geneigten Drucke findet sich, bei der Zerlegung in einen verticalen und in einen horizontalen Druck, der vertical aufwärts gerichtete genau dem Gewichte der Wassersäule deba gleich, die über ab stehen würde, wenn der ganze Cylinder EFCB mit Wasser gefüllt wäre, und der Druck auf fg dem Gewichte der ganzen Wassersäule degf gleich; beide streben einander entgegen und würden das Ge- fäß, wenn es schwach genug wäre, zersprengen; aber wer das ganze, hinreichend feste Gefäß hält, empfindet nur den aus der Differenz beider hervorgehenden Druck, oder in Beziehung auf alle ähnliche Wassersäulen gesprochen, hat er das Gewicht aller dieser Wassersäu- len zu tragen.
Und eben hierin liegt denn auch der Aufschluß über eine ähnliche Ungleichheit im Seitendrucke. Wenn die Wand AB (Fig. 84.) viel größer als die gegenüberstehende CD ist, so leidet freilich AB einen größern Druck, aber der bei der Zerlegung hervor- gehende horizontale Druck ist so groß für AB als für CD, und das Gefäß zeigt daher kein Bestreben nach horizontaler Richtung fortzu- rücken, so lange alle Wände des Gefäßes fest vereinigt bleiben, oder das Gefäß nicht zersprengt wird.
Eben dieses bisher betrachtete Paradoxon, wie man es so oft genannt hat, findet sich in vielen einzelnen Phänomenen wieder. Wenn man den weiten Schenkel AB (Fig. 85.) der Röhre ABCD, deren enger Schenkel CD sehr hoch ist, mit Blase fest zubindet und diese Blase mit großen Gewichten beschwert, so wird dennoch, nach- dem CD bis oben gefüllt ist, die Blase stark nach außen gedrängt und das aufgelegte Gewicht gehoben werden, obgleich die in CD drückende Wassermenge sehr geringe ist. Wäre CD so eng, daß ihr Querschnitt nur 1 Quadratzoll betrüge, so faßt sie, selbst bei 10 Fuß Höhe nur etwa 5 Pfund Wasser; ist dagegen AB einen Quadrat- fuß groß und das Wasser steht in C 10 Fuß höher als in AB, so leidet die Oberfläche AB einen Druck von 700 Pfunden, den jene 5 Pfunde ausüben. Ein andrer Versuch ist fast noch auffallender. Man stelle das cylindrische Gefäß AB (Fig. 86.) auf eine Waage- schale oder verbinde es mit dem Ende des Waagebalkens AD, gieße nur wenig Wasser hinein und bringe alles ins Gleichgewicht. Nun stelle man die Waage so auf, daß sie sich vertical unter dem soliden Cylinder CD befinde, der an einem festen Fuße E so befestigt ist,
geneigten Drucke findet ſich, bei der Zerlegung in einen verticalen und in einen horizontalen Druck, der vertical aufwaͤrts gerichtete genau dem Gewichte der Waſſerſaͤule deba gleich, die uͤber ab ſtehen wuͤrde, wenn der ganze Cylinder EFCB mit Waſſer gefuͤllt waͤre, und der Druck auf fg dem Gewichte der ganzen Waſſerſaͤule degf gleich; beide ſtreben einander entgegen und wuͤrden das Ge- faͤß, wenn es ſchwach genug waͤre, zerſprengen; aber wer das ganze, hinreichend feſte Gefaͤß haͤlt, empfindet nur den aus der Differenz beider hervorgehenden Druck, oder in Beziehung auf alle aͤhnliche Waſſerſaͤulen geſprochen, hat er das Gewicht aller dieſer Waſſerſaͤu- len zu tragen.
Und eben hierin liegt denn auch der Aufſchluß uͤber eine aͤhnliche Ungleichheit im Seitendrucke. Wenn die Wand AB (Fig. 84.) viel groͤßer als die gegenuͤberſtehende CD iſt, ſo leidet freilich AB einen groͤßern Druck, aber der bei der Zerlegung hervor- gehende horizontale Druck iſt ſo groß fuͤr AB als fuͤr CD, und das Gefaͤß zeigt daher kein Beſtreben nach horizontaler Richtung fortzu- ruͤcken, ſo lange alle Waͤnde des Gefaͤßes feſt vereinigt bleiben, oder das Gefaͤß nicht zerſprengt wird.
