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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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durch den zwischen DE und FG nach allen Seiten, wie durch eine
enge Spalte, hervordringenden Luftstrom angezogen zu werden. Legt
man zwischen DE und FG hie und da kleine feste Körper, so daß
sogleich von Anfang die Platte sich in einer bestimmten Entfernung
von der Oeffnung befindet, so dauert die scheinbare Anziehung fort;
sind aber diese kleinen zwischen gelegten Säulchen so hoch, daß der
Abstand 1/2 Zoll oder mehr beträgt, so wird die Platte FG fortgetrie-
ben, so wie es dem Stoße des Luftstroms angemessen zu sein scheint.

Dieser seltsam scheinende Versuch, den man leicht anstellen
kann, wenn man durch eine Röhre CBA (Fig. 144.) bläset, deren
Ende in einem Brette DE so befestigt ist, daß die Oeffnung A nicht
über dasselbe hervorragt, giebt, wenn man ein sehr biegsames Blätt-
chen auf DE auflegt, noch zu der Erscheinung Anlaß, daß dieses
Papierblättchen in eine zitternde Bewegung geräth, die von dem
Ausströmen der Luft und dem Andrängen gegen die Oeffnung, je
nachdem diese auf den einen oder andern Theil der Platte wirksam
sind, abhängt. Die ganze Erscheinung wird etwas verständlicher,
wenn man sie mit einer andern in Verbindung setzt, die man schon
längst bei dem Ausflusse des Wassers aus Oeffnungen mit Ansatz-
röhren bemerkt hat, die sich nach außen erweitern. Sie erinnern
sich, daß bei dem Ausflusse des Wassers aus Oeffnungen in einer
dünnen Wand die Wassermenge wegen der Zusammenziehung des
Wasserstrahles weniger betrug, als sie nach Maaßgabe der Geschwin-
digkeit betragen sollte, daß aber diese Wassermenge sehr gesteigert
werden konnte, wenn man ein sich nach außen erweiterndes Röhr-
chen, wie AB, an die Oeffnung ansetzte (Fig. 145.). Hier nämlich
dringt aus der weiten Oeffnung BC im ersten Augenblicke so viel
Wasser hervor, als dem Drucke des Wassers auf diese größere Fläche
gemäß ist; das Wasser in der Oeffnung AD hat durch jenen Druck
nur einen Antrieb zu ebenso großer Geschwindigkeit und würde daher
den Wasser-Abgang nicht ersetzen können; aber wenn das nicht ge-
schähe, so entstände ja zwischen AD und BC ein Raum leer von
Luft und Wasser, und in diesen würde das Wasser bei AD sich mit
aller der Gewalt stürzen, welche dem vereinigten Drucke der Luft
auf die Oberfläche des Wassers GH und dem Drucke des Wassers
im Gefäße gemäß ist. Wegen dieses sich in demselben Momente
äußernden Druckes entsteht daher der luftleere Raum gar nicht, son-

durch den zwiſchen DE und FG nach allen Seiten, wie durch eine
enge Spalte, hervordringenden Luftſtrom angezogen zu werden. Legt
man zwiſchen DE und FG hie und da kleine feſte Koͤrper, ſo daß
ſogleich von Anfang die Platte ſich in einer beſtimmten Entfernung
von der Oeffnung befindet, ſo dauert die ſcheinbare Anziehung fort;
ſind aber dieſe kleinen zwiſchen gelegten Saͤulchen ſo hoch, daß der
Abſtand ½ Zoll oder mehr betraͤgt, ſo wird die Platte FG fortgetrie-
ben, ſo wie es dem Stoße des Luftſtroms angemeſſen zu ſein ſcheint.

