so gewaltige Weise zu comprimiren, daß sie dadurch in tropfbaren Zustand versetzt wurden, und diese Erscheinung ist es, auf die ich vorhin, als auf eine so höchst merkwürdige, hindeutete. Das Ver- fahren ist so eigenthümlich, daß ich es hier mittheilen will, ohne den Einwurf zu fürchten, daß ich chemische Kenntnisse dabei in An- spruch nehme, die erst an einer andern Stelle näher begründet wer- den. In der That kömmt es auch hier gar nicht darauf an, zu wissen, was chemische Verwandtschaft sei, wenn gleich die Entwicke- lung von Luft, die ich jetzt anführen will, auf dieser Verwandtschaft beruht; sondern es ist genug, die Erfahrung gemacht zu haben, daß in unzähligen Fällen sich eine Menge von Luftblasen zeigt, sich eine Menge von Luft entwickelt, wenn man eine Säure auf einen Kör- per gießt, und daß man offenbar eine verdichtete Luft erhält, wenn dieser Proceß im verschlossenen Raume statt findet. Die so ent- wickelten Luft-Arten zeigen sich in ihren Eigenschaften als mannig- faltig verschieden, und bei dem Beispiele, welches ich, nach Fara- day's Erzählung, Ihnen mittheilen will, war es salzsaure Luft, die sich aus dem Salmiak (salzsauren Ammoniak) entwickelte, indem Schwefelsäure auf denselben gegossen wurde. Die Entwickelung findet sehr kraftvoll und sehr schnell statt, man muß daher den Pro- ceß nicht eher anfangen lassen, bis die Röhre fest verschlossen ist, und deshalb nimmt man eine gebogne Röhre mit sehr starken Wän- den, füllt sie in der Stellung AC (Fig. 133.) so weit als es nöthig ist, etwa bis an B, mit Schwefelsäure, ohne den obern Theil AD im geringsten mit dieser Säure zu benetzen; man bringt dann ein Platinblättchen etwa in E hinab, um darauf den Salmiak bis zu gehöriger Zeit ruhen zu lassen, und schmelzt nun das Ende A vor dem Löthrohre zu, mit Anwendung aller möglichen Vorsicht, um zu hindern, daß Säure und Salmiak nicht eher in Berührung kom- men, bis das Zuschmelzen vollendet ist und das allmählige Abkühlen gehörig statt gefunden hat. Wenn dies gehörig besorgt ist und man sich versichert hält, daß die Röhre stark genug ist, um einen sehr starken Druck von innen auszuhalten, so bringt man sie durch Um- kehren in die Stellung, wobei die Schwefelsäure den Salmiak be- rührt, und nun entwickelt sich das salzsaure Gas mit großer Heftig- keit. Da diese Luft nirgends hin entweichen kann, so verdichtet sie sich, und ungeachtet des großen Druckes, den sie deshalb ausübt,
ſo gewaltige Weiſe zu comprimiren, daß ſie dadurch in tropfbaren Zuſtand verſetzt wurden, und dieſe Erſcheinung iſt es, auf die ich vorhin, als auf eine ſo hoͤchſt merkwuͤrdige, hindeutete. Das Ver- fahren iſt ſo eigenthuͤmlich, daß ich es hier mittheilen will, ohne den Einwurf zu fuͤrchten, daß ich chemiſche Kenntniſſe dabei in An- ſpruch nehme, die erſt an einer andern Stelle naͤher begruͤndet wer- den. In der That koͤmmt es auch hier gar nicht darauf an, zu wiſſen, was chemiſche Verwandtſchaft ſei, wenn gleich die Entwicke- lung von Luft, die ich jetzt anfuͤhren will, auf dieſer Verwandtſchaft beruht; ſondern es iſt genug, die Erfahrung gemacht zu haben, daß in unzaͤhligen Faͤllen ſich eine Menge von Luftblaſen zeigt, ſich eine Menge von Luft entwickelt, wenn man eine Saͤure auf einen Koͤr- per gießt, und daß man offenbar eine verdichtete Luft erhaͤlt, wenn dieſer Proceß im verſchloſſenen Raume ſtatt findet. Die ſo ent- wickelten Luft-Arten zeigen ſich in ihren Eigenſchaften als mannig- faltig verſchieden, und bei dem Beiſpiele, welches ich, nach Fara- day's Erzaͤhlung, Ihnen mittheilen will, war es ſalzſaure Luft, die ſich aus dem Salmiak (ſalzſauren Ammoniak) entwickelte, indem Schwefelſaͤure auf denſelben gegoſſen wurde. Die Entwickelung