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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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von 30 Linien in 5 Stunden, worauf ein unerhört heftiger Sturm
folgte. Wenn ein so tiefer Barometerstand statt findet, so glaubt man
gewöhnlich, es müsse ein Sturm eintreten; aber es ist gar nicht selten,
daß an dem Orte, wo das Barometer so sehr tief steht, die Luft ganz
ruhig bleibt, und meistens eine für die Jahreszeit zu hohe Wärme zeigt,
während zu eben der Zeit andre Gegenden von den heftigsten Stür-
men betroffen werden. Wenn man die an verschiedenen Orten an-
gestellten Beobachtungen vergleicht, so findet man immer eine Ge-
gend von nur geringer Ausdehnung, wo das Barometer am tiefsten
unter dem Mittel stand, und von diesem Puncte des tiefsten Stan-
des ausgehend findet man, (so weit die Beobachtungen gestatten,
diesen Schluß allgemein auszusprechen,) nach allen Seiten hin den
Barometerstand nach und nach höher; gegen diesen Ort des kleinsten
Druckes zu aber den Wind der entlegenen Gegenden gerichtet, so
als ob die Luft von allen Seiten her diesem Puncte des kleinsten
Luftdruckes zuströmte. Als ein Beispiel, wo sich diese Abnahme
des tiefen Barometerstandes fast nach allen Seiten hin nachweisen
läßt, will ich hier den 12. März 1783 erwähnen, wo das Centrum
der tiefen Barometerstände in der Schweitz lag, wo in Deutschland
östlicher Wind herrschte, während ein wüthender Orcan aus Süd-
west sich vom Sicilianischen Meere über Neapel nach dem Adria-
tischen Meere ausbreitete. Wenn man die am Morgen des 12.März
beobachteten Barometerstände vergleicht, so findet man das Barome-
ter auf dem St. Gotthard 111/2 Linien unter der Mittelhöhe, in
Padua, München und Genf 10 Linien, in Regensburg, Würzburg,
Mannheim und Bologna 9 Linien, in Marseille, Dijon und Prag
81/2 bis 8 Linien, am Fuße der Pyrenäen, in Wien und Rom 7 Li-
nien, in Rochelle, Düsseldorf, Göttingen und Berlin 6 bis 51/2 Li-
nien, in Ofen und Middelburg 4 Linien, in Portugal 3 Linien, in
Copenhagen 1 Linie unter der Mittelhöhe, in Stockholm und Pe-
tersburg stand es ungefehr auf der Mittelhöhe, in Spydberga (in
Norwegen) u. Tornea 3 Linien, in Moscau 8 Linien über der Mit-
telhöhe. Die Beobachtungen sind hier zu mangelhaft, um das Ent-
stehen und weitere Fortrücken dieses Ortes des schwächsten Luft-
druckes genau anzugeben; ich führe daher noch ein neueres, genau
von mir untersuchtes Beispiel an. Am 24. und 25. Dec. 1821 fiel
das Barometer zu einer so ungewöhnlichen Tiefe in ganz Deutsch-

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von 30 Linien in 5 Stunden, worauf ein unerhoͤrt heftiger Sturm
folgte. Wenn ein ſo tiefer Barometerſtand ſtatt findet, ſo glaubt man
gewoͤhnlich, es muͤſſe ein Sturm eintreten; aber es iſt gar nicht ſelten,
daß an dem Orte, wo das Barometer ſo ſehr tief ſteht, die Luft ganz
ruhig bleibt, und meiſtens eine fuͤr die Jahreszeit zu hohe Waͤrme zeigt,
waͤhrend zu eben der Zeit andre Gegenden von den heftigſten Stuͤr-
men betroffen werden. Wenn man die an verſchiedenen Orten an-
geſtellten Beobachtungen vergleicht, ſo findet man immer eine Ge-
gend von nur geringer Ausdehnung, wo das Barometer am tiefſten
unter dem Mittel ſtand, und von dieſem Puncte des tiefſten Stan-
des ausgehend findet man, (ſo weit die Beobachtungen geſtatten,
dieſen Schluß allgemein auszuſprechen,) nach allen Seiten hin den
Barometerſtand nach und nach hoͤher; gegen dieſen Ort des kleinſten
Druckes zu aber den Wind der entlegenen Gegenden gerichtet, ſo
als ob die Luft von allen Seiten her dieſem Puncte des kleinſten
Luftdruckes zuſtroͤmte. Als ein Beiſpiel, wo ſich dieſe Abnahme
des tiefen Barometerſtandes faſt nach allen Seiten hin nachweiſen
laͤßt, will ich hier den 12. Maͤrz 1783 erwaͤhnen, wo das Centrum
der tiefen Barometerſtaͤnde in der Schweitz lag, wo in Deutſchland
oͤſtlicher Wind herrſchte, waͤhrend ein wuͤthender Orcan aus Suͤd-
weſt ſich vom Sicilianiſchen Meere uͤber Neapel nach dem Adria-
tiſchen Meere ausbreitete. Wenn man die am Morgen des 12.Maͤrz
beobachteten Barometerſtaͤnde vergleicht, ſo findet man das Barome-
ter auf dem St. Gotthard 11½ Linien unter der Mittelhoͤhe, in
Padua, Muͤnchen und Genf 10 Linien, in Regensburg, Wuͤrzburg,
Mannheim und Bologna 9 Linien, in Marſeille, Dijon und Prag
8½ bis 8 Linien, am Fuße der Pyrenaͤen, in Wien und Rom 7 Li-
nien, in Rochelle, Duͤſſeldorf, Goͤttingen und Berlin 6 bis 5½ Li-
nien, in Ofen und Middelburg 4 Linien, in Portugal 3 Linien, in
Copenhagen 1 Linie unter der Mittelhoͤhe, in Stockholm und Pe-
tersburg ſtand es ungefehr auf der Mittelhoͤhe, in Spydberga (in
Norwegen) u. Torneâ 3 Linien, in Moscau 8 Linien uͤber der Mit-
telhoͤhe. Die Beobachtungen ſind hier zu mangelhaft, um das Ent-
ſtehen und weitere Fortruͤcken dieſes Ortes des ſchwaͤchſten Luft-
druckes genau anzugeben; ich fuͤhre daher noch ein neueres, genau
von mir unterſuchtes Beiſpiel an. Am 24. und 25. Dec. 1821 fiel
das Barometer zu einer ſo ungewoͤhnlichen Tiefe in ganz Deutſch-

