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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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geringe Vermehrung der Quantität den Ton schon merklich tiefer.
Der Grund hievon ist offenbar der, daß mehr Massentheile in Be-
wegung gesetzt werden müssen, und deshalb die Vibrationen nicht
die ganze Schnelligkeit mehr erreichen. Füllt man das Glas mit
Quecksilber, so ist es nicht zum Tönen zu bringen; aber auch eine
minder schwere Flüssigkeit, Bier zum Beispiel, hindert das Tönen,
theils weil es nicht so vollkommen flüssig, theils weil es wegen der
aufsteigenden Bläschen nicht ganz gleichartig ist *).

Das Tönen der Glocken, dessen genauere Gesetze fast ganz un-
bekannt sind, muß sich nach ähnlichen Gesetzen richten, und eine
Glocke von dickerer Masse muß also offenbar tiefere Töne geben.
Uebrigens hört man bei der Glocke ein Zusammenklingen mehrerer
Töne, über deren Entstehen das Vibriren ebener Scheiben einigen
Aufschluß giebt.

So wenig es uns nämlich auch möglich ist, selbst für ebne
Scheiben, und selbst für Scheiben von der einfachsten Form, die
Gesetze, wie sie vibriren, vollständig anzugeben, so bietet uns doch
Chladni's Entdeckung, daß man die Verschiedenheit der Schwin-
gungen an Scheiben dem Auge sichtbar machen kann, ein wichtiges
Mittel zur Belehrung dar. Nach Chladni's Vorschrift nämlich
macht man die Schwingungsknoten einer ebenen Glasscheibe oder
Metallscheibe dadurch kenntlich, daß man etwas Sand auf sie
streuet, und sie dann, zwischen den Fingern in einem Puncte fest-
gehalten, mit einem Violinbogen senkrecht streicht, um Töne her-
vorzubringen. Der Sand legt sich, während so die Scheibe tönt,
in bestimmte Linien, und bleibt in dieser Lage, so oft man durch
gleiches Streichen denselben Ton hervorbringt, sobald aber ein
andrer Ton hervorgeht, legt er sich in andere Linien, und zeigt, daß
mit der Aenderung des Tones auch die Anordnung der Schwin-
gungsknoten eine andre geworden sei, so wie dies bei Saiten der
Fall war, wo wir die Schwingungsknoten dadurch kenntlich mach-

*) Daß das Aufsteigen der Blasen den Klang hindert, davon kann
man sich so überzeugen. Man thue Wasser in ein gut klingendes Glas
und lege auf den Boden ein Stückchen Kreide; gießt man nun Schwe-
felsäure zu und schlägt im ersten Augenblicke, wo recht viele Bläschen
sich entwickeln, an, so ist der Klang schlecht, nachher ist er wieder besser.

geringe Vermehrung der Quantitaͤt den Ton ſchon merklich tiefer.
Der Grund hievon iſt offenbar der, daß mehr Maſſentheile in Be-
wegung geſetzt werden muͤſſen, und deshalb die Vibrationen nicht
die ganze Schnelligkeit mehr erreichen. Fuͤllt man das Glas mit
Queckſilber, ſo iſt es nicht zum Toͤnen zu bringen; aber auch eine
minder ſchwere Fluͤſſigkeit, Bier zum Beiſpiel, hindert das Toͤnen,
theils weil es nicht ſo vollkommen fluͤſſig, theils weil es wegen der
aufſteigenden Blaͤschen nicht ganz gleichartig iſt *).

Das Toͤnen der Glocken, deſſen genauere Geſetze faſt ganz un-
bekannt ſind, muß ſich nach aͤhnlichen Geſetzen richten, und eine
Glocke von dickerer Maſſe muß alſo offenbar tiefere Toͤne geben.
Uebrigens hoͤrt man bei der Glocke ein Zuſammenklingen mehrerer
Toͤne, uͤber deren Entſtehen das Vibriren ebener Scheiben einigen
Aufſchluß giebt.