findet ſehr kraftvoll und ſehr ſchnell ſtatt, man muß daher den Pro- ceß nicht eher anfangen laſſen, bis die Roͤhre feſt verſchloſſen iſt, und deshalb nimmt man eine gebogne Roͤhre mit ſehr ſtarken Waͤn- den, fuͤllt ſie in der Stellung AC (Fig. 133.) ſo weit als es noͤthig iſt, etwa bis an B, mit Schwefelſaͤure, ohne den obern Theil AD im geringſten mit dieſer Saͤure zu benetzen; man bringt dann ein Platinblaͤttchen etwa in E hinab, um darauf den Salmiak bis zu gehoͤriger Zeit ruhen zu laſſen, und ſchmelzt nun das Ende A vor dem Loͤthrohre zu, mit Anwendung aller moͤglichen Vorſicht, um zu hindern, daß Saͤure und Salmiak nicht eher in Beruͤhrung kom- men, bis das Zuſchmelzen vollendet iſt und das allmaͤhlige Abkuͤhlen gehoͤrig ſtatt gefunden hat. Wenn dies gehoͤrig beſorgt iſt und man ſich verſichert haͤlt, daß die Roͤhre ſtark genug iſt, um einen ſehr ſtarken Druck von innen auszuhalten, ſo bringt man ſie durch Um- kehren in die Stellung, wobei die Schwefelſaͤure den Salmiak be- ruͤhrt, und nun entwickelt ſich das ſalzſaure Gas mit großer Heftig- keit. Da dieſe Luft nirgends hin entweichen kann, ſo verdichtet ſie ſich, und ungeachtet des großen Druckes, den ſie deshalb ausuͤbt,
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vorhin, als auf eine ſo hoͤchſt merkwuͤrdige, hindeutete. Das Ver-
fahren iſt ſo eigenthuͤmlich, daß ich es hier mittheilen will, ohne
den Einwurf zu fuͤrchten, daß ich chemiſche Kenntniſſe dabei in An-
ſpruch nehme, die erſt an einer andern Stelle naͤher begruͤndet wer-
den. In der That koͤmmt es auch hier gar nicht darauf an, zu
wiſſen, was chemiſche Verwandtſchaft ſei, wenn gleich die Entwicke-
lung von Luft, die ich jetzt anfuͤhren will, auf dieſer Verwandtſchaft
beruht; ſondern es iſt genug, die Erfahrung gemacht zu haben, daß
in unzaͤhligen Faͤllen ſich eine Menge von Luftblaſen zeigt, ſich eine
Menge von Luft entwickelt, wenn man eine Saͤure auf einen Koͤr-
per gießt, und daß man offenbar eine verdichtete Luft erhaͤlt, wenn
dieſer Proceß im verſchloſſenen Raume ſtatt findet. Die ſo ent-
wickelten Luft-Arten zeigen ſich in ihren Eigenſchaften als mannig-
faltig verſchieden, und bei dem Beiſpiele, welches ich, nach Fara-
day's Erzaͤhlung, Ihnen mittheilen will, war es ſalzſaure Luft,
die ſich aus dem Salmiak (ſalzſauren Ammoniak) entwickelte, indem
Schwefelſaͤure auf denſelben gegoſſen wurde. Die Entwickelung
findet ſehr kraftvoll und ſehr ſchnell ſtatt, man muß daher den Pro-
ceß nicht eher anfangen laſſen, bis die Roͤhre feſt verſchloſſen iſt,
und deshalb nimmt man eine gebogne Roͤhre mit ſehr ſtarken Waͤn-
den, fuͤllt ſie in der Stellung AC (Fig. 133.) ſo weit als es noͤthig
iſt, etwa bis an B, mit Schwefelſaͤure, ohne den obern Theil AD
im geringſten mit dieſer Saͤure zu benetzen; man bringt dann ein
Platinblaͤttchen etwa in E hinab, um darauf den Salmiak bis zu
gehoͤriger Zeit ruhen zu laſſen, und ſchmelzt nun das Ende A vor
dem Loͤthrohre zu, mit Anwendung aller moͤglichen Vorſicht, um
zu hindern, daß Saͤure und Salmiak nicht eher in Beruͤhrung kom-
men, bis das Zuſchmelzen vollendet iſt und das allmaͤhlige Abkuͤhlen
gehoͤrig ſtatt gefunden hat. Wenn dies gehoͤrig beſorgt iſt und man
ſich verſichert haͤlt, daß die Roͤhre ſtark genug iſt, um einen ſehr
ſtarken Druck von innen auszuhalten, ſo bringt man ſie durch Um-
kehren in die Stellung, wobei die Schwefelſaͤure den Salmiak be-
ruͤhrt, und nun entwickelt ſich das ſalzſaure Gas mit großer Heftig-
keit. Da dieſe Luft nirgends hin entweichen kann, ſo verdichtet ſie
ſich, und ungeachtet des großen Druckes, den ſie deshalb ausuͤbt,
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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