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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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würde. Diese Mittheilung des Druckes findet aber nicht bloß
in einigem Grade nach allen Seiten statt, sondern sie ist auch
gleichmäßig stark nach allen Seiten. Wäre jenes Gefäß mit
Sand gefüllt, so würden wir auch bemerken, daß ein Druck bei
A auf den Sand, vermittelst eines Kolbens ausgeübt, den Sand
aus Oeffnungen bei f hervortreiben würde, aber gewiß wäre die
Menge des bei f herausgedrängten Sandes nur geringe, und bei e
weit erheblicher *). Wasser dagegen, wenn wir von dem, was
die Schwere bewirkt, absehen, dringt mit gleicher Gewalt hervor,
der Strahl mag in g oder in f einen Ausgang finden, und das
ist es, was wir gleichmäßige Fortpflanzung des Druckes nach allen
Seiten nennen.

Diese Eigenschaft der gleichen Fortpflanzung des Druckes
nach allen Seiten ist allen vollkommen flüssigen Körpern ge-
mein, und nur die unvollkommen flüssigen, die, wie Honig
und andere zähe Flüssigkeiten, auch eine mindere Beweglichkeit der
Theile zeigen, können, zumal wenn sie dem völligen Erstarren
ziemlich nahe sind, eine merkliche Abweichung zeigen. Unter den
flüssigen Körpern aber, wenn sie auch vollkommen flüssig sind,
findet eine große Verschiedenheit darin statt, daß das Wasser
und ähnliche Körper tropfbar und unelastisch, alle Luft-Arten
und Dämpfe dagegen elastisch sind. Wenn in dem Gefäße EFGH
Wasser, Weingeist, oder eine ähnliche Flüssigkeit enthalten ist,
die das Gefäß ganz füllet, so läßt sich der Kolben bei a fast gar
nicht hineindrängen und gleichwohl leidet jeder Theil der Wand
des Gefäßes einen, der auf A wirkenden Kraft gemäßen, Druck;
zieht man dagegen den Kolben in der Röhre aA zurück, so ent-
fernt der Kolben sich sogleich von der Oberfläche des Wassers,
und aller durch seine Wirkung entstehende Druck auf die Wände
hört sogleich auf. Drückt dagegen der Kolben bei aa auf Luft,
die im Gefäße enthalten ist, so wird diese in einen engern Raum
getrieben und nach Maaßgabe des geringern oder stärkern auf aa
wirkenden Druckes erreicht diese Zusammenpressung einen geringern

*) Wie sehr doch auch der Sand sich hier von dem, was flüssige
Körper ergeben, abweichend zeigt, erhellt aus Huber-Burnaud's
Versuchen Biblioth. univ. XL. 22.
I.I

wuͤrde. Dieſe Mittheilung des Druckes findet aber nicht bloß
in einigem Grade nach allen Seiten ſtatt, ſondern ſie iſt auch
gleichmaͤßig ſtark nach allen Seiten. Waͤre jenes Gefaͤß mit
Sand gefuͤllt, ſo wuͤrden wir auch bemerken, daß ein Druck bei
A auf den Sand, vermittelſt eines Kolbens ausgeuͤbt, den Sand
aus Oeffnungen bei f hervortreiben wuͤrde, aber gewiß waͤre die
Menge des bei f herausgedraͤngten Sandes nur geringe, und bei e
weit erheblicher *). Waſſer dagegen, wenn wir von dem, was
die Schwere bewirkt, abſehen, dringt mit gleicher Gewalt hervor,
der Strahl mag in g oder in f einen Ausgang finden, und das
iſt es, was wir gleichmaͤßige Fortpflanzung des Druckes nach allen
Seiten nennen.