Eben dieſes bisher betrachtete Paradoxon, wie man es ſo oft genannt hat, findet ſich in vielen einzelnen Phaͤnomenen wieder. Wenn man den weiten Schenkel AB (Fig. 85.) der Roͤhre ABCD, deren enger Schenkel CD ſehr hoch iſt, mit Blaſe feſt zubindet und dieſe Blaſe mit großen Gewichten beſchwert, ſo wird dennoch, nach- dem CD bis oben gefuͤllt iſt, die Blaſe ſtark nach außen gedraͤngt und das aufgelegte Gewicht gehoben werden, obgleich die in CD druͤckende Waſſermenge ſehr geringe iſt. Waͤre CD ſo eng, daß ihr Querſchnitt nur 1 Quadratzoll betruͤge, ſo faßt ſie, ſelbſt bei 10 Fuß Hoͤhe nur etwa 5 Pfund Waſſer; iſt dagegen AB einen Quadrat- fuß groß und das Waſſer ſteht in C 10 Fuß hoͤher als in AB, ſo leidet die Oberflaͤche AB einen Druck von 700 Pfunden, den jene 5 Pfunde ausuͤben. Ein andrer Verſuch iſt faſt noch auffallender. Man ſtelle das cylindriſche Gefaͤß AB (Fig. 86.) auf eine Waage- ſchale oder verbinde es mit dem Ende des Waagebalkens AD, gieße nur wenig Waſſer hinein und bringe alles ins Gleichgewicht. Nun ſtelle man die Waage ſo auf, daß ſie ſich vertical unter dem ſoliden Cylinder CD befinde, der an einem feſten Fuße E ſo befeſtigt iſt,
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waͤre, und der Druck auf fg dem Gewichte der ganzen Waſſerſaͤule
degf gleich; beide ſtreben einander entgegen und wuͤrden das Ge-
faͤß, wenn es ſchwach genug waͤre, zerſprengen; aber wer das ganze,
hinreichend feſte Gefaͤß haͤlt, empfindet nur den aus der Differenz
beider hervorgehenden Druck, oder in Beziehung auf alle aͤhnliche
Waſſerſaͤulen geſprochen, hat er das Gewicht aller dieſer Waſſerſaͤu-
len zu tragen.
Und eben hierin liegt denn auch der Aufſchluß uͤber eine
aͤhnliche Ungleichheit im Seitendrucke. Wenn die Wand AB
(Fig. 84.) viel groͤßer als die gegenuͤberſtehende CD iſt, ſo leidet
freilich AB einen groͤßern Druck, aber der bei der Zerlegung hervor-
gehende horizontale Druck iſt ſo groß fuͤr AB als fuͤr CD, und das
Gefaͤß zeigt daher kein Beſtreben nach horizontaler Richtung fortzu-
ruͤcken, ſo lange alle Waͤnde des Gefaͤßes feſt vereinigt bleiben, oder
das Gefaͤß nicht zerſprengt wird.
Eben dieſes bisher betrachtete Paradoxon, wie man es ſo oft
genannt hat, findet ſich in vielen einzelnen Phaͤnomenen wieder.
Wenn man den weiten Schenkel AB (Fig. 85.) der Roͤhre ABCD,
deren enger Schenkel CD ſehr hoch iſt, mit Blaſe feſt zubindet und
dieſe Blaſe mit großen Gewichten beſchwert, ſo wird dennoch, nach-
dem CD bis oben gefuͤllt iſt, die Blaſe ſtark nach außen gedraͤngt
und das aufgelegte Gewicht gehoben werden, obgleich die in CD
druͤckende Waſſermenge ſehr geringe iſt. Waͤre CD ſo eng, daß ihr
Querſchnitt nur 1 Quadratzoll betruͤge, ſo faßt ſie, ſelbſt bei 10 Fuß
Hoͤhe nur etwa 5 Pfund Waſſer; iſt dagegen AB einen Quadrat-
fuß groß und das Waſſer ſteht in C 10 Fuß hoͤher als in AB, ſo
leidet die Oberflaͤche AB einen Druck von 700 Pfunden, den jene
5 Pfunde ausuͤben. Ein andrer Verſuch iſt faſt noch auffallender.
Man ſtelle das cylindriſche Gefaͤß AB (Fig. 86.) auf eine Waage-
ſchale oder verbinde es mit dem Ende des Waagebalkens AD, gieße
nur wenig Waſſer hinein und bringe alles ins Gleichgewicht. Nun
ſtelle man die Waage ſo auf, daß ſie ſich vertical unter dem ſoliden
Cylinder CD befinde, der an einem feſten Fuße E ſo befeſtigt iſt,
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/168>, abgerufen am 16.07.2024.
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