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[227/0249] von 30 Linien in 5 Stunden, worauf ein unerhoͤrt heftiger Sturm folgte. Wenn ein ſo tiefer Barometerſtand ſtatt findet, ſo glaubt man gewoͤhnlich, es muͤſſe ein Sturm eintreten; aber es iſt gar nicht ſelten, daß an dem Orte, wo das Barometer ſo ſehr tief ſteht, die Luft ganz ruhig bleibt, und meiſtens eine fuͤr die Jahreszeit zu hohe Waͤrme zeigt, waͤhrend zu eben der Zeit andre Gegenden von den heftigſten Stuͤr- men betroffen werden. Wenn man die an verſchiedenen Orten an- geſtellten Beobachtungen vergleicht, ſo findet man immer eine Ge- gend von nur geringer Ausdehnung, wo das Barometer am tiefſten unter dem Mittel ſtand, und von dieſem Puncte des tiefſten Stan- des ausgehend findet man, (ſo weit die Beobachtungen geſtatten, dieſen Schluß allgemein auszuſprechen,) nach allen Seiten hin den Barometerſtand nach und nach hoͤher; gegen dieſen Ort des kleinſten Druckes zu aber den Wind der entlegenen Gegenden gerichtet, ſo als ob die Luft von allen Seiten her dieſem Puncte des kleinſten Luftdruckes zuſtroͤmte. Als ein Beiſpiel, wo ſich dieſe Abnahme des tiefen Barometerſtandes faſt nach allen Seiten hin nachweiſen laͤßt, will ich hier den 12. Maͤrz 1783 erwaͤhnen, wo das Centrum der tiefen Barometerſtaͤnde in der Schweitz lag, wo in Deutſchland oͤſtlicher Wind herrſchte, waͤhrend ein wuͤthender Orcan aus Suͤd- weſt ſich vom Sicilianiſchen Meere uͤber Neapel nach dem Adria- tiſchen Meere ausbreitete. Wenn man die am Morgen des 12.Maͤrz beobachteten Barometerſtaͤnde vergleicht, ſo findet man das Barome- ter auf dem St. Gotthard 11½ Linien unter der Mittelhoͤhe, in Padua, Muͤnchen und Genf 10 Linien, in Regensburg, Wuͤrzburg, Mannheim und Bologna 9 Linien, in Marſeille, Dijon und Prag 8½ bis 8 Linien, am Fuße der Pyrenaͤen, in Wien und Rom 7 Li- nien, in Rochelle, Duͤſſeldorf, Goͤttingen und Berlin 6 bis 5½ Li- nien, in Ofen und Middelburg 4 Linien, in Portugal 3 Linien, in Copenhagen 1 Linie unter der Mittelhoͤhe, in Stockholm und Pe- tersburg ſtand es ungefehr auf der Mittelhoͤhe, in Spydberga (in Norwegen) u. Torneâ 3 Linien, in Moscau 8 Linien uͤber der Mit- telhoͤhe. Die Beobachtungen ſind hier zu mangelhaft, um das Ent- ſtehen und weitere Fortruͤcken dieſes Ortes des ſchwaͤchſten Luft- druckes genau anzugeben; ich fuͤhre daher noch ein neueres, genau von mir unterſuchtes Beiſpiel an. Am 24. und 25. Dec. 1821 fiel das Barometer zu einer ſo ungewoͤhnlichen Tiefe in ganz Deutſch- P 2

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/249>, abgerufen am 22.11.2024.