merkwürdige Umstand, daß man außerhalb des Wassers den Schall der Glocke nur in geringer Entfernung gut hörte, und daß schon in 700 bis 900 Fuß Entfernung der Schall der 2 Fuß hohen und weiten Glocke, die sich nur in geringer Tiefe unter dem Wasser befand, ganz unmerkbar wurde; tauchte man das Ohr in das Wasser, so hörte man den Schall, konnte aber dann wegen unbe- quemer Stellung keine genaue Beobachtung anstellen. Es ward daher eine unten dicht verschlossene Röhre von dünnem Blech, die dem antreffenden Schalle eine Fläche von beinahe 2 Quadratfuß darbot, in das Wasser eingetaucht, damit durch die an sie senkrecht antreffenden Vibrationen im Wasser, die Röhre und die Luft in ihr erschüttert werde; und mit diesem Horchrohre hörte das vor dem Rohre, außerhalb des Wassers, gehaltene Ohr den Schall der Glocke bis auf 43000 Fuß Entfernung. Da das Anschlagen des Hammers an die Glocke zugleich mit dem Entzünden einer Pulver- masse verbunden war, deren Blitz der mit dem Horchrohre versehene Beobachter wahrnahm, so konnte mit Hülfe eines Chronometers die Zeit, welche der Schall gebrauchte, sehr gut beobachtet werden, und die Beobachtungen gaben die Geschwindigkeit des Schalles im Wasser 4415 Fuß in 1 Secunde. -- Diese Zahl ist der theoreti- schen Bestimmung, die man aus dem Grade der Compressibilität des Wassers hergenommen hat, sehr nahe entsprechend; denn da das Wasser der Verdichtung reichlich 20000 mal so viel Kraft ent- gegensetzt, als die Luft, und doch nur 800 mal so dicht ist, als Luft, so ist die beschleunigende Kraft, mit welcher jedes Wassertheil- chen bei der Fortpflanzung des Schalles zur Bewegung angetrieben wird, ziemlich nahe 25 mal so groß, als in der Luft, welches eine fünfmal so große Geschwindigkeit giebt, als sie ohne die Correction, die wegen der Wärme-Entwicklung nothwendig wird, in der Luft sein würde, und dieses stimmt nahe genug mit jener Zahl überein.
Der merkwürdige Umstand, daß man den im Wasser erregten Schall außer dem Wasser nur dann hört, wenn das Ohr die unter einem ziemlich großen Winkel aus dem Wasser hervorgehenden Schallstrahlen empfängt, verdient noch eine besondre Erwähnung. Offenbar hat diese Erscheinung darin ihren Grund, daß die unter einem sehr kleinen Winkel an die Oberfläche des Wassers antreffen- den Vibrationen gar nicht mehr oder nur höchst geschwächt aus dem
merkwuͤrdige Umſtand, daß man außerhalb des Waſſers den Schall der Glocke nur in geringer Entfernung gut hoͤrte, und daß ſchon in 700 bis 900 Fuß Entfernung der Schall der 2 Fuß hohen und weiten Glocke, die ſich nur in geringer Tiefe unter dem Waſſer befand, ganz unmerkbar wurde; tauchte man das Ohr in das Waſſer, ſo hoͤrte man den Schall, konnte aber dann wegen unbe- quemer Stellung keine genaue Beobachtung anſtellen. Es ward daher eine unten dicht verſchloſſene Roͤhre von duͤnnem Blech, die dem antreffenden Schalle eine Flaͤche von beinahe 2 Quadratfuß darbot, in das Waſſer eingetaucht, damit durch die an ſie ſenkrecht antreffenden Vibrationen im Waſſer, die Roͤhre und die Luft in ihr erſchuͤttert werde; und mit dieſem Horchrohre hoͤrte das vor dem Rohre, außerhalb des Waſſers, gehaltene Ohr den Schall der Glocke bis auf 43000 Fuß Entfernung. Da das Anſchlagen des Hammers an die Glocke zugleich mit dem Entzuͤnden einer Pulver- maſſe verbunden war, deren Blitz der mit dem Horchrohre verſehene Beobachter wahrnahm, ſo konnte mit Huͤlfe eines Chronometers die Zeit, welche der Schall gebrauchte, ſehr gut beobachtet werden, und die Beobachtungen gaben die Geſchwindigkeit des Schalles im Waſſer 4415 Fuß in 1 Secunde. — Dieſe Zahl iſt der theoreti- ſchen Beſtimmung, die man aus dem Grade der Compreſſibilitaͤt des Waſſers hergenommen hat, ſehr nahe entſprechend; denn da das Waſſer der Verdichtung reichlich 20000 mal ſo viel Kraft ent- gegenſetzt, als die Luft, und doch nur 800 mal ſo dicht iſt, als Luft, ſo iſt die beſchleunigende Kraft, mit welcher jedes Waſſertheil- chen bei der Fortpflanzung des Schalles zur Bewegung angetrieben wird, ziemlich nahe 25 mal ſo groß, als in der Luft, welches eine fuͤnfmal ſo große Geſchwindigkeit giebt, als ſie ohne die Correction, die wegen der Waͤrme-Entwicklung nothwendig wird, in der Luft ſein wuͤrde, und dieſes ſtimmt nahe genug mit jener Zahl uͤberein.
