ungleichförmiger Beschaffenheit der Platten kann man es nicht be- wirken, daß die Figuren die vollkommene Symmetrie erhalten, die sie erhalten sollten, und eine vollkommene Gleichheit in allen Thei- len der Platte scheint nach Savart's Versuchen nie völlig statt zu finden und deshalb die einfache Form der Klangfiguren an gewissen Stellen und in gewissen Richtungen reiner, in andern Richtungen minder schön hervorzugehen. Savart sucht den Grund hiefür in einem crystallinischen Gefüge der Körper, welches nach gewissen Richtungen, selbst in der schönsten Kreisscheibe, eine andre Anord- nung der Vibrationen bewirkt, als in andern Richtungen.
Wie die einzelnen Theile der Scheibe sich bei den Vibrationen bewegen, das läßt sich wohl übersehen. Offenbar muß, wenn ab (Fig. 155.) eine ziemlich lange rechtwinkliche Scheibe ist, die bei e gestrichen, die Knotenlinien ab, de, fg zeigt, der Theil dhif eine hinabgehende Vibration machen, indem ehig eine hinaufge- hende Vibration macht, und ebenso müssen die Theileakeh, gibn, gleichzeitige hinabgehende Vibrationen machen, während der hinauf- gehenden Vibrationen des Theiles chig. Es erhellt hiernach, daß jeder hinaufwärts vibrirende Theil grade neben sich hinabwärts vi- brirende Theile, nach den Eckrichtungen aber hinaufwärts vibrirende Theile fordert, und daß zum Beispiel bei derjenigen Schwingung der Quadratscheibe, bei welcher die Knotenlinien, welche Fig. 156. zeigt, entstehen, die Theile so vibriren, daß die mit + bezeichneten Theile die eine, die mit - bezeichneten die andre Richtung gleichzeitig befolgen. Indem aber so die an einander liegenden vier Stücke eine in jeder Secunde mehrere hundertmal wechselnde Stellung annehmen müssen, so läßt sich auch wohl einsehen, daß dieses nicht so geome- trisch strenge begrenzt geschehen kann, wie die Zeichnung es fordert, sondern daß um jeden Durchschnittspunct der Knotenlinien ein ge- wisser Raum unerschüttert bleiben, dadurch aber die Form der Li- nien oft ins bogenförmige übergehen, und an Einfachheit verlieren wird.
Daß den tiefern Tönen eine Eintheilung der Scheibe in weni- gere Theile entsprechen wird, und daß man bei höhern Tönen eine mehr zusammengesetzte Klangfigur zu erwarten Grund hat, läßt sich aus den höhern Tönen der in mehr Abtheilungen zerlegten Saiten auch wohl voraussehen; aber nach welchem Gesetze hier die Zahl
ungleichfoͤrmiger Beſchaffenheit der Platten kann man es nicht be- wirken, daß die Figuren die vollkommene Symmetrie erhalten, die ſie erhalten ſollten, und eine vollkommene Gleichheit in allen Thei- len der Platte ſcheint nach Savart's Verſuchen nie voͤllig ſtatt zu finden und deshalb die einfache Form der Klangfiguren an gewiſſen Stellen und in gewiſſen Richtungen reiner, in andern Richtungen minder ſchoͤn hervorzugehen. Savart ſucht den Grund hiefuͤr in einem cryſtalliniſchen Gefuͤge der Koͤrper, welches nach gewiſſen Richtungen, ſelbſt in der ſchoͤnſten Kreisſcheibe, eine andre Anord- nung der Vibrationen bewirkt, als in andern Richtungen.
