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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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ist doch auch diese Kunst einer wissenschaftlichen Betrachtung werth,
und kann zu nützlichen Anwendungen führen. Der Fallschirm,
dessen sich die Luftschiffer bedienen, ist so eingerichtet, daß er zwar
zuerst zusammengefaltet wenig Raum einnimmt, aber beim Fallen
sich ausbreitet, und dann, gleich einem ausgespannten Regenschirme,
über dem herabfallenden Luftschiffer schwebt, wobei er durch den
Widerstand, welchen er in der Luft findet, das zu schnelle Herab-
stürzen hindert. Wenn Sie sich an die Berechnungen erinnern, die
wir früher schon über den Widerstand der Luft angestellt haben, so
werden Sie leicht die Mittel übersehen, die sich uns hier darbieten,
um, bei gegebner Größe des Fallschirms und gegebner Schwere der
Belastung, die Geschwindigkeit zu finden, welche höchstens der in
der Luft fallende Körper erlangen kann. Wenn ein Fallschirm von
15 pariser Fuß Durchmesser, dessen Fläche also etwas über 170 Qua-
dratfuß beträgt, mit einer Geschwindigkeit von 20 Fuß in der Se-
cunde herabfällt, so ist der Widerstand, den er leidet, gleich dem
Gewichte einer Luftsäule von 170 Quadratfuß Querschnitt und
13 Fuß Höhe, weil nämlich zu 20 Fuß Geschwindigkeit eine Fall-
höhe von 61/2 Fuß gehört; eine solche Luftsäule aber wiegt gegen
200 Pfund, und wenn das ganze Gewicht des Fallschirms und des
herabfallenden Menschen nahe an 200 Pfund betrüge, so würde die
größte erlangte Geschwindigkeit nur 20 Fuß betragen. Um zu
schätzen, wie stark der Stoß sein möchte, mit welchem wir, bei so
schneller Bewegung, auf die Erde aufträfen, haben wir nur nöthig,
zu bedenken, daß ein Sprung von 61/2 Fuß Höhe uns im luftleeren
Raume eine Geschwindigkeit von 20 Fuß erlangen läßt, und daß
wir einen solchen Sprung ohne großes Bedenken wagen würden.

Diese Betrachtung kann in einer sehr wichtigen Beziehung
nützlich werden. Der Fall ist nicht so sehr selten, wo bei Feuers-
brünsten Menschen genöthigt sind, sich von erheblicher Höhe herab-
zustürzen, und man hat daher mit Recht gefragt, wie viel Siche-
rung beim Herabstürzen es gewähre, wenn man einen großen und
leichten Körper als Fallschirm benutzt. Und hier zeigt es sich, daß
selbst Fallschirme von mäßiger Größe schon einigen Nutzen gewäh-
ren, indem ein gewöhnlicher Regenschirm von etwa 41/2 Fuß Durch-
messer oder 15 Quadratfuß Inhalt bei 20 Fuß Geschwindigkeit
einen Widerstand von etwa 18 Pfunden hervorbringt, dadurch aber

iſt doch auch dieſe Kunſt einer wiſſenſchaftlichen Betrachtung werth,
und kann zu nuͤtzlichen Anwendungen fuͤhren. Der Fallſchirm,
deſſen ſich die Luftſchiffer bedienen, iſt ſo eingerichtet, daß er zwar
zuerſt zuſammengefaltet wenig Raum einnimmt, aber beim Fallen
ſich ausbreitet, und dann, gleich einem ausgeſpannten Regenſchirme,
uͤber dem herabfallenden Luftſchiffer ſchwebt, wobei er durch den
Widerſtand, welchen er in der Luft findet, das zu ſchnelle Herab-
ſtuͤrzen hindert. Wenn Sie ſich an die Berechnungen erinnern, die
wir fruͤher ſchon uͤber den Widerſtand der Luft angeſtellt haben, ſo
werden Sie leicht die Mittel uͤberſehen, die ſich uns hier darbieten,
um, bei gegebner Groͤße des Fallſchirms und gegebner Schwere der
Belaſtung, die Geſchwindigkeit zu finden, welche hoͤchſtens der in
der Luft fallende Koͤrper erlangen kann. Wenn ein Fallſchirm von
15 pariſer Fuß Durchmeſſer, deſſen Flaͤche alſo etwas uͤber 170 Qua-
dratfuß betraͤgt, mit einer Geſchwindigkeit von 20 Fuß in der Se-
cunde herabfaͤllt, ſo iſt der Widerſtand, den er leidet, gleich dem
Gewichte einer Luftſaͤule von 170 Quadratfuß Querſchnitt und
13 Fuß Hoͤhe, weil naͤmlich zu 20 Fuß Geſchwindigkeit eine Fall-
hoͤhe von 6½ Fuß gehoͤrt; eine ſolche Luftſaͤule aber wiegt gegen
200 Pfund, und wenn das ganze Gewicht des Fallſchirms und des
herabfallenden Menſchen nahe an 200 Pfund betruͤge, ſo wuͤrde die
groͤßte erlangte Geſchwindigkeit nur 20 Fuß betragen. Um zu
ſchaͤtzen, wie ſtark der Stoß ſein moͤchte, mit welchem wir, bei ſo
ſchneller Bewegung, auf die Erde auftraͤfen, haben wir nur noͤthig,
zu bedenken, daß ein Sprung von 6½ Fuß Hoͤhe uns im luftleeren
Raume eine Geſchwindigkeit von 20 Fuß erlangen laͤßt, und daß
wir einen ſolchen Sprung ohne großes Bedenken wagen wuͤrden.

