kleinen ebnen Spiegel anbringt, so kann man bei richtig gewählter, sehr naher Stellung des Auges, seitwärts in den Spiegel blickend, das vergrößerte Bild genau so, wie es dem unmittelbar in das Mi- croscop sehenden Auge erscheint, im Spiegel wahrnehmen. Stellt man nun einen in Zolle und Theile von Zollen getheilten Maaßstab so auf, daß er dem in jenen Spiegel sehenden Auge ganz nahe neben dem Spiegelbilde erscheint; wählt man zu dem im Microscop vergrößerten und jetzt im Spiegelbilde erscheinenden Gegenstande eine feine Theilung mit Parallellinien und giebt dieser die Lage, daß die Theilungslinien im Bilde mit den Theilungslinien des Maaßstabes gleichlaufend sind; so kann man mit großer Genauig- keit wahrnehmen, wie viele Theile des vergrößerten Gegenstandes mit gewissen Theilen des Maaßstabes zusammenstimmen. Die Be- stimmung der Vergrößerung findet dann ebenso wie vorhin statt; das Auge muß aber in genau bekannter Entfernung von dem Maaßstabe seine Stellung erhalten, und zwar am besten in derje- nigen, welche zum deutlichen Sehen für den Beobachter am ange- messensten ist.
Aber obgleich man so ein Mittel hat, um von einer Seite den Werth eines Microscopes genau zu bestimmen, nämlich von Seiten der Vergrößerung, so ist damit doch keineswegs die wahre Brauchbarkeit desselben bestimmt. Es ist nicht so schwer, sehr starke Vergrößerungen bei einem Microscope anzubringen, aber es ist eine große Kunst des Verfertigers, bei diesen Vergrößerungen noch immer die vollkommene Klarheit und Deutlichkeit zu erreichen, die erforderlich ist, um genau zu sehen, um bis auf die kleinsten Theile zu erkennen, was das Instrument darstellt. Um in dieser Hinsicht ein Instrument, welches zur Vergleichung vorgelegt wird, mit dem zu vergleichen, was andre Instrumente leisten, schlägt von Jacquin bestimmte sehr feine Gegenstände vor, die man durch dasselbe betrachten soll. Solche Gegenstände sind die Schup- pen vom weißen Schmetterling, Papilio Brassicae, die durchsich- tig beleuchtet, als fein lineirt erscheinen; diese Linien sind Zoll von einander entfernt und werden bei einem guten Microscop schon bei 60 bis 80 maliger Vergrößerung, schöner aber bei jeder stärkern Vergrößerung sichtbar. Als einen viel feinern Gegenstand empfiehlt von Jacquin die feinen Linien auf den durchsichtigen,
kleinen ebnen Spiegel anbringt, ſo kann man bei richtig gewaͤhlter, ſehr naher Stellung des Auges, ſeitwaͤrts in den Spiegel blickend, das vergroͤßerte Bild genau ſo, wie es dem unmittelbar in das Mi- croſcop ſehenden Auge erſcheint, im Spiegel wahrnehmen. Stellt man nun einen in Zolle und Theile von Zollen getheilten Maaßſtab ſo auf, daß er dem in jenen Spiegel ſehenden Auge ganz nahe neben dem Spiegelbilde erſcheint; waͤhlt man zu dem im Microſcop vergroͤßerten und jetzt im Spiegelbilde erſcheinenden Gegenſtande eine feine Theilung mit Parallellinien und giebt dieſer die Lage, daß die Theilungslinien im Bilde mit den Theilungslinien des Maaßſtabes gleichlaufend ſind; ſo kann man mit großer Genauig- keit wahrnehmen, wie viele Theile des vergroͤßerten Gegenſtandes mit gewiſſen Theilen des Maaßſtabes zuſammenſtimmen. Die Be- ſtimmung der Vergroͤßerung findet dann ebenſo wie vorhin ſtatt; das Auge muß aber in genau bekannter Entfernung von dem Maaßſtabe ſeine Stellung erhalten, und zwar am beſten in derje- nigen, welche zum deutlichen Sehen fuͤr den Beobachter am ange- meſſenſten iſt.
