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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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genaue Schwingungszeit zu finden, noch nicht erwähnt habe, so
mag davon jetzt zuerst die Rede sein. Und hier klingt es freilich im
ersten Augenblicke unglaublich, wenn man sagt, daß bei Bessel's
Versuchen jede einzelne Beobachtungsreihe die Schwingungszeit sei-
nes Pendels selten um ein ganzes Hunderttausendtel einer Secunde
unsicher ließ. Aber dieses Unglaubliche wird schon etwas näher in
die Grenze des uns Begreiflichen gebracht, wenn wir überlegen, daß
sein Pendel 4000 bis 6000 einzelne Schwingungen ungestört hinter
einander vollendete, daß also der Zeitraum zwischen der ersten und
letzten Schwingung bis auf 1 Sec. genau beobachtet, schon die Zeit
jeder einzelnen Schwingung bis auf oder Secunde genau
geben würde, und daß diese Genauigkeit noch in hohem Grade zu-
nahm, weil sich in dieser langen Reihe von Schwingungen eine Menge
einzelner Bestimmungen, für die ersten 500, für die zweiten 500 und
so ferner darboten. Aber auch in der Art, wie die Beobachtung
angestellt ward, lag das Mittel zu Erreichung einer so großen Ge-
nauigkeit. Die Methode der Beobachtung der Coincidenzen besteht
bei den Pendeln darin, daß man zwei Pendel, die keinen genau
gleichen Zeitraum zu ihren Schwingungen brauchen, beim Zusam-
mentreffen ihrer Schläge beobachtet, und hiezu machte Bessel
folgende Einrichtung. Es ward eine genau gehende Uhr vor dem
zu beobachtenden Hauptpendel aufgestellt, jedoch entfernt genug, da-
mit nicht etwa die Schläge der Uhr auf jenes Pendel störend ein-
wirken könnten. An dem Pendel der Uhr befand sich ein kleines
Loch, durch welches man, bei der tiefsten Lage des Pendels, auf die
weiß gelassene Mitte der Scale sah, die sich hinter dem zu beobach-
tenden Hauptpendel befand; aber dieses Weiß wurde, wenn das zu
beobachtende Pendel entweder ruhete oder auch bei der Bewegung
seinen tiefsten Punct erreichte, von einem an demselben befestigten
schwarzen Cylinder bedeckt, und wenn beide Pendel in Schwingung
waren, so sah das durch ein Fernrohr auf jenes Weiß gerichtete
Auge, beim Eintreffen des Uhrpendels im tiefsten Puncte, durch das
Loch desselben, in den meisten Fällen jenes Weiß, und nur dann,
wenn beide Pendel zugleich ihre tiefste Stellung erreichten, war das
Weiß durch den schwarzen Cylinder des Hauptpendels verdeckt, und
dadurch waren die Coincidenzen merklich gemacht. Diese Coinci-
denzen erfolgen nicht ganz genau in immer gleichen Zwischenräumen,

genaue Schwingungszeit zu finden, noch nicht erwaͤhnt habe, ſo
mag davon jetzt zuerſt die Rede ſein. Und hier klingt es freilich im
erſten Augenblicke unglaublich, wenn man ſagt, daß bei Beſſel's
Verſuchen jede einzelne Beobachtungsreihe die Schwingungszeit ſei-
nes Pendels ſelten um ein ganzes Hunderttauſendtel einer Secunde
unſicher ließ. Aber dieſes Unglaubliche wird ſchon etwas naͤher in
die Grenze des uns Begreiflichen gebracht, wenn wir uͤberlegen, daß
ſein Pendel 4000 bis 6000 einzelne Schwingungen ungeſtoͤrt hinter
einander vollendete, daß alſo der Zeitraum zwiſchen der erſten und
letzten Schwingung bis auf 1 Sec. genau beobachtet, ſchon die Zeit
jeder einzelnen Schwingung bis auf oder Secunde genau
geben wuͤrde, und daß dieſe Genauigkeit noch in hohem Grade zu-
nahm, weil ſich in dieſer langen Reihe von Schwingungen eine Menge
einzelner Beſtimmungen, fuͤr die erſten 500, fuͤr die zweiten 500 und
ſo ferner darboten. Aber auch in der Art, wie die Beobachtung
angeſtellt ward, lag das Mittel zu Erreichung einer ſo großen Ge-
nauigkeit. Die Methode der Beobachtung der Coincidenzen beſteht
bei den Pendeln darin, daß man zwei Pendel, die keinen genau
gleichen Zeitraum zu ihren Schwingungen brauchen, beim Zuſam-
mentreffen ihrer Schlaͤge beobachtet, und hiezu machte Beſſel
folgende Einrichtung. Es ward eine genau gehende Uhr vor dem
zu beobachtenden Hauptpendel aufgeſtellt, jedoch entfernt genug, da-
mit nicht etwa die Schlaͤge der Uhr auf jenes Pendel ſtoͤrend ein-
wirken koͤnnten. An dem Pendel der Uhr befand ſich ein kleines
Loch, durch welches man, bei der tiefſten Lage des Pendels, auf die
weiß gelaſſene Mitte der Scale ſah, die ſich hinter dem zu beobach-
tenden Hauptpendel befand; aber dieſes Weiß wurde, wenn das zu
beobachtende Pendel entweder ruhete oder auch bei der Bewegung
ſeinen tiefſten Punct erreichte, von einem an demſelben befeſtigten
ſchwarzen Cylinder bedeckt, und wenn beide Pendel in Schwingung
waren, ſo ſah das durch ein Fernrohr auf jenes Weiß gerichtete
Auge, beim Eintreffen des Uhrpendels im tiefſten Puncte, durch das
Loch deſſelben, in den meiſten Faͤllen jenes Weiß, und nur dann,
wenn beide Pendel zugleich ihre tiefſte Stellung erreichten, war das
Weiß durch den ſchwarzen Cylinder des Hauptpendels verdeckt, und
dadurch waren die Coincidenzen merklich gemacht. Dieſe Coinci-
denzen erfolgen nicht ganz genau in immer gleichen Zwiſchenraͤumen,

