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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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den Rand mit dem Violinbogen streicht, so sieht man gewöhnlich
an vier Stellen das Wasser aufspritzen, an den Stellen dagegen,
die 45° und 135° von dem gestrichnen Puncte ab liegen, ist es
ruhig; an den vier Stellen, wo das Wasser ruhig bleibt, kann man
den Finger an das Glas legen, ohne das Klingen zu hindern. Hält
man an andern schicklich gewählten Stellen des Randes den Finger,
so kann man die Anzahl jener ruhenden Stellen oder Schwingungs-
knoten auf 6 oder 8 bringen. Offenbar besteht also das durch den
Violinbogen hervorgebrachte Tönen darin, daß das kreisförmige
Gefäß sich in abwechselnde Formen wie abcdef, ghiklm
(Fig. 169.) biegt, und wenn diese Ausweichungen zu stark werden,
so zerbricht das Gefäß, welches man wirklich durch zu stark hervor-
gerufene Töne bewirken kann.

Alle hier erzählte Versuche lassen sich auf die mannigfaltigste
Weise abändern, und bieten reichen Stoff zu angenehmer Unterhal-
tung dar. Auf eine andre Art, Klangfiguren hervorzubringen,
komme ich in der Folge noch zurück.



Drei und zwanzigste Vorlesung.



Fortpflanzung des Schalles durch die Luft.

Zu ebenso merkwürdigen Untersuchungen, als die sind, welche
die Erregung der Töne durch feste Körper uns darbot, führt auch
die Betrachtung der Fortpflanzung des Schalles in der Luft; und
selbst eine ohne Rechnung durchgeführte Untersuchung lehrt uns
nicht bloß über die Bestimmung der Geschwindigkeit des Schalles,
über das Echo u. s. w. richtige Begriffe fassen, sondern giebt uns
auch die Erklärung für die Höhe und Tiefe der Töne, die bloß durch
Luftwellen in den Orgelpfeifen hervorgehen.

Daß der Schall eine Zeit gebraucht, um sich in der Luft fort-
zupflanzen, das wird uns zwar bei den Lauten oder Tönen, die in
unsrer Nähe erregt werden, nicht deutlich, indem ein, wenige Fuße
von unserm Ohre entstandener Schall in unmerklich kurzer Zeit zu
uns gelangt; aber wenn wir in einer Entfernung auch nur von

den Rand mit dem Violinbogen ſtreicht, ſo ſieht man gewoͤhnlich
an vier Stellen das Waſſer aufſpritzen, an den Stellen dagegen,
die 45° und 135° von dem geſtrichnen Puncte ab liegen, iſt es
ruhig; an den vier Stellen, wo das Waſſer ruhig bleibt, kann man
den Finger an das Glas legen, ohne das Klingen zu hindern. Haͤlt
man an andern ſchicklich gewaͤhlten Stellen des Randes den Finger,
ſo kann man die Anzahl jener ruhenden Stellen oder Schwingungs-
knoten auf 6 oder 8 bringen. Offenbar beſteht alſo das durch den
Violinbogen hervorgebrachte Toͤnen darin, daß das kreisfoͤrmige
Gefaͤß ſich in abwechſelnde Formen wie abcdef, ghiklm
(Fig. 169.) biegt, und wenn dieſe Ausweichungen zu ſtark werden,
ſo zerbricht das Gefaͤß, welches man wirklich durch zu ſtark hervor-
gerufene Toͤne bewirken kann.

Alle hier erzaͤhlte Verſuche laſſen ſich auf die mannigfaltigſte
Weiſe abaͤndern, und bieten reichen Stoff zu angenehmer Unterhal-
tung dar. Auf eine andre Art, Klangfiguren hervorzubringen,
komme ich in der Folge noch zuruͤck.



Drei und zwanzigſte Vorleſung.



Fortpflanzung des Schalles durch die Luft.

Zu ebenſo merkwuͤrdigen Unterſuchungen, als die ſind, welche
die Erregung der Toͤne durch feſte Koͤrper uns darbot, fuͤhrt auch
die Betrachtung der Fortpflanzung des Schalles in der Luft; und
ſelbſt eine ohne Rechnung durchgefuͤhrte Unterſuchung lehrt uns
nicht bloß uͤber die Beſtimmung der Geſchwindigkeit des Schalles,
uͤber das Echo u. ſ. w. richtige Begriffe faſſen, ſondern giebt uns
auch die Erklaͤrung fuͤr die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne, die bloß durch
Luftwellen in den Orgelpfeifen hervorgehen.

Daß der Schall eine Zeit gebraucht, um ſich in der Luft fort-
zupflanzen, das wird uns zwar bei den Lauten oder Toͤnen, die in
unſrer Naͤhe erregt werden, nicht deutlich, indem ein, wenige Fuße
von unſerm Ohre entſtandener Schall in unmerklich kurzer Zeit zu
uns gelangt; aber wenn wir in einer Entfernung auch nur von

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[322/0344] den Rand mit dem Violinbogen ſtreicht, ſo ſieht man gewoͤhnlich an vier Stellen das Waſſer aufſpritzen, an den Stellen dagegen, die 45° und 135° von dem geſtrichnen Puncte ab liegen, iſt es ruhig; an den vier Stellen, wo das Waſſer ruhig bleibt, kann man den Finger an das Glas legen, ohne das Klingen zu hindern. Haͤlt man an andern ſchicklich gewaͤhlten Stellen des Randes den Finger, ſo kann man die Anzahl jener ruhenden Stellen oder Schwingungs- knoten auf 6 oder 8 bringen. Offenbar beſteht alſo das durch den Violinbogen hervorgebrachte Toͤnen darin, daß das kreisfoͤrmige Gefaͤß ſich in abwechſelnde Formen wie abcdef, ghiklm (Fig. 169.) biegt, und wenn dieſe Ausweichungen zu ſtark werden, ſo zerbricht das Gefaͤß, welches man wirklich durch zu ſtark hervor- gerufene Toͤne bewirken kann. Alle hier erzaͤhlte Verſuche laſſen ſich auf die mannigfaltigſte Weiſe abaͤndern, und bieten reichen Stoff zu angenehmer Unterhal- tung dar. Auf eine andre Art, Klangfiguren hervorzubringen, komme ich in der Folge noch zuruͤck. Drei und zwanzigſte Vorleſung. Fortpflanzung des Schalles durch die Luft. Zu ebenſo merkwuͤrdigen Unterſuchungen, als die ſind, welche die Erregung der Toͤne durch feſte Koͤrper uns darbot, fuͤhrt auch die Betrachtung der Fortpflanzung des Schalles in der Luft; und ſelbſt eine ohne Rechnung durchgefuͤhrte Unterſuchung lehrt uns nicht bloß uͤber die Beſtimmung der Geſchwindigkeit des Schalles, uͤber das Echo u. ſ. w. richtige Begriffe faſſen, ſondern giebt uns auch die Erklaͤrung fuͤr die Hoͤhe und Tiefe der Toͤne, die bloß durch Luftwellen in den Orgelpfeifen hervorgehen. Daß der Schall eine Zeit gebraucht, um ſich in der Luft fort- zupflanzen, das wird uns zwar bei den Lauten oder Toͤnen, die in unſrer Naͤhe erregt werden, nicht deutlich, indem ein, wenige Fuße von unſerm Ohre entſtandener Schall in unmerklich kurzer Zeit zu uns gelangt; aber wenn wir in einer Entfernung auch nur von

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/344>, abgerufen am 21.11.2024.