Aber obgleich man ſo ein Mittel hat, um von einer Seite den Werth eines Microſcopes genau zu beſtimmen, naͤmlich von Seiten der Vergroͤßerung, ſo iſt damit doch keineswegs die wahre Brauchbarkeit deſſelben beſtimmt. Es iſt nicht ſo ſchwer, ſehr ſtarke Vergroͤßerungen bei einem Microſcope anzubringen, aber es iſt eine große Kunſt des Verfertigers, bei dieſen Vergroͤßerungen noch immer die vollkommene Klarheit und Deutlichkeit zu erreichen, die erforderlich iſt, um genau zu ſehen, um bis auf die kleinſten Theile zu erkennen, was das Inſtrument darſtellt. Um in dieſer Hinſicht ein Inſtrument, welches zur Vergleichung vorgelegt wird, mit dem zu vergleichen, was andre Inſtrumente leiſten, ſchlaͤgt von Jacquin beſtimmte ſehr feine Gegenſtaͤnde vor, die man durch daſſelbe betrachten ſoll. Solche Gegenſtaͤnde ſind die Schup- pen vom weißen Schmetterling, Papilio Brassicae, die durchſich- tig beleuchtet, als fein lineirt erſcheinen; dieſe Linien ſind Zoll von einander entfernt und werden bei einem guten Microſcop ſchon bei 60 bis 80 maliger Vergroͤßerung, ſchoͤner aber bei jeder ſtaͤrkern Vergroͤßerung ſichtbar. Als einen viel feinern Gegenſtand empfiehlt von Jacquin die feinen Linien auf den durchſichtigen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0153"n="139"/>
kleinen ebnen Spiegel anbringt, ſo kann man bei richtig gewaͤhlter,<lb/>ſehr naher Stellung des Auges, ſeitwaͤrts in den Spiegel blickend,<lb/>
das vergroͤßerte Bild genau ſo, wie es dem unmittelbar in das Mi-<lb/>
croſcop ſehenden Auge erſcheint, im Spiegel wahrnehmen. Stellt<lb/>
man nun einen in Zolle und Theile von Zollen getheilten Maaßſtab<lb/>ſo auf, daß er dem in jenen Spiegel ſehenden Auge ganz nahe<lb/>
neben dem Spiegelbilde erſcheint; waͤhlt man zu dem im Microſcop<lb/>
vergroͤßerten und jetzt im Spiegelbilde erſcheinenden Gegenſtande<lb/>
eine feine Theilung mit Parallellinien und giebt dieſer die Lage,<lb/>
daß die Theilungslinien im Bilde mit den Theilungslinien des<lb/>
Maaßſtabes gleichlaufend ſind; ſo kann man mit großer Genauig-<lb/>
keit wahrnehmen, wie viele Theile des vergroͤßerten Gegenſtandes<lb/>
mit gewiſſen Theilen des Maaßſtabes zuſammenſtimmen. Die Be-<lb/>ſtimmung der Vergroͤßerung findet dann ebenſo wie vorhin ſtatt;<lb/>
das Auge muß aber in genau bekannter Entfernung von dem<lb/>
Maaßſtabe ſeine Stellung erhalten, und zwar am beſten in derje-<lb/>
nigen, welche zum deutlichen Sehen fuͤr den Beobachter am ange-<lb/>
meſſenſten iſt.</p><lb/><p>Aber obgleich man ſo ein Mittel hat, um von einer Seite<lb/>
den Werth eines Microſcopes genau zu beſtimmen, naͤmlich von<lb/>
Seiten der Vergroͤßerung, ſo iſt damit doch keineswegs die wahre<lb/>
Brauchbarkeit deſſelben beſtimmt. Es iſt nicht ſo ſchwer, ſehr<lb/>ſtarke Vergroͤßerungen bei einem Microſcope anzubringen, aber es<lb/>
iſt eine große Kunſt des Verfertigers, bei dieſen Vergroͤßerungen<lb/>
noch immer die vollkommene Klarheit und Deutlichkeit zu erreichen,<lb/>
die erforderlich iſt, um genau zu ſehen, um bis auf die kleinſten<lb/>
Theile zu erkennen, was das Inſtrument darſtellt. Um in dieſer<lb/>
Hinſicht ein Inſtrument, welches zur Vergleichung vorgelegt wird,<lb/>