Der merkwuͤrdige Umſtand, daß man den im Waſſer erregten Schall außer dem Waſſer nur dann hoͤrt, wenn das Ohr die unter einem ziemlich großen Winkel aus dem Waſſer hervorgehenden Schallſtrahlen empfaͤngt, verdient noch eine beſondre Erwaͤhnung. Offenbar hat dieſe Erſcheinung darin ihren Grund, daß die unter einem ſehr kleinen Winkel an die Oberflaͤche des Waſſers antreffen- den Vibrationen gar nicht mehr oder nur hoͤchſt geſchwaͤcht aus dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0368"n="346"/>
merkwuͤrdige Umſtand, daß man außerhalb des Waſſers den Schall<lb/>
der Glocke nur in geringer Entfernung gut hoͤrte, und daß ſchon<lb/>
in 700 bis 900 Fuß Entfernung der Schall der 2 Fuß hohen und<lb/>
weiten Glocke, die ſich nur in geringer Tiefe unter dem Waſſer<lb/>
befand, ganz unmerkbar wurde; tauchte man das Ohr in das<lb/>
Waſſer, ſo hoͤrte man den Schall, konnte aber dann wegen unbe-<lb/>
quemer Stellung keine genaue Beobachtung anſtellen. Es ward<lb/>
daher eine unten dicht verſchloſſene Roͤhre von duͤnnem Blech, die<lb/>
dem antreffenden Schalle eine Flaͤche von beinahe 2 Quadratfuß<lb/>
darbot, in das Waſſer eingetaucht, damit durch die an ſie ſenkrecht<lb/>
antreffenden Vibrationen im Waſſer, die Roͤhre und die Luft in<lb/>
ihr erſchuͤttert werde; und mit dieſem Horchrohre hoͤrte das vor<lb/>
dem Rohre, außerhalb des Waſſers, gehaltene Ohr den Schall der<lb/>
Glocke bis auf 43000 Fuß Entfernung. Da das Anſchlagen des<lb/>
Hammers an die Glocke zugleich mit dem Entzuͤnden einer Pulver-<lb/>
maſſe verbunden war, deren Blitz der mit dem Horchrohre verſehene<lb/>
Beobachter wahrnahm, ſo konnte mit Huͤlfe eines Chronometers<lb/>
die Zeit, welche der Schall gebrauchte, ſehr gut beobachtet werden,<lb/>
und die Beobachtungen gaben die Geſchwindigkeit des Schalles im<lb/>
Waſſer 4415 Fuß in 1 Secunde. — Dieſe Zahl iſt der theoreti-<lb/>ſchen Beſtimmung, die man aus dem Grade der Compreſſibilitaͤt<lb/>
des Waſſers hergenommen hat, ſehr nahe entſprechend; denn da<lb/>
das Waſſer der Verdichtung reichlich 20000 mal ſo viel Kraft ent-<lb/>
gegenſetzt, als die Luft, und doch nur 800 mal ſo dicht iſt, als<lb/>
Luft, ſo iſt die beſchleunigende Kraft, mit welcher jedes Waſſertheil-<lb/>
chen bei der Fortpflanzung des Schalles zur Bewegung angetrieben<lb/>
wird, ziemlich nahe 25 mal ſo groß, als in der Luft, welches eine<lb/>
fuͤnfmal ſo große Geſchwindigkeit giebt, als ſie ohne die Correction,<lb/>
die wegen der Waͤrme-Entwicklung nothwendig wird, in der Luft<lb/>ſein wuͤrde, und dieſes ſtimmt nahe genug mit jener Zahl uͤberein.</p><lb/><p>Der merkwuͤrdige Umſtand, daß man den im Waſſer erregten<lb/>
Schall außer dem Waſſer nur dann hoͤrt, wenn das Ohr die unter<lb/>
einem ziemlich großen Winkel aus dem Waſſer hervorgehenden<lb/>
