unter die Nase rieb. Ich faßte Muth, verantwortete mich so gut ich konnte, und sagt' ihr auch gerad' allen Kram heraus, was die Leuth' von ihr redeten, und wofür man sie hielt -- von meinen Gesinnungen hin- gegen kein Wort: "So"! sagte sie: "Was schiert "mich der Leuthe Reden! Ich weiß schon, wer ich "bin -- und hinter dir hätt' ich doch ein wenig mehr "als so viel gesucht. Macht' aber nichts, schadt gar "nichts"! Nachdem dieser Wortwechsel noch ein Weilchen fortgedauert hatte, und mir das Breuz ein wenig in den Kopf stieg, wagt' ich's, ihr ein Bißlin näher zu rücken; denn das zwar bös schei- nende, aber verzweifelt artige Raisonieren gefiel mir in der Seele wohl. Ich erkühnte mich so gar, ihr einige läppische Lehrstücke von erznärrischen Liebko- sungen zu machen. Sie wies mich aber frostig zu- rück, und sagte: "Kannst mir warten! Wer hat dich das gelehrt"? u. d. gl. Dann schwieg sie eine Weile still, guckte steif ins Licht, und ich ein gut Klafter von ihr entfernt -- ihr in's Gesicht: O ihre zwey blauen Aeuglin, die gelben Haarlocken, das nette Näschen, das lose Mäulchen, die sanft rothen Bäcklin, das feine Ohrläpplin, das geründelte Kinn, das glänzend weisse Hälschen -- O in meinem Leben hab' ich so nichts gesehn -- Kein Mahler vom Him- mel könnt's schöner mahlen. "Dürft' ich doch" (dacht' ich) "auch nur ein eineinziges Mal einen "Kuß auf ihr holdes Mündlein thun. Aber nun "hab' ich's schon wieder -- und Ach! wohl gewiß "auf ewig verdorben". Ich nahm also kurz und
unter die Naſe rieb. Ich faßte Muth, verantwortete mich ſo gut ich konnte, und ſagt’ ihr auch gerad’ allen Kram heraus, was die Leuth’ von ihr redeten, und wofuͤr man ſie hielt — von meinen Geſinnungen hin- gegen kein Wort: „So„! ſagte ſie: „Was ſchiert „mich der Leuthe Reden! Ich weiß ſchon, wer ich „bin — und hinter dir haͤtt’ ich doch ein wenig mehr „als ſo viel geſucht. Macht’ aber nichts, ſchadt gar „nichts„! Nachdem dieſer Wortwechſel noch ein Weilchen fortgedauert hatte, und mir das Breuz ein wenig in den Kopf ſtieg, wagt’ ich’s, ihr ein Bißlin naͤher zu ruͤcken; denn das zwar boͤs ſchei- nende, aber verzweifelt artige Raiſonieren gefiel mir in der Seele wohl. Ich erkuͤhnte mich ſo gar, ihr einige laͤppiſche Lehrſtuͤcke von erznaͤrriſchen Liebko- ſungen zu machen. Sie wies mich aber froſtig zu- ruͤck, und ſagte: „Kannſt mir warten! Wer hat dich das gelehrt„? u. d. gl. Dann ſchwieg ſie eine Weile ſtill, guckte ſteif ins Licht, und ich ein gut Klafter von ihr entfernt — ihr in’s Geſicht: O ihre zwey blauen Aeuglin, die gelben Haarlocken, das nette Naͤschen, das loſe Maͤulchen, die ſanft rothen Baͤcklin, das feine Ohrlaͤpplin, das geruͤndelte Kinn, das glaͤnzend weiſſe Haͤlschen — O in meinem Leben hab’ ich ſo nichts geſehn — Kein Mahler vom Him- mel koͤnnt’s ſchoͤner mahlen. „Duͤrft’ ich doch„ (dacht’ ich) „auch nur ein eineinziges Mal einen „Kuß auf ihr holdes Muͤndlein thun. Aber nun „hab’ ich’s ſchon wieder — und Ach! wohl gewiß „auf ewig verdorben„. Ich nahm alſo kurz und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0084"n="68"/>
unter die Naſe rieb. Ich faßte Muth, verantwortete<lb/>
mich ſo gut ich konnte, und ſagt’ ihr auch gerad’ allen<lb/>