Dieſe Eigenſchaft der gleichen Fortpflanzung des Druckes
nach allen Seiten iſt allen vollkommen fluͤſſigen Koͤrpern ge-
mein, und nur die unvollkommen fluͤſſigen, die, wie Honig
und andere zaͤhe Fluͤſſigkeiten, auch eine mindere Beweglichkeit der
Theile zeigen, koͤnnen, zumal wenn ſie dem voͤlligen Erſtarren
ziemlich nahe ſind, eine merkliche Abweichung zeigen. Unter den
fluͤſſigen Koͤrpern aber, wenn ſie auch vollkommen fluͤſſig ſind,
findet eine große Verſchiedenheit darin ſtatt, daß das Waſſer
und aͤhnliche Koͤrper tropfbar und unelaſtiſch, alle Luft-Arten
und Daͤmpfe dagegen elaſtiſch ſind. Wenn in dem Gefaͤße EFGH
Waſſer, Weingeiſt, oder eine aͤhnliche Fluͤſſigkeit enthalten iſt,
die das Gefaͤß ganz fuͤllet, ſo laͤßt ſich der Kolben bei a faſt gar
nicht hineindraͤngen und gleichwohl leidet jeder Theil der Wand
des Gefaͤßes einen, der auf A wirkenden Kraft gemaͤßen, Druck;
zieht man dagegen den Kolben in der Roͤhre aA zuruͤck, ſo ent-
fernt der Kolben ſich ſogleich von der Oberflaͤche des Waſſers,
und aller durch ſeine Wirkung entſtehende Druck auf die Waͤnde
hoͤrt ſogleich auf. Druͤckt dagegen der Kolben bei aa auf Luft,
die im Gefaͤße enthalten iſt, ſo wird dieſe in einen engern Raum
getrieben und nach Maaßgabe des geringern oder ſtaͤrkern auf aa
wirkenden Druckes erreicht dieſe Zuſammenpreſſung einen geringern

*) Wie ſehr doch auch der Sand ſich hier von dem, was fluͤſſige
Koͤrper ergeben, abweichend zeigt, erhellt aus Huber-Burnaud's
Verſuchen Biblioth. univ. XL. 22.
I.I
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[129/0151] wuͤrde. Dieſe Mittheilung des Druckes findet aber nicht bloß in einigem Grade nach allen Seiten ſtatt, ſondern ſie iſt auch gleichmaͤßig ſtark nach allen Seiten. Waͤre jenes Gefaͤß mit Sand gefuͤllt, ſo wuͤrden wir auch bemerken, daß ein Druck bei A auf den Sand, vermittelſt eines Kolbens ausgeuͤbt, den Sand aus Oeffnungen bei f hervortreiben wuͤrde, aber gewiß waͤre die Menge des bei f herausgedraͤngten Sandes nur geringe, und bei e weit erheblicher *). Waſſer dagegen, wenn wir von dem, was die Schwere bewirkt, abſehen, dringt mit gleicher Gewalt hervor, der Strahl mag in g oder in f einen Ausgang finden, und das iſt es, was wir gleichmaͤßige Fortpflanzung des Druckes nach allen Seiten nennen. Dieſe Eigenſchaft der gleichen Fortpflanzung des Druckes nach allen Seiten iſt allen vollkommen fluͤſſigen Koͤrpern ge- mein, und nur die unvollkommen fluͤſſigen, die, wie Honig und andere zaͤhe Fluͤſſigkeiten, auch eine mindere Beweglichkeit der Theile zeigen, koͤnnen, zumal wenn ſie dem voͤlligen Erſtarren ziemlich nahe ſind, eine merkliche Abweichung zeigen. Unter den fluͤſſigen Koͤrpern aber, wenn ſie auch vollkommen fluͤſſig ſind, findet eine große Verſchiedenheit darin ſtatt, daß das Waſſer und aͤhnliche Koͤrper tropfbar und unelaſtiſch, alle Luft-Arten und Daͤmpfe dagegen elaſtiſch ſind. Wenn in dem Gefaͤße EFGH Waſſer, Weingeiſt, oder eine aͤhnliche Fluͤſſigkeit enthalten iſt, die das Gefaͤß ganz fuͤllet, ſo laͤßt ſich der Kolben bei a faſt gar nicht hineindraͤngen und gleichwohl leidet jeder Theil der Wand des Gefaͤßes einen, der auf A wirkenden Kraft gemaͤßen, Druck; zieht man dagegen den Kolben in der Roͤhre aA zuruͤck, ſo ent- fernt der Kolben ſich ſogleich von der Oberflaͤche des Waſſers, und aller durch ſeine Wirkung entſtehende Druck auf die Waͤnde hoͤrt ſogleich auf. Druͤckt dagegen der Kolben bei aa auf Luft, die im Gefaͤße enthalten iſt, ſo wird dieſe in einen engern Raum getrieben und nach Maaßgabe des geringern oder ſtaͤrkern auf aa wirkenden Druckes erreicht dieſe Zuſammenpreſſung einen geringern *) Wie ſehr doch auch der Sand ſich hier von dem, was fluͤſſige Koͤrper ergeben, abweichend zeigt, erhellt aus Huber-Burnaud's Verſuchen Biblioth. univ. XL. 22. I.I

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/151>, abgerufen am 24.11.2024.