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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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Bei der in der Mitte festgehaltenen Kreisscheibe zeigt sich,
wenn die Scheibe ihren tiefsten Ton giebt, ein Kreutz, zwei sich
rechtwinklich durchschneidende Durchmesser, als Knotenlinien. Diese
Durchmesser schneiden 45 Grad von dem Puncte, wo gestrichen
wird, ein.

Will man den zweiten Ton haben, der eine Octave und einen
ganzen Ton höher ist, so muß man 30 Grade von dem in Vibration
gesetzten Umfangspuncte mit dem Finger leise berühren; dann ent-
steht ein, aus drei Durchmessern gebildeter sechsstrahliger Stern.
Der achtstrahlige Stern entspricht einem Tone 2 Octaven höher
als der Grundton; der zehnstrahlige gehört zu einem noch um eine
kleine Sexte höhern Tone. Aber die beiden letzten, die so aussehen
sollten, wie die punctirten Linien in Fig. 167 und 168. zeigen, er-
geben sich oft so wie die ausgezognen Linien, so daß hier schon eine
nicht mehr regelmäßig fortgepflanzte Schwingung statt findet.

Diese vielstrahligen Sterne kann man auf großen Kreisplatten
so erhalten, daß die Sterne bis gegen dreißig Spitzen bekommen,
und diese stellt man dar, wenn man einen feinen Punct des Ran-
des, wenige Grade von dem gestrichenen Puncte, mit dem Finger
berührt. Die Kreisscheibe bietet eine zweite Reihe merkwürdiger
Figuren dar, nämlich Kreise mit und ohne durchkreutzende Durch-
messer. Unterstützt man die Platte in einem vom Mittelpuncte
entfernten Puncte und streicht am Ende eben des Halbmessers, in
welchem jener Punct liegt, so kann ein Kreis entstehen; indeß ist
nicht jeder Abstand des festgehaltenen Punctes vom Rande geeignet
um einen solchen Kreis zu geben. Nach Chladni entsteht der
Kreis bei einem Tone, der nur um eine kleine Sexte höher ist, als
der Grundton. Zwei concentrische Kreise sind schwer zu erhalten;
man muß an dazu geeigneten Puncten eines und desselben Radius
die Platte festhalten, und am Ende des Radius streichen; jene fest-
gehaltnen oder leise berührten Puncte müssen in möglichst geringer
Ausdehnung angehalten werden. Der äußere Kreis erhält leichte
Biegungen, so daß er, wenn die Platte recht regelmäßig ist, aus
einwärts und auswärts gebognen Stücken, als eine im Kreise zu-
sammengekrümmte Wellenlinie erscheint.

Den einfachen Kreis mit einem Durchmesser erhält man
leicht, wenn man die Scheibe zwischen zwei Fingern an beiden Enden

Bei der in der Mitte feſtgehaltenen Kreisſcheibe zeigt ſich,
wenn die Scheibe ihren tiefſten Ton giebt, ein Kreutz, zwei ſich
rechtwinklich durchſchneidende Durchmeſſer, als Knotenlinien. Dieſe
Durchmeſſer ſchneiden 45 Grad von dem Puncte, wo geſtrichen
wird, ein.

Will man den zweiten Ton haben, der eine Octave und einen
ganzen Ton hoͤher iſt, ſo muß man 30 Grade von dem in Vibration
geſetzten Umfangspuncte mit dem Finger leiſe beruͤhren; dann ent-
ſteht ein, aus drei Durchmeſſern gebildeter ſechsſtrahliger Stern.
Der achtſtrahlige Stern entſpricht einem Tone 2 Octaven hoͤher
als der Grundton; der zehnſtrahlige gehoͤrt zu einem noch um eine
kleine Sexte hoͤhern Tone. Aber die beiden letzten, die ſo ausſehen
ſollten, wie die punctirten Linien in Fig. 167 und 168. zeigen, er-
geben ſich oft ſo wie die ausgezognen Linien, ſo daß hier ſchon eine
nicht mehr regelmaͤßig fortgepflanzte Schwingung ſtatt findet.