Kram heraus, was die Leuth’ von ihr redeten, und<lb/>
wofuͤr man ſie hielt — von meinen Geſinnungen hin-<lb/>
gegen kein Wort: „So„! ſagte ſie: „Was ſchiert<lb/>„mich der Leuthe Reden! Ich weiß ſchon, wer ich<lb/>„bin — und hinter dir haͤtt’ ich doch ein wenig mehr<lb/>„als ſo viel geſucht. Macht’ aber nichts, ſchadt gar<lb/>„nichts„! Nachdem dieſer Wortwechſel noch ein<lb/>
Weilchen fortgedauert hatte, und mir das Breuz<lb/>
ein wenig in den Kopf ſtieg, wagt’ ich’s, ihr ein<lb/>
Bißlin naͤher zu ruͤcken; denn das zwar boͤs ſchei-<lb/>
nende, aber verzweifelt artige Raiſonieren gefiel mir<lb/>
in der Seele wohl. Ich erkuͤhnte mich ſo gar, ihr<lb/>
einige laͤppiſche Lehrſtuͤcke von erznaͤrriſchen Liebko-<lb/>ſungen zu machen. Sie wies mich aber froſtig zu-<lb/>
ruͤck, und ſagte: „Kannſt mir warten! Wer hat<lb/>
dich das gelehrt„? u. d. gl. Dann ſchwieg ſie eine<lb/>
Weile ſtill, guckte ſteif ins Licht, und ich ein gut<lb/>
Klafter von ihr entfernt — ihr in’s Geſicht: O ihre<lb/>
zwey blauen Aeuglin, die gelben Haarlocken, das<lb/>
nette Naͤschen, das loſe Maͤulchen, die ſanft rothen<lb/>
Baͤcklin, das feine Ohrlaͤpplin, das geruͤndelte Kinn,<lb/>
das glaͤnzend weiſſe Haͤlschen — O in meinem Leben<lb/>
hab’ ich ſo nichts geſehn — Kein Mahler vom Him-<lb/>
mel koͤnnt’s ſchoͤner mahlen. „Duͤrft’ ich doch„<lb/>
(dacht’ ich) „auch nur ein eineinziges Mal einen<lb/>„Kuß auf ihr holdes Muͤndlein thun. Aber nun<lb/>„hab’ ich’s ſchon wieder — und Ach! wohl gewiß<lb/>„auf ewig verdorben„. Ich nahm alſo kurz und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[68/0084]
unter die Naſe rieb. Ich faßte Muth, verantwortete
mich ſo gut ich konnte, und ſagt’ ihr auch gerad’ allen
Kram heraus, was die Leuth’ von ihr redeten, und
wofuͤr man ſie hielt — von meinen Geſinnungen hin-
gegen kein Wort: „So„! ſagte ſie: „Was ſchiert
„mich der Leuthe Reden! Ich weiß ſchon, wer ich
„bin — und hinter dir haͤtt’ ich doch ein wenig mehr
„als ſo viel geſucht. Macht’ aber nichts, ſchadt gar
„nichts„! Nachdem dieſer Wortwechſel noch ein
Weilchen fortgedauert hatte, und mir das Breuz
ein wenig in den Kopf ſtieg, wagt’ ich’s, ihr ein
Bißlin naͤher zu ruͤcken; denn das zwar boͤs ſchei-
nende, aber verzweifelt artige Raiſonieren gefiel mir
in der Seele wohl. Ich erkuͤhnte mich ſo gar, ihr
einige laͤppiſche Lehrſtuͤcke von erznaͤrriſchen Liebko-
ſungen zu machen. Sie wies mich aber froſtig zu-
ruͤck, und ſagte: „Kannſt mir warten! Wer hat
dich das gelehrt„? u. d. gl. Dann ſchwieg ſie eine
Weile ſtill, guckte ſteif ins Licht, und ich ein gut
Klafter von ihr entfernt — ihr in’s Geſicht: O ihre
zwey blauen Aeuglin, die gelben Haarlocken, das
nette Naͤschen, das loſe Maͤulchen, die ſanft rothen
Baͤcklin, das feine Ohrlaͤpplin, das geruͤndelte Kinn,
das glaͤnzend weiſſe Haͤlschen — O in meinem Leben
hab’ ich ſo nichts geſehn — Kein Mahler vom Him-
mel koͤnnt’s ſchoͤner mahlen. „Duͤrft’ ich doch„
(dacht’ ich) „auch nur ein eineinziges Mal einen
„Kuß auf ihr holdes Muͤndlein thun. Aber nun
„hab’ ich’s ſchon wieder — und Ach! wohl gewiß
„auf ewig verdorben„. Ich nahm alſo kurz und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/84>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.