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[109/0131] genaue Schwingungszeit zu finden, noch nicht erwaͤhnt habe, ſo mag davon jetzt zuerſt die Rede ſein. Und hier klingt es freilich im erſten Augenblicke unglaublich, wenn man ſagt, daß bei Beſſel's Verſuchen jede einzelne Beobachtungsreihe die Schwingungszeit ſei- nes Pendels ſelten um ein ganzes Hunderttauſendtel einer Secunde unſicher ließ. Aber dieſes Unglaubliche wird ſchon etwas naͤher in die Grenze des uns Begreiflichen gebracht, wenn wir uͤberlegen, daß ſein Pendel 4000 bis 6000 einzelne Schwingungen ungeſtoͤrt hinter einander vollendete, daß alſo der Zeitraum zwiſchen der erſten und letzten Schwingung bis auf 1 Sec. genau beobachtet, ſchon die Zeit jeder einzelnen Schwingung bis auf [FORMEL] oder [FORMEL] Secunde genau geben wuͤrde, und daß dieſe Genauigkeit noch in hohem Grade zu- nahm, weil ſich in dieſer langen Reihe von Schwingungen eine Menge einzelner Beſtimmungen, fuͤr die erſten 500, fuͤr die zweiten 500 und ſo ferner darboten. Aber auch in der Art, wie die Beobachtung angeſtellt ward, lag das Mittel zu Erreichung einer ſo großen Ge- nauigkeit. Die Methode der Beobachtung der Coincidenzen beſteht bei den Pendeln darin, daß man zwei Pendel, die keinen genau gleichen Zeitraum zu ihren Schwingungen brauchen, beim Zuſam- mentreffen ihrer Schlaͤge beobachtet, und hiezu machte Beſſel folgende Einrichtung. Es ward eine genau gehende Uhr vor dem zu beobachtenden Hauptpendel aufgeſtellt, jedoch entfernt genug, da- mit nicht etwa die Schlaͤge der Uhr auf jenes Pendel ſtoͤrend ein- wirken koͤnnten. An dem Pendel der Uhr befand ſich ein kleines Loch, durch welches man, bei der tiefſten Lage des Pendels, auf die weiß gelaſſene Mitte der Scale ſah, die ſich hinter dem zu beobach- tenden Hauptpendel befand; aber dieſes Weiß wurde, wenn das zu beobachtende Pendel entweder ruhete oder auch bei der Bewegung ſeinen tiefſten Punct erreichte, von einem an demſelben befeſtigten ſchwarzen Cylinder bedeckt, und wenn beide Pendel in Schwingung waren, ſo ſah das durch ein Fernrohr auf jenes Weiß gerichtete Auge, beim Eintreffen des Uhrpendels im tiefſten Puncte, durch das Loch deſſelben, in den meiſten Faͤllen jenes Weiß, und nur dann, wenn beide Pendel zugleich ihre tiefſte Stellung erreichten, war das Weiß durch den ſchwarzen Cylinder des Hauptpendels verdeckt, und dadurch waren die Coincidenzen merklich gemacht. Dieſe Coinci- denzen erfolgen nicht ganz genau in immer gleichen Zwiſchenraͤumen,

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/131>, abgerufen am 25.11.2024.