Wie die einzelnen Theile der Scheibe ſich bei den Vibrationen bewegen, das laͤßt ſich wohl uͤberſehen. Offenbar muß, wenn ab (Fig. 155.) eine ziemlich lange rechtwinkliche Scheibe iſt, die bei e geſtrichen, die Knotenlinien ab, de, fg zeigt, der Theil dhif eine hinabgehende Vibration machen, indem ehig eine hinaufge- hende Vibration macht, und ebenſo muͤſſen die Theileakeh, gibn, gleichzeitige hinabgehende Vibrationen machen, waͤhrend der hinauf- gehenden Vibrationen des Theiles chig. Es erhellt hiernach, daß jeder hinaufwaͤrts vibrirende Theil grade neben ſich hinabwaͤrts vi- brirende Theile, nach den Eckrichtungen aber hinaufwaͤrts vibrirende Theile fordert, und daß zum Beiſpiel bei derjenigen Schwingung der Quadratſcheibe, bei welcher die Knotenlinien, welche Fig. 156. zeigt, entſtehen, die Theile ſo vibriren, daß die mit + bezeichneten Theile die eine, die mit - bezeichneten die andre Richtung gleichzeitig befolgen. Indem aber ſo die an einander liegenden vier Stuͤcke eine in jeder Secunde mehrere hundertmal wechſelnde Stellung annehmen muͤſſen, ſo laͤßt ſich auch wohl einſehen, daß dieſes nicht ſo geome- triſch ſtrenge begrenzt geſchehen kann, wie die Zeichnung es fordert, ſondern daß um jeden Durchſchnittspunct der Knotenlinien ein ge- wiſſer Raum unerſchuͤttert bleiben, dadurch aber die Form der Li- nien oft ins bogenfoͤrmige uͤbergehen, und an Einfachheit verlieren wird.
Daß den tiefern Toͤnen eine Eintheilung der Scheibe in weni- gere Theile entſprechen wird, und daß man bei hoͤhern Toͤnen eine mehr zuſammengeſetzte Klangfigur zu erwarten Grund hat, laͤßt ſich aus den hoͤhern Toͤnen der in mehr Abtheilungen zerlegten Saiten auch wohl vorausſehen; aber nach welchem Geſetze hier die Zahl
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ungleichfoͤrmiger Beſchaffenheit der Platten kann man es nicht be-
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ſie erhalten ſollten, und eine vollkommene Gleichheit in allen Thei-
len der Platte ſcheint nach Savart's Verſuchen nie voͤllig ſtatt zu
finden und deshalb die einfache Form der Klangfiguren an gewiſſen
Stellen und in gewiſſen Richtungen reiner, in andern Richtungen
minder ſchoͤn hervorzugehen. Savart ſucht den Grund hiefuͤr
in einem cryſtalliniſchen Gefuͤge der Koͤrper, welches nach gewiſſen
Richtungen, ſelbſt in der ſchoͤnſten Kreisſcheibe, eine andre Anord-
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Wie die einzelnen Theile der Scheibe ſich bei den Vibrationen
bewegen, das laͤßt ſich wohl uͤberſehen. Offenbar muß, wenn ab
(Fig. 155.) eine ziemlich lange rechtwinkliche Scheibe iſt, die bei e
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gleichzeitige hinabgehende Vibrationen machen, waͤhrend der hinauf-
gehenden Vibrationen des Theiles chig. Es erhellt hiernach, daß
jeder hinaufwaͤrts vibrirende Theil grade neben ſich hinabwaͤrts vi-
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Theile fordert, und daß zum Beiſpiel bei derjenigen Schwingung
der Quadratſcheibe, bei welcher die Knotenlinien, welche Fig. 156.
zeigt, entſtehen, die Theile ſo vibriren, daß die mit + bezeichneten
Theile die eine, die mit - bezeichneten die andre Richtung gleichzeitig
befolgen. Indem aber ſo die an einander liegenden vier Stuͤcke eine
in jeder Secunde mehrere hundertmal wechſelnde Stellung annehmen
muͤſſen, ſo laͤßt ſich auch wohl einſehen, daß dieſes nicht ſo geome-
triſch ſtrenge begrenzt geſchehen kann, wie die Zeichnung es fordert,
ſondern daß um jeden Durchſchnittspunct der Knotenlinien ein ge-
wiſſer Raum unerſchuͤttert bleiben, dadurch aber die Form der Li-
nien oft ins bogenfoͤrmige uͤbergehen, und an Einfachheit verlieren
wird.
Daß den tiefern Toͤnen eine Eintheilung der Scheibe in weni-
gere Theile entſprechen wird, und daß man bei hoͤhern Toͤnen eine
mehr zuſammengeſetzte Klangfigur zu erwarten Grund hat, laͤßt ſich
aus den hoͤhern Toͤnen der in mehr Abtheilungen zerlegten Saiten
auch wohl vorausſehen; aber nach welchem Geſetze hier die Zahl
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/338>, abgerufen am 16.07.2024.
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