So wenig es uns naͤmlich auch moͤglich iſt, ſelbſt fuͤr ebne
Scheiben, und ſelbſt fuͤr Scheiben von der einfachſten Form, die
Geſetze, wie ſie vibriren, vollſtaͤndig anzugeben, ſo bietet uns doch
Chladni's Entdeckung, daß man die Verſchiedenheit der Schwin-
gungen an Scheiben dem Auge ſichtbar machen kann, ein wichtiges
Mittel zur Belehrung dar. Nach Chladni's Vorſchrift naͤmlich
macht man die Schwingungsknoten einer ebenen Glasſcheibe oder
Metallſcheibe dadurch kenntlich, daß man etwas Sand auf ſie
ſtreuet, und ſie dann, zwiſchen den Fingern in einem Puncte feſt-
gehalten, mit einem Violinbogen ſenkrecht ſtreicht, um Toͤne her-
vorzubringen. Der Sand legt ſich, waͤhrend ſo die Scheibe toͤnt,
in beſtimmte Linien, und bleibt in dieſer Lage, ſo oft man durch
gleiches Streichen denſelben Ton hervorbringt, ſobald aber ein
andrer Ton hervorgeht, legt er ſich in andere Linien, und zeigt, daß
mit der Aenderung des Tones auch die Anordnung der Schwin-
gungsknoten eine andre geworden ſei, ſo wie dies bei Saiten der
Fall war, wo wir die Schwingungsknoten dadurch kenntlich mach-

*) Daß das Aufſteigen der Blaſen den Klang hindert, davon kann
man ſich ſo uͤberzeugen. Man thue Waſſer in ein gut klingendes Glas
und lege auf den Boden ein Stuͤckchen Kreide; gießt man nun Schwe-
felſaͤure zu und ſchlaͤgt im erſten Augenblicke, wo recht viele Blaͤschen
ſich entwickeln, an, ſo iſt der Klang ſchlecht, nachher iſt er wieder beſſer.
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[314/0336] geringe Vermehrung der Quantitaͤt den Ton ſchon merklich tiefer. Der Grund hievon iſt offenbar der, daß mehr Maſſentheile in Be- wegung geſetzt werden muͤſſen, und deshalb die Vibrationen nicht die ganze Schnelligkeit mehr erreichen. Fuͤllt man das Glas mit Queckſilber, ſo iſt es nicht zum Toͤnen zu bringen; aber auch eine minder ſchwere Fluͤſſigkeit, Bier zum Beiſpiel, hindert das Toͤnen, theils weil es nicht ſo vollkommen fluͤſſig, theils weil es wegen der aufſteigenden Blaͤschen nicht ganz gleichartig iſt *). Das Toͤnen der Glocken, deſſen genauere Geſetze faſt ganz un- bekannt ſind, muß ſich nach aͤhnlichen Geſetzen richten, und eine Glocke von dickerer Maſſe muß alſo offenbar tiefere Toͤne geben. Uebrigens hoͤrt man bei der Glocke ein Zuſammenklingen mehrerer Toͤne, uͤber deren Entſtehen das Vibriren ebener Scheiben einigen Aufſchluß giebt. So wenig es uns naͤmlich auch moͤglich iſt, ſelbſt fuͤr ebne Scheiben, und ſelbſt fuͤr Scheiben von der einfachſten Form, die Geſetze, wie ſie vibriren, vollſtaͤndig anzugeben, ſo bietet uns doch Chladni's Entdeckung, daß man die Verſchiedenheit der Schwin- gungen an Scheiben dem Auge ſichtbar machen kann, ein wichtiges Mittel zur Belehrung dar. Nach Chladni's Vorſchrift naͤmlich macht man die Schwingungsknoten einer ebenen Glasſcheibe oder Metallſcheibe dadurch kenntlich, daß man etwas Sand auf ſie ſtreuet, und ſie dann, zwiſchen den Fingern in einem Puncte feſt- gehalten, mit einem Violinbogen ſenkrecht ſtreicht, um Toͤne her- vorzubringen. Der Sand legt ſich, waͤhrend ſo die Scheibe toͤnt, in beſtimmte Linien, und bleibt in dieſer Lage, ſo oft man durch gleiches Streichen denſelben Ton hervorbringt, ſobald aber ein andrer Ton hervorgeht, legt er ſich in andere Linien, und zeigt, daß mit der Aenderung des Tones auch die Anordnung der Schwin- gungsknoten eine andre geworden ſei, ſo wie dies bei Saiten der Fall war, wo wir die Schwingungsknoten dadurch kenntlich mach- *) Daß das Aufſteigen der Blaſen den Klang hindert, davon kann man ſich ſo uͤberzeugen. Man thue Waſſer in ein gut klingendes Glas und lege auf den Boden ein Stuͤckchen Kreide; gießt man nun Schwe- felſaͤure zu und ſchlaͤgt im erſten Augenblicke, wo recht viele Blaͤschen ſich entwickeln, an, ſo iſt der Klang ſchlecht, nachher iſt er wieder beſſer.

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/336>, abgerufen am 24.11.2024.