oder höhern Grad; dabei ist der Druck, den die Wände leiden, erst dann dem vollen Werthe der auf aa drückenden Kraft angemessen, wenn die Zusammendrückung den Grad erreicht hat, welchen die angebrachte Kraft hervorzubringen vermag. Wird der Kolben zurückgezogen, so dehnt die Luft sich aus, und der Druck auf die Wände hört keinesweges ganz auf, obgleich er immer geringer wird, je mehr die Dichtigkeit der Luft abnimmt. Wegen dieser Fähigkeit der Luft, sich in einen größern Raum auszudehnen, heißt sie elastisch, und das Wasser ist dagegen unelastisch, eben deshalb aber auch tropfbar. Wollten wir nämlich eine kleine Luftmasse, so wie wir einen Tropfen Wasser hervorheben, in einen luftleeren Raum übertragen, so würde dieses Theilchen sich sogleich ausdehnen, und also aufhören, einen Tropfen zu bil- den. Daß das Wasser sich als Tropfen in den leeren Raum hinübertragen läßt, beruht offenbar darauf, daß die Anziehungs- kraft seiner einzelnen Theilchen den Tropfen zusammenhält, und eine viel zu unerhebliche Kraft abstoßend entgegen wirkt; bei der Luft hingegen hat die abstoßende Kraft, welche durch die Wärme vermehrt wird, und vielleicht einzig eine Folge der Wärme ist, das Uebergewicht. Jene anziehende Kraft der Wassertheilchen er- klärt auch die der Kugelform ähnliche Gestalt der Wassertropfen, die sich, an einem festen Körper hängend, der Schwere wegen, verlängern, und auf einer horizontalen Fläche ruhend, durch die Schwere und durch die Anziehungskraft der Ebne eine breitere Form annehmen; Quecksilbertropfen bleiben, wenn sie klein sind, fast ganz kugelrund, weil die Attractionskraft ihrer Theilchen gegen einander sehr groß ist. Wassertropfen rollen über einer mit Staub, am besten mit Hexenmehl (semen lycopodii), bestreuten Fläche ku- gelförmig fort, weil sie gegen die mit diesem Pulver bedeckte Fläche fast gar keine Anziehung zeigen.
Ich kehre von dieser Abschweifung zu der Betrachtung des durch den flüssigen Körper fortgepflanzten Druckes zurück. Um hier das genau anzugeben, was ich vorhin, ohne mich genauer zu er- klären, den der wirkenden Kraft angemessenen Druck nannte, will ich annehmen, die untere Fläche des Kolbens A enthalte einen Quadratzoll (Fig. 73.), und bei f sowohl als bei g sei eine ebenso große durch einen Deckel verschlossene Oeffnung; dann wird jeder
oder hoͤhern Grad; dabei iſt der Druck, den die Waͤnde leiden, erſt dann dem vollen Werthe der auf aa druͤckenden Kraft angemeſſen, wenn die Zuſammendruͤckung den Grad erreicht hat, welchen die angebrachte Kraft hervorzubringen vermag. Wird der Kolben zuruͤckgezogen, ſo dehnt die Luft ſich aus, und der Druck auf die Waͤnde hoͤrt keinesweges ganz auf, obgleich er immer geringer wird, je mehr die Dichtigkeit der Luft abnimmt. Wegen dieſer Faͤhigkeit der Luft, ſich in einen groͤßern Raum auszudehnen, heißt ſie elaſtiſch, und das Waſſer iſt dagegen unelaſtiſch, eben deshalb aber auch tropfbar. Wollten wir naͤmlich eine kleine Luftmaſſe, ſo wie wir einen Tropfen Waſſer hervorheben, in einen luftleeren Raum uͤbertragen, ſo wuͤrde dieſes Theilchen ſich ſogleich ausdehnen, und alſo aufhoͤren, einen Tropfen zu bil- den. Daß das Waſſer ſich als Tropfen in den leeren Raum hinuͤbertragen laͤßt, beruht offenbar darauf, daß die Anziehungs- kraft ſeiner einzelnen Theilchen den Tropfen zuſammenhaͤlt, und eine viel zu unerhebliche Kraft abſtoßend entgegen wirkt; bei der Luft hingegen hat die abſtoßende Kraft, welche durch die Waͤrme vermehrt wird, und vielleicht einzig eine Folge der Waͤrme iſt, das Uebergewicht. Jene anziehende Kraft der Waſſertheilchen er- klaͤrt auch die der Kugelform aͤhnliche Geſtalt der Waſſertropfen, die ſich, an einem feſten Koͤrper haͤngend, der Schwere wegen, verlaͤngern, und auf einer horizontalen Flaͤche ruhend, durch die Schwere und durch die Anziehungskraft der Ebne eine breitere Form annehmen; Queckſilbertropfen bleiben, wenn ſie klein ſind, faſt ganz kugelrund, weil die Attractionskraft ihrer Theilchen gegen einander ſehr groß iſt. Waſſertropfen rollen uͤber einer mit Staub, am beſten mit Hexenmehl (semen lycopodii), beſtreuten Flaͤche ku- gelfoͤrmig fort, weil ſie gegen die mit dieſem Pulver bedeckte Flaͤche faſt gar keine Anziehung zeigen.