Dieſer ſeltſam ſcheinende Verſuch, den man leicht anſtellen
kann, wenn man durch eine Roͤhre CBA (Fig. 144.) blaͤſet, deren
Ende in einem Brette DE ſo befeſtigt iſt, daß die Oeffnung A nicht
uͤber daſſelbe hervorragt, giebt, wenn man ein ſehr biegſames Blaͤtt-
chen auf DE auflegt, noch zu der Erſcheinung Anlaß, daß dieſes
Papierblaͤttchen in eine zitternde Bewegung geraͤth, die von dem
Ausſtroͤmen der Luft und dem Andraͤngen gegen die Oeffnung, je
nachdem dieſe auf den einen oder andern Theil der Platte wirkſam
ſind, abhaͤngt. Die ganze Erſcheinung wird etwas verſtaͤndlicher,
wenn man ſie mit einer andern in Verbindung ſetzt, die man ſchon
laͤngſt bei dem Ausfluſſe des Waſſers aus Oeffnungen mit Anſatz-
roͤhren bemerkt hat, die ſich nach außen erweitern. Sie erinnern
ſich, daß bei dem Ausfluſſe des Waſſers aus Oeffnungen in einer
duͤnnen Wand die Waſſermenge wegen der Zuſammenziehung des
Waſſerſtrahles weniger betrug, als ſie nach Maaßgabe der Geſchwin-
digkeit betragen ſollte, daß aber dieſe Waſſermenge ſehr geſteigert
werden konnte, wenn man ein ſich nach außen erweiterndes Roͤhr-
chen, wie AB, an die Oeffnung anſetzte (Fig. 145.). Hier naͤmlich
dringt aus der weiten Oeffnung BC im erſten Augenblicke ſo viel
Waſſer hervor, als dem Drucke des Waſſers auf dieſe groͤßere Flaͤche
gemaͤß iſt; das Waſſer in der Oeffnung AD hat durch jenen Druck
nur einen Antrieb zu ebenſo großer Geſchwindigkeit und wuͤrde daher
den Waſſer-Abgang nicht erſetzen koͤnnen; aber wenn das nicht ge-
ſchaͤhe, ſo entſtaͤnde ja zwiſchen AD und BC ein Raum leer von
Luft und Waſſer, und in dieſen wuͤrde das Waſſer bei AD ſich mit
aller der Gewalt ſtuͤrzen, welche dem vereinigten Drucke der Luft
auf die Oberflaͤche des Waſſers GH und dem Drucke des Waſſers
im Gefaͤße gemaͤß iſt. Wegen dieſes ſich in demſelben Momente
aͤußernden Druckes entſteht daher der luftleere Raum gar nicht, ſon-

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[270/0292] durch den zwiſchen DE und FG nach allen Seiten, wie durch eine enge Spalte, hervordringenden Luftſtrom angezogen zu werden. Legt man zwiſchen DE und FG hie und da kleine feſte Koͤrper, ſo daß ſogleich von Anfang die Platte ſich in einer beſtimmten Entfernung von der Oeffnung befindet, ſo dauert die ſcheinbare Anziehung fort; ſind aber dieſe kleinen zwiſchen gelegten Saͤulchen ſo hoch, daß der Abſtand ½ Zoll oder mehr betraͤgt, ſo wird die Platte FG fortgetrie- ben, ſo wie es dem Stoße des Luftſtroms angemeſſen zu ſein ſcheint. Dieſer ſeltſam ſcheinende Verſuch, den man leicht anſtellen kann, wenn man durch eine Roͤhre CBA (Fig. 144.) blaͤſet, deren Ende in einem Brette DE ſo befeſtigt iſt, daß die Oeffnung A nicht uͤber daſſelbe hervorragt, giebt, wenn man ein ſehr biegſames Blaͤtt- chen auf DE auflegt, noch zu der Erſcheinung Anlaß, daß dieſes Papierblaͤttchen in eine zitternde Bewegung geraͤth, die von dem Ausſtroͤmen der Luft und dem Andraͤngen gegen die Oeffnung, je nachdem dieſe auf den einen oder andern Theil der Platte wirkſam ſind, abhaͤngt. Die ganze Erſcheinung wird etwas verſtaͤndlicher, wenn man ſie mit einer andern in Verbindung ſetzt, die man ſchon laͤngſt bei dem Ausfluſſe des Waſſers aus Oeffnungen mit Anſatz- roͤhren bemerkt hat, die ſich nach außen erweitern. Sie erinnern ſich, daß bei dem Ausfluſſe des Waſſers aus Oeffnungen in einer duͤnnen Wand die Waſſermenge wegen der Zuſammenziehung des Waſſerſtrahles weniger betrug, als ſie nach Maaßgabe der Geſchwin- digkeit betragen ſollte, daß aber dieſe Waſſermenge ſehr geſteigert werden konnte, wenn man ein ſich nach außen erweiterndes Roͤhr- chen, wie AB, an die Oeffnung anſetzte (Fig. 145.). Hier naͤmlich dringt aus der weiten Oeffnung BC im erſten Augenblicke ſo viel Waſſer hervor, als dem Drucke des Waſſers auf dieſe groͤßere Flaͤche gemaͤß iſt; das Waſſer in der Oeffnung AD hat durch jenen Druck nur einen Antrieb zu ebenſo großer Geſchwindigkeit und wuͤrde daher den Waſſer-Abgang nicht erſetzen koͤnnen; aber wenn das nicht ge- ſchaͤhe, ſo entſtaͤnde ja zwiſchen AD und BC ein Raum leer von Luft und Waſſer, und in dieſen wuͤrde das Waſſer bei AD ſich mit aller der Gewalt ſtuͤrzen, welche dem vereinigten Drucke der Luft auf die Oberflaͤche des Waſſers GH und dem Drucke des Waſſers im Gefaͤße gemaͤß iſt. Wegen dieſes ſich in demſelben Momente aͤußernden Druckes entſteht daher der luftleere Raum gar nicht, ſon-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/292>, abgerufen am 22.11.2024.