tes Ansehen erhalten. Der Hauptstrom der Meere nämlich, welcher unter dem Aequator und in den tropischen Gegenden von Osten nach Westen geht, scheint theils von der beständig nach dieser Richtung fortgehenden Fluth, theils von der in östlichern Gegenden immer etwas größern Erwärmung des Wassers, theils von dem östlichen Passatwinde herzukommen. Was die Erwärmung betrifft, so scheint es zwar, daß von jedem mehr erwärmten Puncte aus ein Strom an der Oberfläche, nach Osten so wohl, als nach Westen, entstehen sollte; aber indem die Sonne und mit ihr die am meisten erwärmte Gegend unaufhörlich nach Westen fortrückt, wird der nach Osten gehende Strom in jedem Augenblicke zerstört, der nach We- sten gehende dagegen verstärkt. Dieser, im Atlantischen Meere so sehr merkliche Strom, der vielleicht sehr wesentlich zur Ausbildung der Form beigetragen hat, welche die Küsten America's erhalten haben, drängt sich da, wo diese Küsten seinen Fortgang hindern, nördlich und ist als warmer Strom, unter dem Namen Golph- strom noch in sehr nördlichen Gegenden kenntlich. Was in diesen Gegenden seinen genau bestimmten Lauf so fest auf eine gewisse Breite, auf eine gewisse Richtung beschränkt, wie von Humboldt es so schön und belehrend nachweist *), ob davon die große Tiefe der Meere in den Gegenden dieses Stromes die Ursache ist, oder ob diese Tiefe durch den Strom erst gebildet ist, das ist wohl nicht ganz zu entscheiden möglich. Aber merkwürdig ist, daß neben ihm dicht an der Küste des nördlichsten America bei Neu-Fundland, Neu- Schottland, Cap Breton ein kalter Strom statt zu finden scheint **).
Die Winde entstehen gewiß zum Theil aus dieser ungleichen Wärme. Die Atmosphäre ist immer am Aequator mehr, als gegen die Pole hin, erwärmt, und es besteht daher im Allgemeinen ein Bestreben der kalten Luft, nahe an der Erde gegen den Aequator zuzuströmen. Dieser auf der nördlichen Halbkugel nördliche Wind geht in einen nordöstlichen oder östlichen über, weil die mit der Um- drehung der Erde nach Osten fortrückenden Lufttheilchen in der Nähe der Pole nicht die Schnelligkeit besitzen, wie die Oberfläche der Erde am Aequator; die nach Osten zu fortgeführten Gegenstände
*) v. Humboldt Reise. 1 Th. S. 84.
**)Gilb. Ann. LXII. 143.
tes Anſehen erhalten. Der Hauptſtrom der Meere naͤmlich, welcher unter dem Aequator und in den tropiſchen Gegenden von Oſten nach Weſten geht, ſcheint theils von der beſtaͤndig nach dieſer Richtung fortgehenden Fluth, theils von der in oͤſtlichern Gegenden immer etwas groͤßern Erwaͤrmung des Waſſers, theils von dem oͤſtlichen Paſſatwinde herzukommen. Was die Erwaͤrmung betrifft, ſo ſcheint es zwar, daß von jedem mehr erwaͤrmten Puncte aus ein Strom an der Oberflaͤche, nach Oſten ſo wohl, als nach Weſten, entſtehen ſollte; aber indem die Sonne und mit ihr die am meiſten erwaͤrmte Gegend unaufhoͤrlich nach Weſten fortruͤckt, wird der nach Oſten gehende Strom in jedem Augenblicke zerſtoͤrt, der nach We- ſten gehende dagegen verſtaͤrkt. Dieſer, im Atlantiſchen Meere ſo ſehr merkliche Strom, der vielleicht ſehr weſentlich zur Ausbildung der Form beigetragen hat, welche die Kuͤſten America's erhalten haben, draͤngt ſich da, wo dieſe Kuͤſten ſeinen Fortgang hindern, noͤrdlich und iſt als warmer Strom, unter dem Namen Golph- ſtrom noch in ſehr noͤrdlichen Gegenden kenntlich. Was in dieſen Gegenden ſeinen genau beſtimmten Lauf ſo feſt auf eine gewiſſe Breite, auf eine gewiſſe Richtung beſchraͤnkt, wie von Humboldt es ſo ſchoͤn und belehrend nachweiſt *), ob davon die große Tiefe der Meere in den Gegenden dieſes Stromes die Urſache iſt, oder ob dieſe Tiefe durch den Strom erſt gebildet iſt, das iſt wohl nicht ganz zu entſcheiden moͤglich. Aber merkwuͤrdig iſt, daß neben ihm dicht an der Kuͤſte des noͤrdlichſten America bei Neu-Fundland, Neu- Schottland, Cap Breton ein kalter Strom ſtatt zu finden ſcheint **).
