diese Trennungsfläche DE oder das Einfallsloth errichtet. Befindet sich nun unterhalb DE ein dichterer, ein das Licht stärker brechen- der Körper, so wird, wie man sich ausdrückt, der Lichtstrahl bei seinem Eintritte in den stärker brechenden Körper gegen das Einfallsloth zu gebrochen, das heißt, der Winkel, welchen der in diesen Körper übergegangene Lichtstrahl AG mit der Senk- rechten AH macht, ist kleiner, als der Winkel, den der Strahl BA mit AC machte. Bei dieser Brechung bleibt der Lichtstrahl AG in eben der Ebne, in welcher der einfallende Strahl und das Einfallsloth lagen; er wird also nicht seitwärts abgelenkt, sondern sein Fortgang wird nur nach der mit AH parallelen Richtung ver- stärkt; er wird zu einem tieferen Eindringen veranlaßt. In wel- chem Maaße diese Verkleinerung des Winkels HAG, der nämlich kleiner als BAC wird, statt findet, das hängt von der eigenthüm- lichen Natur der brechenden Körper ab; aber es giebt ein vollkom- men strenges Gesetz, welches für einerlei Körper in Beziehung auf alle Strahlen, der Winkel BAC sei größer oder kleiner, gültig ist. Um dieses Gesetz zuerst durch ein Beispiel zu erläutern, dringe der Lichtstrahl aus Luft in einen Glaskörper DGE ein, so ist fast genau, wenn man einen Kreis um A zieht, also AN = AL nimmt, die senkrecht auf CH gezogene NO zwei Drittel der eben- falls auf CH senkrechten LM, und dieses Verhältniß bleibt genau gleich bei allen Einfallswinkeln. Hat man also eine Glas-Art, bei welcher dieses Brechungsverhältniß genau statt findet, so ist es sehr leicht, für jeden einfallenden Strahl ba die Richtung des ge- brochenen Strahles zu finden. Man errichtet nämlich in a, wo der Strahl die Oberfläche trifft, das Einfallsloth cah, zieht um a als Mittelpunct mit willkürlichem Halbmesser einen Kreis, und in demselben von dem Puncte l, wo der einfallende Strahl ihn schneidet, eine Linie lm auf das Einfallsloth senkrecht; man sucht nun den Punct n desselben Kreises, dessen senkrechter Abstand von ch zwei Drittel der lm ist, no = 2/3 lm, durch diesen Punct n geht der gebrochene Strahl ag. Und was hier für das Brechungs- verhältniß 1 zu 2/3 angegeben ist, das findet auch bei andern Bre- chungsverhältnissen auf ähnliche Weise statt, so daß zum Beispiel bei einem Glase, wo das Brechungsverhältniß nicht 1: 2/3 , sondern 1 zu 0,64 wäre, allemal no 64 solche Theile, deren lm 100 ent-
dieſe Trennungsflaͤche DE oder das Einfallsloth errichtet. Befindet ſich nun unterhalb DE ein dichterer, ein das Licht ſtaͤrker brechen- der Koͤrper, ſo wird, wie man ſich ausdruͤckt, der Lichtſtrahl bei ſeinem Eintritte in den ſtaͤrker brechenden Koͤrper gegen das Einfallsloth zu gebrochen, das heißt, der Winkel, welchen der in dieſen Koͤrper uͤbergegangene Lichtſtrahl AG mit der Senk- rechten AH macht, iſt kleiner, als der Winkel, den der Strahl BA mit AC machte. Bei dieſer Brechung bleibt der Lichtſtrahl AG in eben der Ebne, in welcher der einfallende Strahl und das Einfallsloth lagen; er wird alſo nicht ſeitwaͤrts abgelenkt, ſondern ſein Fortgang wird nur nach der mit AH parallelen Richtung ver- ſtaͤrkt; er wird zu einem tieferen Eindringen veranlaßt. In wel- chem Maaße dieſe Verkleinerung des Winkels HAG, der naͤmlich kleiner als BAC wird, ſtatt findet, das haͤngt von der eigenthuͤm- lichen Natur der brechenden Koͤrper ab; aber es giebt ein vollkom- men ſtrenges Geſetz, welches fuͤr einerlei Koͤrper in Beziehung auf alle Strahlen, der Winkel BAC ſei groͤßer oder kleiner, guͤltig iſt. Um dieſes Geſetz zuerſt durch ein Beiſpiel zu erlaͤutern, dringe der Lichtſtrahl aus Luft in einen Glaskoͤrper DGE ein, ſo iſt faſt genau, wenn man einen Kreis um A zieht, alſo