Ich kehre von dieſer Abſchweifung zu der Betrachtung des durch den fluͤſſigen Koͤrper fortgepflanzten Druckes zuruͤck. Um hier das genau anzugeben, was ich vorhin, ohne mich genauer zu er- klaͤren, den der wirkenden Kraft angemeſſenen Druck nannte, will ich annehmen, die untere Flaͤche des Kolbens A enthalte einen Quadratzoll (Fig. 73.), und bei f ſowohl als bei g ſei eine ebenſo große durch einen Deckel verſchloſſene Oeffnung; dann wird jeder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0152"n="130"/>
oder hoͤhern Grad; dabei iſt der Druck, den die Waͤnde leiden, erſt<lb/>
dann dem vollen Werthe der auf <hirendition="#aq"><hirendition="#b">aa</hi></hi> druͤckenden Kraft angemeſſen,<lb/>
wenn die Zuſammendruͤckung den Grad erreicht hat, welchen die<lb/>
angebrachte Kraft hervorzubringen vermag. Wird der Kolben<lb/>
zuruͤckgezogen, ſo dehnt die Luft ſich aus, und der Druck auf die<lb/>
Waͤnde hoͤrt keinesweges ganz auf, obgleich er immer geringer<lb/>
wird, je mehr die Dichtigkeit der Luft abnimmt. Wegen dieſer<lb/>
Faͤhigkeit der Luft, ſich in einen groͤßern Raum auszudehnen,<lb/>
heißt ſie <hirendition="#g">elaſtiſch</hi>, und das Waſſer iſt dagegen <hirendition="#g">unelaſtiſch</hi>,<lb/>
eben deshalb aber auch <hirendition="#g">tropfbar</hi>. Wollten wir naͤmlich eine<lb/>
kleine Luftmaſſe, ſo wie wir einen Tropfen Waſſer hervorheben,<lb/>
in einen luftleeren Raum uͤbertragen, ſo wuͤrde dieſes Theilchen<lb/>ſich ſogleich ausdehnen, und alſo aufhoͤren, einen Tropfen zu bil-<lb/>
den. Daß das Waſſer ſich als Tropfen in den leeren Raum<lb/>
hinuͤbertragen laͤßt, beruht offenbar darauf, daß die Anziehungs-<lb/>
kraft ſeiner einzelnen Theilchen den Tropfen zuſammenhaͤlt, und<lb/>
eine viel zu unerhebliche Kraft abſtoßend entgegen wirkt; bei der<lb/>
Luft hingegen hat die abſtoßende Kraft, welche durch die Waͤrme<lb/>
vermehrt wird, und vielleicht einzig eine Folge der Waͤrme iſt,<lb/>
das Uebergewicht. Jene anziehende Kraft der Waſſertheilchen er-<lb/>
klaͤrt auch die der Kugelform aͤhnliche Geſtalt der Waſſertropfen,<lb/>
die ſich, an einem feſten Koͤrper haͤngend, der Schwere wegen,<lb/>
verlaͤngern, und auf einer horizontalen Flaͤche ruhend, durch die<lb/>
Schwere und durch die Anziehungskraft der Ebne eine breitere<lb/>
Form annehmen; Queckſilbertropfen bleiben, wenn ſie klein ſind,<lb/>
faſt ganz kugelrund, weil die Attractionskraft ihrer Theilchen gegen<lb/>
einander ſehr groß iſt. Waſſertropfen rollen uͤber einer mit Staub,<lb/>
am beſten mit Hexenmehl (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">semen lycopodii</hi></hi>), beſtreuten Flaͤche ku-<lb/>
gelfoͤrmig fort, weil ſie gegen die mit dieſem Pulver bedeckte Flaͤche<lb/>
faſt gar keine Anziehung zeigen.</p><lb/><p>Ich kehre von dieſer Abſchweifung zu der Betrachtung des<lb/>
durch den fluͤſſigen Koͤrper fortgepflanzten Druckes zuruͤck. Um hier<lb/>
das genau anzugeben, was ich vorhin, ohne mich genauer zu er-<lb/>