mit dem zu vergleichen, was andre Inſtrumente leiſten, ſchlaͤgt<lb/><hirendition="#g">von Jacquin</hi> beſtimmte ſehr feine Gegenſtaͤnde vor, die man<lb/>
durch daſſelbe betrachten ſoll. Solche Gegenſtaͤnde ſind die Schup-<lb/>
pen vom weißen Schmetterling, <hirendition="#aq"><hirendition="#b">Papilio Brassicae,</hi></hi> die durchſich-<lb/>
tig beleuchtet, als fein lineirt erſcheinen; dieſe Linien ſind <formulanotation="TeX">\frac{1}{10800}</formula><lb/>
Zoll von einander entfernt und werden bei einem guten Microſcop<lb/>ſchon bei 60 bis 80 maliger Vergroͤßerung, ſchoͤner aber bei jeder<lb/>ſtaͤrkern Vergroͤßerung ſichtbar. Als einen viel feinern Gegenſtand<lb/>
empfiehlt <hirendition="#g">von Jacquin</hi> die feinen Linien auf den durchſichtigen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[139/0153]
kleinen ebnen Spiegel anbringt, ſo kann man bei richtig gewaͤhlter,
ſehr naher Stellung des Auges, ſeitwaͤrts in den Spiegel blickend,
das vergroͤßerte Bild genau ſo, wie es dem unmittelbar in das Mi-
croſcop ſehenden Auge erſcheint, im Spiegel wahrnehmen. Stellt
man nun einen in Zolle und Theile von Zollen getheilten Maaßſtab
ſo auf, daß er dem in jenen Spiegel ſehenden Auge ganz nahe
neben dem Spiegelbilde erſcheint; waͤhlt man zu dem im Microſcop
vergroͤßerten und jetzt im Spiegelbilde erſcheinenden Gegenſtande
eine feine Theilung mit Parallellinien und giebt dieſer die Lage,
daß die Theilungslinien im Bilde mit den Theilungslinien des
Maaßſtabes gleichlaufend ſind; ſo kann man mit großer Genauig-
keit wahrnehmen, wie viele Theile des vergroͤßerten Gegenſtandes
mit gewiſſen Theilen des Maaßſtabes zuſammenſtimmen. Die Be-
ſtimmung der Vergroͤßerung findet dann ebenſo wie vorhin ſtatt;
das Auge muß aber in genau bekannter Entfernung von dem
Maaßſtabe ſeine Stellung erhalten, und zwar am beſten in derje-
nigen, welche zum deutlichen Sehen fuͤr den Beobachter am ange-
meſſenſten iſt.
Aber obgleich man ſo ein Mittel hat, um von einer Seite
den Werth eines Microſcopes genau zu beſtimmen, naͤmlich von
Seiten der Vergroͤßerung, ſo iſt damit doch keineswegs die wahre
Brauchbarkeit deſſelben beſtimmt. Es iſt nicht ſo ſchwer, ſehr
ſtarke Vergroͤßerungen bei einem Microſcope anzubringen, aber es
iſt eine große Kunſt des Verfertigers, bei dieſen Vergroͤßerungen
noch immer die vollkommene Klarheit und Deutlichkeit zu erreichen,
die erforderlich iſt, um genau zu ſehen, um bis auf die kleinſten
Theile zu erkennen, was das Inſtrument darſtellt. Um in dieſer
Hinſicht ein Inſtrument, welches zur Vergleichung vorgelegt wird,
mit dem zu vergleichen, was andre Inſtrumente leiſten, ſchlaͤgt
von Jacquin beſtimmte ſehr feine Gegenſtaͤnde vor, die man
durch daſſelbe betrachten ſoll. Solche Gegenſtaͤnde ſind die Schup-
pen vom weißen Schmetterling, Papilio Brassicae, die durchſich-
tig beleuchtet, als fein lineirt erſcheinen; dieſe Linien ſind [FORMEL]
Zoll von einander entfernt und werden bei einem guten Microſcop
ſchon bei 60 bis 80 maliger Vergroͤßerung, ſchoͤner aber bei jeder
ſtaͤrkern Vergroͤßerung ſichtbar. Als einen viel feinern Gegenſtand
empfiehlt von Jacquin die feinen Linien auf den durchſichtigen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/153>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.