AN = AL nimmt, die ſenkrecht auf CH gezogene NO zwei Drittel der eben- falls auf CH ſenkrechten LM, und dieſes Verhaͤltniß bleibt genau gleich bei allen Einfallswinkeln. Hat man alſo eine Glas-Art, bei welcher dieſes Brechungsverhaͤltniß genau ſtatt findet, ſo iſt es ſehr leicht, fuͤr jeden einfallenden Strahl ba die Richtung des ge- brochenen Strahles zu finden. Man errichtet naͤmlich in a, wo der Strahl die Oberflaͤche trifft, das Einfallsloth cah, zieht um a als Mittelpunct mit willkuͤrlichem Halbmeſſer einen Kreis, und in demſelben von dem Puncte l, wo der einfallende Strahl ihn ſchneidet, eine Linie lm auf das Einfallsloth ſenkrecht; man ſucht nun den Punct n deſſelben Kreiſes, deſſen ſenkrechter Abſtand von ch zwei Drittel der lm iſt, no = ⅔ lm, durch dieſen Punct n geht der gebrochene Strahl ag. Und was hier fuͤr das Brechungs- verhaͤltniß 1 zu ⅔ angegeben iſt, das findet auch bei andern Bre- chungsverhaͤltniſſen auf aͤhnliche Weiſe ſtatt, ſo daß zum Beiſpiel bei einem Glaſe, wo das Brechungsverhaͤltniß nicht 1:⅔, ſondern 1 zu 0,64 waͤre, allemal no 64 ſolche Theile, deren lm 100 ent-
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[100/0114]
dieſe Trennungsflaͤche DE oder das Einfallsloth errichtet. Befindet
ſich nun unterhalb DE ein dichterer, ein das Licht ſtaͤrker brechen-
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ſeinem Eintritte in den ſtaͤrker brechenden Koͤrper gegen das
Einfallsloth zu gebrochen, das heißt, der Winkel, welchen
der in dieſen Koͤrper uͤbergegangene Lichtſtrahl AG mit der Senk-
rechten AH macht, iſt kleiner, als der Winkel, den der Strahl
BA mit AC machte. Bei dieſer Brechung bleibt der Lichtſtrahl
AG in eben der Ebne, in welcher der einfallende Strahl und das
Einfallsloth lagen; er wird alſo nicht ſeitwaͤrts abgelenkt, ſondern
ſein Fortgang wird nur nach der mit AH parallelen Richtung ver-
ſtaͤrkt; er wird zu einem tieferen Eindringen veranlaßt. In wel-
chem Maaße dieſe Verkleinerung des Winkels HAG, der naͤmlich
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lichen Natur der brechenden Koͤrper ab; aber es giebt ein vollkom-
men ſtrenges Geſetz, welches fuͤr einerlei Koͤrper in Beziehung auf
alle Strahlen, der Winkel BAC ſei groͤßer oder kleiner, guͤltig
iſt. Um dieſes Geſetz zuerſt durch ein Beiſpiel zu erlaͤutern, dringe
der Lichtſtrahl aus Luft in einen Glaskoͤrper DGE ein, ſo iſt faſt
genau, wenn man einen Kreis um A zieht, alſo AN = AL
nimmt, die ſenkrecht auf CH gezogene NO zwei Drittel der eben-
falls auf CH ſenkrechten LM, und dieſes Verhaͤltniß bleibt genau
gleich bei allen Einfallswinkeln. Hat man alſo eine Glas-Art,
bei welcher dieſes Brechungsverhaͤltniß genau ſtatt findet, ſo iſt es
ſehr leicht, fuͤr jeden einfallenden Strahl ba die Richtung des ge-
brochenen Strahles zu finden. Man errichtet naͤmlich in a, wo
der Strahl die Oberflaͤche trifft, das Einfallsloth cah, zieht um
a als Mittelpunct mit willkuͤrlichem Halbmeſſer einen Kreis, und
in demſelben von dem Puncte l, wo der einfallende Strahl ihn
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nun den Punct n deſſelben Kreiſes, deſſen ſenkrechter Abſtand von
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geht der gebrochene Strahl ag. Und was hier fuͤr das Brechungs-
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bei einem Glaſe, wo das Brechungsverhaͤltniß nicht 1:⅔, ſondern
1 zu 0,64 waͤre, allemal no 64 ſolche Theile, deren lm 100 ent-
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1831, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre02_1831/114>, abgerufen am 16.02.2025.
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