Dieſe Betrachtung kann in einer ſehr wichtigen Beziehung
nuͤtzlich werden. Der Fall iſt nicht ſo ſehr ſelten, wo bei Feuers-
bruͤnſten Menſchen genoͤthigt ſind, ſich von erheblicher Hoͤhe herab-
zuſtuͤrzen, und man hat daher mit Recht gefragt, wie viel Siche-
rung beim Herabſtuͤrzen es gewaͤhre, wenn man einen großen und
leichten Koͤrper als Fallſchirm benutzt. Und hier zeigt es ſich, daß
ſelbſt Fallſchirme von maͤßiger Groͤße ſchon einigen Nutzen gewaͤh-
ren, indem ein gewoͤhnlicher Regenſchirm von etwa 4½ Fuß Durch-
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einen Widerſtand von etwa 18 Pfunden hervorbringt, dadurch aber

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[278/0300] iſt doch auch dieſe Kunſt einer wiſſenſchaftlichen Betrachtung werth, und kann zu nuͤtzlichen Anwendungen fuͤhren. Der Fallſchirm, deſſen ſich die Luftſchiffer bedienen, iſt ſo eingerichtet, daß er zwar zuerſt zuſammengefaltet wenig Raum einnimmt, aber beim Fallen ſich ausbreitet, und dann, gleich einem ausgeſpannten Regenſchirme, uͤber dem herabfallenden Luftſchiffer ſchwebt, wobei er durch den Widerſtand, welchen er in der Luft findet, das zu ſchnelle Herab- ſtuͤrzen hindert. Wenn Sie ſich an die Berechnungen erinnern, die wir fruͤher ſchon uͤber den Widerſtand der Luft angeſtellt haben, ſo werden Sie leicht die Mittel uͤberſehen, die ſich uns hier darbieten, um, bei gegebner Groͤße des Fallſchirms und gegebner Schwere der Belaſtung, die Geſchwindigkeit zu finden, welche hoͤchſtens der in der Luft fallende Koͤrper erlangen kann. Wenn ein Fallſchirm von 15 pariſer Fuß Durchmeſſer, deſſen Flaͤche alſo etwas uͤber 170 Qua- dratfuß betraͤgt, mit einer Geſchwindigkeit von 20 Fuß in der Se- cunde herabfaͤllt, ſo iſt der Widerſtand, den er leidet, gleich dem Gewichte einer Luftſaͤule von 170 Quadratfuß Querſchnitt und 13 Fuß Hoͤhe, weil naͤmlich zu 20 Fuß Geſchwindigkeit eine Fall- hoͤhe von 6½ Fuß gehoͤrt; eine ſolche Luftſaͤule aber wiegt gegen 200 Pfund, und wenn das ganze Gewicht des Fallſchirms und des herabfallenden Menſchen nahe an 200 Pfund betruͤge, ſo wuͤrde die groͤßte erlangte Geſchwindigkeit nur 20 Fuß betragen. Um zu ſchaͤtzen, wie ſtark der Stoß ſein moͤchte, mit welchem wir, bei ſo ſchneller Bewegung, auf die Erde auftraͤfen, haben wir nur noͤthig, zu bedenken, daß ein Sprung von 6½ Fuß Hoͤhe uns im luftleeren Raume eine Geſchwindigkeit von 20 Fuß erlangen laͤßt, und daß wir einen ſolchen Sprung ohne großes Bedenken wagen wuͤrden. Dieſe Betrachtung kann in einer ſehr wichtigen Beziehung nuͤtzlich werden. Der Fall iſt nicht ſo ſehr ſelten, wo bei Feuers- bruͤnſten Menſchen genoͤthigt ſind, ſich von erheblicher Hoͤhe herab- zuſtuͤrzen, und man hat daher mit Recht gefragt, wie viel Siche- rung beim Herabſtuͤrzen es gewaͤhre, wenn man einen großen und leichten Koͤrper als Fallſchirm benutzt. Und hier zeigt es ſich, daß ſelbſt Fallſchirme von maͤßiger Groͤße ſchon einigen Nutzen gewaͤh- ren, indem ein gewoͤhnlicher Regenſchirm von etwa 4½ Fuß Durch- meſſer oder 15 Quadratfuß Inhalt bei 20 Fuß Geſchwindigkeit einen Widerſtand von etwa 18 Pfunden hervorbringt, dadurch aber

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/300>, abgerufen am 25.11.2024.