Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.zu dieser Stunde am wenigsten vergeben kann, ist XXIV. Neue Cameradschaft. Uebrigens hatte der Pfarrer in seinem kleinen Kry- terwiesen
zu dieſer Stunde am wenigſten vergeben kann, iſt XXIV. Neue Cameradſchaft. Uebrigens hatte der Pfarrer in ſeinem kleinen Kry- terwieſen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="48"/> zu dieſer Stunde am wenigſten vergeben kann, iſt<lb/> mein damaliges oͤfteres Heucheln, und daß ich, ſelbſt<lb/> wenn ich mir keines eigentlichen Boͤſen bewußt war,<lb/> doch immer noch beſſer ſcheinen wollte, als ich zu<lb/> ſeyn mich fuͤhlte. Endlich — ich weiß es ſelbſt nicht —<lb/> war vielleicht auch das ein Tuck des armen Herzens:<lb/> Daß ich z. E. oft, und zwar wenn ich ganz allein<lb/> bey der Arbeit war, wirklich mit groͤſſerer Luſt et-<lb/> liche geiſtliche Lieder, die ich von meiner Mutter<lb/> gelernt, als meine weltlichen Quodlibet ſang —<lb/> dann aber freylich allemal wuͤnſchte: Daß mich mein<lb/> Vater itzt auch hoͤren moͤchte, wie er mich ſonſt<lb/> meiſt nur uͤber meinem loſen Lirum Larum ertapp-<lb/> te. O wie gut waͤr’s fuͤr Eltern und Kinder, wenn<lb/> ſie mehr, und ſo viel immer moͤglich, beyſammen waͤren.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">XXIV.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Neue Cameradſchaft</hi></hi>.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">U</hi>ebrigens hatte der Pfarrer in ſeinem kleinen <hi rendition="#fr">Kry-<lb/> nau</hi>, gedachtes Jahr 1752. neben mir nur einen ein-<lb/> zigen Buben in der Unterweiſung. Dieſer hieß <hi rendition="#fr">H. B.</hi><lb/> ein fuchsrother Erzſtockfiſch. Wenn ihn der Heer<lb/> was fragte, hielt der Burſch’ immer ſein Ohr an<lb/> mich, daß ich’s ihm einblaſen ſollte. Was man ihm<lb/> hundertmal ſagte, vergaß er hundertmal wieder. Am<lb/> H. Abend, da man uns der Gemeind vorſtellte, war<lb/> er vollends ganz verſtummt. Ich mußte darum faſt<lb/> aneinander antworten, von 2. bis 5. Uhr. Im Jahr<lb/> zuvor hingegen ward ein andrer Knab, <hi rendition="#fr">J. W.</hi> un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">terwieſen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0064]
zu dieſer Stunde am wenigſten vergeben kann, iſt
mein damaliges oͤfteres Heucheln, und daß ich, ſelbſt
wenn ich mir keines eigentlichen Boͤſen bewußt war,
doch immer noch beſſer ſcheinen wollte, als ich zu
ſeyn mich fuͤhlte. Endlich — ich weiß es ſelbſt nicht —
war vielleicht auch das ein Tuck des armen Herzens:
Daß ich z. E. oft, und zwar wenn ich ganz allein
bey der Arbeit war, wirklich mit groͤſſerer Luſt et-
liche geiſtliche Lieder, die ich von meiner Mutter
gelernt, als meine weltlichen Quodlibet ſang —
dann aber freylich allemal wuͤnſchte: Daß mich mein
Vater itzt auch hoͤren moͤchte, wie er mich ſonſt
meiſt nur uͤber meinem loſen Lirum Larum ertapp-
te. O wie gut waͤr’s fuͤr Eltern und Kinder, wenn
ſie mehr, und ſo viel immer moͤglich, beyſammen waͤren.
XXIV.
Neue Cameradſchaft.
Uebrigens hatte der Pfarrer in ſeinem kleinen Kry-
nau, gedachtes Jahr 1752. neben mir nur einen ein-
zigen Buben in der Unterweiſung. Dieſer hieß H. B.
ein fuchsrother Erzſtockfiſch. Wenn ihn der Heer
was fragte, hielt der Burſch’ immer ſein Ohr an
mich, daß ich’s ihm einblaſen ſollte. Was man ihm
hundertmal ſagte, vergaß er hundertmal wieder. Am
H. Abend, da man uns der Gemeind vorſtellte, war
er vollends ganz verſtummt. Ich mußte darum faſt
aneinander antworten, von 2. bis 5. Uhr. Im Jahr
zuvor hingegen ward ein andrer Knab, J. W. un-
terwieſen
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