Die Winde entſtehen gewiß zum Theil aus dieſer ungleichen Waͤrme. Die Atmoſphaͤre iſt immer am Aequator mehr, als gegen die Pole hin, erwaͤrmt, und es beſteht daher im Allgemeinen ein Beſtreben der kalten Luft, nahe an der Erde gegen den Aequator zuzuſtroͤmen. Dieſer auf der noͤrdlichen Halbkugel noͤrdliche Wind geht in einen nordoͤſtlichen oder oͤſtlichen uͤber, weil die mit der Um- drehung der Erde nach Oſten fortruͤckenden Lufttheilchen in der Naͤhe der Pole nicht die Schnelligkeit beſitzen, wie die Oberflaͤche der Erde am Aequator; die nach Oſten zu fortgefuͤhrten Gegenſtaͤnde
*) v. Humboldt Reiſe. 1 Th. S. 84.
**)Gilb. Ann. LXII. 143.
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tes Anſehen erhalten. Der Hauptſtrom der Meere naͤmlich, welcher
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Weſten geht, ſcheint theils von der beſtaͤndig nach dieſer Richtung
fortgehenden Fluth, theils von der in oͤſtlichern Gegenden immer
etwas groͤßern Erwaͤrmung des Waſſers, theils von dem oͤſtlichen
Paſſatwinde herzukommen. Was die Erwaͤrmung betrifft, ſo
ſcheint es zwar, daß von jedem mehr erwaͤrmten Puncte aus ein
Strom an der Oberflaͤche, nach Oſten ſo wohl, als nach Weſten,
entſtehen ſollte; aber indem die Sonne und mit ihr die am meiſten
erwaͤrmte Gegend unaufhoͤrlich nach Weſten fortruͤckt, wird der nach
Oſten gehende Strom in jedem Augenblicke zerſtoͤrt, der nach We-
ſten gehende dagegen verſtaͤrkt. Dieſer, im Atlantiſchen Meere ſo
ſehr merkliche Strom, der vielleicht ſehr weſentlich zur Ausbildung
der Form beigetragen hat, welche die Kuͤſten America's erhalten
haben, draͤngt ſich da, wo dieſe Kuͤſten ſeinen Fortgang hindern,
noͤrdlich und iſt als warmer Strom, unter dem Namen Golph-
ſtrom noch in ſehr noͤrdlichen Gegenden kenntlich. Was in dieſen
Gegenden ſeinen genau beſtimmten Lauf ſo feſt auf eine gewiſſe
Breite, auf eine gewiſſe Richtung beſchraͤnkt, wie von Humboldt
es ſo ſchoͤn und belehrend nachweiſt *), ob davon die große Tiefe der
Meere in den Gegenden dieſes Stromes die Urſache iſt, oder ob
dieſe Tiefe durch den Strom erſt gebildet iſt, das iſt wohl nicht ganz
zu entſcheiden moͤglich. Aber merkwuͤrdig iſt, daß neben ihm dicht
an der Kuͤſte des noͤrdlichſten America bei Neu-Fundland, Neu-
Schottland, Cap Breton ein kalter Strom ſtatt zu finden ſcheint **).
Die Winde entſtehen gewiß zum Theil aus dieſer ungleichen
Waͤrme. Die Atmoſphaͤre iſt immer am Aequator mehr, als gegen
die Pole hin, erwaͤrmt, und es beſteht daher im Allgemeinen ein
Beſtreben der kalten Luft, nahe an der Erde gegen den Aequator
zuzuſtroͤmen. Dieſer auf der noͤrdlichen Halbkugel noͤrdliche Wind
geht in einen nordoͤſtlichen oder oͤſtlichen uͤber, weil die mit der Um-
drehung der Erde nach Oſten fortruͤckenden Lufttheilchen in der
Naͤhe der Pole nicht die Schnelligkeit beſitzen, wie die Oberflaͤche der
Erde am Aequator; die nach Oſten zu fortgefuͤhrten Gegenſtaͤnde
*) v. Humboldt Reiſe. 1 Th. S. 84.
**) Gilb. Ann. LXII. 143.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/164>, abgerufen am 16.07.2024.
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