klaͤren, den der wirkenden Kraft angemeſſenen Druck nannte, will<lb/>
ich annehmen, die untere Flaͤche des Kolbens <hirendition="#aq"><hirendition="#b">A</hi></hi> enthalte einen<lb/>
Quadratzoll (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 73.</hi></hi>), und bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">f</hi></hi>ſowohl als bei <hirendition="#aq"><hirendition="#b">g</hi></hi>ſei eine ebenſo<lb/>
große durch einen Deckel verſchloſſene Oeffnung; dann wird jeder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[130/0152]
oder hoͤhern Grad; dabei iſt der Druck, den die Waͤnde leiden, erſt
dann dem vollen Werthe der auf aa druͤckenden Kraft angemeſſen,
wenn die Zuſammendruͤckung den Grad erreicht hat, welchen die
angebrachte Kraft hervorzubringen vermag. Wird der Kolben
zuruͤckgezogen, ſo dehnt die Luft ſich aus, und der Druck auf die
Waͤnde hoͤrt keinesweges ganz auf, obgleich er immer geringer
wird, je mehr die Dichtigkeit der Luft abnimmt. Wegen dieſer
Faͤhigkeit der Luft, ſich in einen groͤßern Raum auszudehnen,
heißt ſie elaſtiſch, und das Waſſer iſt dagegen unelaſtiſch,
eben deshalb aber auch tropfbar. Wollten wir naͤmlich eine
kleine Luftmaſſe, ſo wie wir einen Tropfen Waſſer hervorheben,
in einen luftleeren Raum uͤbertragen, ſo wuͤrde dieſes Theilchen
ſich ſogleich ausdehnen, und alſo aufhoͤren, einen Tropfen zu bil-
den. Daß das Waſſer ſich als Tropfen in den leeren Raum
hinuͤbertragen laͤßt, beruht offenbar darauf, daß die Anziehungs-
kraft ſeiner einzelnen Theilchen den Tropfen zuſammenhaͤlt, und
eine viel zu unerhebliche Kraft abſtoßend entgegen wirkt; bei der
Luft hingegen hat die abſtoßende Kraft, welche durch die Waͤrme
vermehrt wird, und vielleicht einzig eine Folge der Waͤrme iſt,
das Uebergewicht. Jene anziehende Kraft der Waſſertheilchen er-
klaͤrt auch die der Kugelform aͤhnliche Geſtalt der Waſſertropfen,
die ſich, an einem feſten Koͤrper haͤngend, der Schwere wegen,
verlaͤngern, und auf einer horizontalen Flaͤche ruhend, durch die
Schwere und durch die Anziehungskraft der Ebne eine breitere
Form annehmen; Queckſilbertropfen bleiben, wenn ſie klein ſind,
faſt ganz kugelrund, weil die Attractionskraft ihrer Theilchen gegen
einander ſehr groß iſt. Waſſertropfen rollen uͤber einer mit Staub,
am beſten mit Hexenmehl (semen lycopodii), beſtreuten Flaͤche ku-
gelfoͤrmig fort, weil ſie gegen die mit dieſem Pulver bedeckte Flaͤche
faſt gar keine Anziehung zeigen.
Ich kehre von dieſer Abſchweifung zu der Betrachtung des
durch den fluͤſſigen Koͤrper fortgepflanzten Druckes zuruͤck. Um hier
das genau anzugeben, was ich vorhin, ohne mich genauer zu er-
klaͤren, den der wirkenden Kraft angemeſſenen Druck nannte, will
ich annehmen, die untere Flaͤche des Kolbens A enthalte einen
Quadratzoll (Fig. 73.), und bei f ſowohl als bei g ſei eine ebenſo
große durch einen Deckel verſchloſſene Oeffnung; dann wird jeder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/152>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.