung sich leicht von selbst ergiebt. Wir sahen es früher (Fig. 61.) so an, als ob der nach der Richtung AB auf das Prisma fallende Strahl auch nach der Brechung im Prisma als ein einzelner Strahl, das heißt mit paralleler Richtung aller seiner Theile, hervorgehe; aber Sie wissen jetzt, daß dieses nicht der Fall ist, indem die violetten und rothen Strahlen und so auch alle zwischenliegenden merklich divergirend hervorgehen; es ist also bei einer genauen Bestimmung der Brechung nöthig, mit jedem Farbenstrahle besonders die Beobachtung zu wiederholen, und in- dem man das eine Mal den rothen, das andre Mal den gelben Strahl genau in der Richtung des Fernrohrs ML beobachtet, die entstandene Ablenkung von der ersten Richtung zu bestimmen. Dieses läßt sich sofern ohne Schwierigkeit bewirken, als man die kleine Oeffnung, durch welche das Lampenlicht auf das Prisma fällt, roth, gelb, u. s. w. sieht, wenn diese verschiedenen Farben- strahlen durch das Fernrohr zum Auge kommen, und so ergeben sich Folgerungen, die für viele Zwecke schon genau genug sind. Aber
II. M
Wenn man durch die Linſe alle Strahlen, das Blau ausge- nommen, vereinigt, ſo erhaͤlt man Gelb oder Orange, je nachdem das Blau aus einem naͤher am Violett oder naͤher am Gruͤn lie- genden Theile des Farbenbildes genommen iſt, und es heißt daher Blau die Complementairfarbe, die Ergaͤnzungsfarbe des Orange oder Gelb; ebenſo iſt Roth die Ergaͤnzungsfarbe des Gruͤn, Violett die Ergaͤnzungsfarbe des Gelb, weil das Zuſam- menkommen aller Farben außer jener einen, die zugehoͤrige Ergaͤn- zungsfarbe hervorbringt.
Genaue Beſtimmung des Brechungsverhaͤltniſſes fuͤr verſchiedene Farbenſtrahlen.
Von dieſen Verſuchen, welche die vereinte Wirkung mehrerer Farbenſtrahlen betrafen, kehre ich zu der ungleichen Groͤße der Brechung zuruͤck, indem es nicht genug iſt, dieſe Ungleichheit obenhin zu kennen, ſondern auch die Mittel zu einer ganz genauen Beſtimmung vollſtaͤndiger zu uͤberſehen.
Um dieſe Beſtimmung zu erhalten, wandte Fraunhofer die ſchon vorhin beſchriebene Einrichtung zu Abmeſſung der Bre- chung an, die ich kaum noch weiter zu erklaͤren brauche, da die dem Vorigen beizufuͤgende Eroͤrterung ſich leicht von ſelbſt ergiebt. Wir ſahen es fruͤher (Fig. 61.) ſo an, als ob der nach der Richtung AB auf das Prisma fallende Strahl auch nach der Brechung im Prisma als ein einzelner Strahl, das heißt mit paralleler Richtung aller ſeiner Theile, hervorgehe; aber Sie wiſſen jetzt, daß dieſes nicht der Fall iſt, indem die violetten und rothen Strahlen und ſo auch alle zwiſchenliegenden merklich divergirend hervorgehen; es iſt alſo bei einer genauen Beſtimmung der Brechung noͤthig, mit jedem Farbenſtrahle beſonders die Beobachtung zu wiederholen, und in- dem man das eine Mal den rothen, das andre Mal den gelben Strahl genau in der Richtung des Fernrohrs ML beobachtet, die entſtandene Ablenkung von der erſten Richtung zu beſtimmen. Dieſes laͤßt ſich ſofern ohne Schwierigkeit bewirken, als man die kleine Oeffnung, durch welche das Lampenlicht auf das Prisma faͤllt, roth, gelb, u. ſ. w. ſieht, wenn dieſe verſchiedenen Farben- ſtrahlen durch das Fernrohr zum Auge kommen, und ſo ergeben ſich Folgerungen, die fuͤr viele Zwecke ſchon genau genug ſind. Aber
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Wenn man durch die Linſe alle Strahlen, das Blau ausge-
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das Blau aus einem naͤher am Violett oder naͤher am Gruͤn lie-
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Blau die Complementairfarbe, die Ergaͤnzungsfarbe
des Orange oder Gelb; ebenſo iſt Roth die Ergaͤnzungsfarbe des
Gruͤn, Violett die Ergaͤnzungsfarbe des Gelb, weil das Zuſam-
menkommen aller Farben außer jener einen, die zugehoͤrige Ergaͤn-
zungsfarbe hervorbringt.
Genaue Beſtimmung des Brechungsverhaͤltniſſes fuͤr
verſchiedene Farbenſtrahlen.
Von dieſen Verſuchen, welche die vereinte Wirkung mehrerer
Farbenſtrahlen betrafen, kehre ich zu der ungleichen Groͤße der
Brechung zuruͤck, indem es nicht genug iſt, dieſe Ungleichheit
obenhin zu kennen, ſondern auch die Mittel zu einer ganz genauen
Beſtimmung vollſtaͤndiger zu uͤberſehen.
Um dieſe Beſtimmung zu erhalten, wandte Fraunhofer
die ſchon vorhin beſchriebene Einrichtung zu Abmeſſung der Bre-
chung an, die ich kaum noch weiter zu erklaͤren brauche, da die
dem Vorigen beizufuͤgende Eroͤrterung ſich leicht von ſelbſt ergiebt.
Wir ſahen es fruͤher (Fig. 61.) ſo an, als ob der nach der Richtung
AB auf das Prisma fallende Strahl auch nach der Brechung im
Prisma als ein einzelner Strahl, das heißt mit paralleler Richtung
aller ſeiner Theile, hervorgehe; aber Sie wiſſen jetzt, daß dieſes nicht
der Fall iſt, indem die violetten und rothen Strahlen und ſo auch
alle zwiſchenliegenden merklich divergirend hervorgehen; es iſt alſo
bei einer genauen Beſtimmung der Brechung noͤthig, mit jedem
Farbenſtrahle beſonders die Beobachtung zu wiederholen, und in-
dem man das eine Mal den rothen, das andre Mal den gelben
Strahl genau in der Richtung des Fernrohrs ML beobachtet, die
entſtandene Ablenkung von der erſten Richtung zu beſtimmen.
Dieſes laͤßt ſich ſofern ohne Schwierigkeit bewirken, als man die
kleine Oeffnung, durch welche das Lampenlicht auf das Prisma
faͤllt, roth, gelb, u. ſ. w. ſieht, wenn dieſe verſchiedenen Farben-
ſtrahlen durch das Fernrohr zum Auge kommen, und ſo ergeben ſich
Folgerungen, die fuͤr viele Zwecke ſchon genau genug ſind. Aber
II. M
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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