Schallſtrahlen empfaͤngt, verdient noch eine beſondre Erwaͤhnung.<lb/>
Offenbar hat dieſe Erſcheinung darin ihren Grund, daß die unter<lb/>
einem ſehr kleinen Winkel an die Oberflaͤche des Waſſers antreffen-<lb/>
den Vibrationen gar nicht mehr oder nur hoͤchſt geſchwaͤcht aus dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[346/0368]
merkwuͤrdige Umſtand, daß man außerhalb des Waſſers den Schall
der Glocke nur in geringer Entfernung gut hoͤrte, und daß ſchon
in 700 bis 900 Fuß Entfernung der Schall der 2 Fuß hohen und
weiten Glocke, die ſich nur in geringer Tiefe unter dem Waſſer
befand, ganz unmerkbar wurde; tauchte man das Ohr in das
Waſſer, ſo hoͤrte man den Schall, konnte aber dann wegen unbe-
quemer Stellung keine genaue Beobachtung anſtellen. Es ward
daher eine unten dicht verſchloſſene Roͤhre von duͤnnem Blech, die
dem antreffenden Schalle eine Flaͤche von beinahe 2 Quadratfuß
darbot, in das Waſſer eingetaucht, damit durch die an ſie ſenkrecht
antreffenden Vibrationen im Waſſer, die Roͤhre und die Luft in
ihr erſchuͤttert werde; und mit dieſem Horchrohre hoͤrte das vor
dem Rohre, außerhalb des Waſſers, gehaltene Ohr den Schall der
Glocke bis auf 43000 Fuß Entfernung. Da das Anſchlagen des
Hammers an die Glocke zugleich mit dem Entzuͤnden einer Pulver-
maſſe verbunden war, deren Blitz der mit dem Horchrohre verſehene
Beobachter wahrnahm, ſo konnte mit Huͤlfe eines Chronometers
die Zeit, welche der Schall gebrauchte, ſehr gut beobachtet werden,
und die Beobachtungen gaben die Geſchwindigkeit des Schalles im
Waſſer 4415 Fuß in 1 Secunde. — Dieſe Zahl iſt der theoreti-
ſchen Beſtimmung, die man aus dem Grade der Compreſſibilitaͤt
des Waſſers hergenommen hat, ſehr nahe entſprechend; denn da
das Waſſer der Verdichtung reichlich 20000 mal ſo viel Kraft ent-
gegenſetzt, als die Luft, und doch nur 800 mal ſo dicht iſt, als
Luft, ſo iſt die beſchleunigende Kraft, mit welcher jedes Waſſertheil-
chen bei der Fortpflanzung des Schalles zur Bewegung angetrieben
wird, ziemlich nahe 25 mal ſo groß, als in der Luft, welches eine
fuͤnfmal ſo große Geſchwindigkeit giebt, als ſie ohne die Correction,
die wegen der Waͤrme-Entwicklung nothwendig wird, in der Luft
ſein wuͤrde, und dieſes ſtimmt nahe genug mit jener Zahl uͤberein.
Der merkwuͤrdige Umſtand, daß man den im Waſſer erregten
Schall außer dem Waſſer nur dann hoͤrt, wenn das Ohr die unter
einem ziemlich großen Winkel aus dem Waſſer hervorgehenden
Schallſtrahlen empfaͤngt, verdient noch eine beſondre Erwaͤhnung.
Offenbar hat dieſe Erſcheinung darin ihren Grund, daß die unter
einem ſehr kleinen Winkel an die Oberflaͤche des Waſſers antreffen-
den Vibrationen gar nicht mehr oder nur hoͤchſt geſchwaͤcht aus dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/368>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.