Bräuner, Johann Jacob: Pest-Büchlein. Frankfurt (Main), 1714.Das X. Capitel. lenzischen Gestanck oder Schrecken in sichhauchet/ oder etwa an einem Essen oder Ge- tränck ein Grauen empfunden. Item/ wenn ein Mensch einen andern anrühret/ von wel- chem er Gedancken schöpffet/ daß er inficirt sey. Auch mancher/ wenn er allzusehr an die Pest gedencket/ und derselben nachsinnet/ und sich solchen übelen und erbärmlichen Zu- stand zu Hertzen ziehet/ kann ebenergestalt durch immagination die Pest bekommen: Denn man hat Exempel/ daß einem/ den ein Brieff von einem inficirten Ort/ wol dreyssig Meilweges fern entlegen/ zu Handen kom- men/ sich vor solchen dergestalt entsetzt/ daß er bald angefangen einen Schauer und Mat- tigkeit zu verspüren/ und in ein Erbrechen zu gerathen: derowegen auch an vielen Orten zu Pest-Zeiten die Brieff 24 Stund in freye Lufft geleget und beräuchert werden. Ist also die Pest nichts anders/ als eine geschwin- de/ anklebrichte und malignische Qualität/ so da leichtlich durch Anhafftung von einem Menschen zum andern kan transferirt wer- den/ so entweder aus Anhauchen/ oder durch Angreiffen gifftigen Geräths und der- gleichen/ kan mitgetheilet werden. Ist also die Pest ein Morbus communis, oder gemei- ne Kranckheit/ also/ wenn sie vermittelst eines Contagii grassirt/ stecket sie auch insgemein viele an/ dahero das Anstecken gleichsam der Character Pestis genennet wird. Solches aber
Das X. Capitel. lenziſchen Geſtanck oder Schrecken in ſichhauchet/ oder etwa an einem Eſſen oder Ge- traͤnck ein Grauen empfunden. Item/ wenn ein Menſch einen andern anruͤhret/ von wel- chem er Gedancken ſchoͤpffet/ daß er inficirt ſey. Auch mancher/ wenn er allzuſehr an die Peſt gedencket/ und derſelben nachſinnet/ und ſich ſolchen uͤbelen und erbaͤrmlichen Zu- ſtand zu Hertzen ziehet/ kann ebenergeſtalt durch immagination die Peſt bekommen: Denn man hat Exempel/ daß einem/ den ein Brieff von einem inficirten Ort/ wol dreyſſig Meilweges fern entlegen/ zu Handen kom- men/ ſich vor ſolchen dergeſtalt entſetzt/ daß er bald angefangen einen Schauer und Mat- tigkeit zu verſpuͤren/ und in ein Erbrechen zu gerathen: derowegen auch an vielen Orten zu Peſt-Zeiten die Brieff 24 Stund in freye Lufft geleget und beraͤuchert werden. Iſt alſo die Peſt nichts anders/ als eine geſchwin- de/ anklebrichte und maligniſche Qualitaͤt/ ſo da leichtlich durch Anhafftung von einem Menſchen zum andern kan transferirt wer- den/ ſo entweder aus Anhauchen/ oder durch Angreiffen gifftigen Geraͤths und der- gleichen/ kan mitgetheilet werden. Iſt alſo die Peſt ein Morbus communis, oder gemei- ne Kranckheit/ alſo/ wenn ſie vermittelſt eines Contagii graſſirt/ ſtecket ſie auch insgemein viele an/ dahero das Anſtecken gleichſam der Character Peſtis genennet wird. Solches aber
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Das X. Capitel.
lenziſchen Geſtanck oder Schrecken in ſich
hauchet/ oder etwa an einem Eſſen oder Ge-
traͤnck ein Grauen empfunden. Item/ wenn
ein Menſch einen andern anruͤhret/ von wel-
chem er Gedancken ſchoͤpffet/ daß er inficirt
ſey. Auch mancher/ wenn er allzuſehr an die
Peſt gedencket/ und derſelben nachſinnet/
und ſich ſolchen uͤbelen und erbaͤrmlichen Zu-
ſtand zu Hertzen ziehet/ kann ebenergeſtalt
durch immagination die Peſt bekommen:
Denn man hat Exempel/ daß einem/ den ein
Brieff von einem inficirten Ort/ wol dreyſſig
Meilweges fern entlegen/ zu Handen kom-
men/ ſich vor ſolchen dergeſtalt entſetzt/ daß
er bald angefangen einen Schauer und Mat-
tigkeit zu verſpuͤren/ und in ein Erbrechen zu
gerathen: derowegen auch an vielen Orten
zu Peſt-Zeiten die Brieff 24 Stund in freye
Lufft geleget und beraͤuchert werden. Iſt
alſo die Peſt nichts anders/ als eine geſchwin-
de/ anklebrichte und maligniſche Qualitaͤt/ ſo
da leichtlich durch Anhafftung von einem
Menſchen zum andern kan transferirt wer-
den/ ſo entweder aus Anhauchen/ oder
durch Angreiffen gifftigen Geraͤths und der-
gleichen/ kan mitgetheilet werden. Iſt alſo
die Peſt ein Morbus communis, oder gemei-
ne Kranckheit/ alſo/ wenn ſie vermittelſt eines
Contagii graſſirt/ ſtecket ſie auch insgemein
viele an/ dahero das Anſtecken gleichſam der
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Zitationshilfe: | Bräuner, Johann Jacob: Pest-Büchlein. Frankfurt (Main), 1714, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeuner_pest_1714/112>, abgerufen am 22.07.2024. |