Dieſe vielſtrahligen Sterne kann man auf großen Kreisplatten
ſo erhalten, daß die Sterne bis gegen dreißig Spitzen bekommen,
und dieſe ſtellt man dar, wenn man einen feinen Punct des Ran-
des, wenige Grade von dem geſtrichenen Puncte, mit dem Finger
beruͤhrt. Die Kreisſcheibe bietet eine zweite Reihe merkwuͤrdiger
Figuren dar, naͤmlich Kreiſe mit und ohne durchkreutzende Durch-
meſſer. Unterſtuͤtzt man die Platte in einem vom Mittelpuncte
entfernten Puncte und ſtreicht am Ende eben des Halbmeſſers, in
welchem jener Punct liegt, ſo kann ein Kreis entſtehen; indeß iſt
nicht jeder Abſtand des feſtgehaltenen Punctes vom Rande geeignet
um einen ſolchen Kreis zu geben. Nach Chladni entſteht der
Kreis bei einem Tone, der nur um eine kleine Sexte hoͤher iſt, als
der Grundton. Zwei concentriſche Kreiſe ſind ſchwer zu erhalten;
man muß an dazu geeigneten Puncten eines und deſſelben Radius
die Platte feſthalten, und am Ende des Radius ſtreichen; jene feſt-
gehaltnen oder leiſe beruͤhrten Puncte muͤſſen in moͤglichſt geringer
Ausdehnung angehalten werden. Der aͤußere Kreis erhaͤlt leichte
Biegungen, ſo daß er, wenn die Platte recht regelmaͤßig iſt, aus
einwaͤrts und auswaͤrts gebognen Stuͤcken, als eine im Kreiſe zu-
ſammengekruͤmmte Wellenlinie erſcheint.

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[320/0342] Bei der in der Mitte feſtgehaltenen Kreisſcheibe zeigt ſich, wenn die Scheibe ihren tiefſten Ton giebt, ein Kreutz, zwei ſich rechtwinklich durchſchneidende Durchmeſſer, als Knotenlinien. Dieſe Durchmeſſer ſchneiden 45 Grad von dem Puncte, wo geſtrichen wird, ein. Will man den zweiten Ton haben, der eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher iſt, ſo muß man 30 Grade von dem in Vibration geſetzten Umfangspuncte mit dem Finger leiſe beruͤhren; dann ent- ſteht ein, aus drei Durchmeſſern gebildeter ſechsſtrahliger Stern. Der achtſtrahlige Stern entſpricht einem Tone 2 Octaven hoͤher als der Grundton; der zehnſtrahlige gehoͤrt zu einem noch um eine kleine Sexte hoͤhern Tone. Aber die beiden letzten, die ſo ausſehen ſollten, wie die punctirten Linien in Fig. 167 und 168. zeigen, er- geben ſich oft ſo wie die ausgezognen Linien, ſo daß hier ſchon eine nicht mehr regelmaͤßig fortgepflanzte Schwingung ſtatt findet. Dieſe vielſtrahligen Sterne kann man auf großen Kreisplatten ſo erhalten, daß die Sterne bis gegen dreißig Spitzen bekommen, und dieſe ſtellt man dar, wenn man einen feinen Punct des Ran- des, wenige Grade von dem geſtrichenen Puncte, mit dem Finger beruͤhrt. Die Kreisſcheibe bietet eine zweite Reihe merkwuͤrdiger Figuren dar, naͤmlich Kreiſe mit und ohne durchkreutzende Durch- meſſer. Unterſtuͤtzt man die Platte in einem vom Mittelpuncte entfernten Puncte und ſtreicht am Ende eben des Halbmeſſers, in welchem jener Punct liegt, ſo kann ein Kreis entſtehen; indeß iſt nicht jeder Abſtand des feſtgehaltenen Punctes vom Rande geeignet um einen ſolchen Kreis zu geben. Nach Chladni entſteht der Kreis bei einem Tone, der nur um eine kleine Sexte hoͤher iſt, als der Grundton. Zwei concentriſche Kreiſe ſind ſchwer zu erhalten; man muß an dazu geeigneten Puncten eines und deſſelben Radius die Platte feſthalten, und am Ende des Radius ſtreichen; jene feſt- gehaltnen oder leiſe beruͤhrten Puncte muͤſſen in moͤglichſt geringer Ausdehnung angehalten werden. Der aͤußere Kreis erhaͤlt leichte Biegungen, ſo daß er, wenn die Platte recht regelmaͤßig iſt, aus einwaͤrts und auswaͤrts gebognen Stuͤcken, als eine im Kreiſe zu- ſammengekruͤmmte Wellenlinie erſcheint. Den einfachen Kreis mit einem Durchmeſſer erhaͤlt man leicht, wenn man die Scheibe zwiſchen zwei Fingern an beiden Enden

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/342>, abgerufen am 24.11.2024.