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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Joggele einen guten Theil vom Hausfrieden mit
sich unter den Boden genommen hätte. Aus Ver-
druß gieng darum der Vater einstweilig wieder dem
Salpetersieden nach, übergab die Wirthschaft seinem
Bruder N. als Knecht, und glaubte mit einem so
nahen Blutsfreunde wohl versorgt zu seyn. Er betrog
sich. Er konnt' ihn nur ein Jahr behalten, und
sah noch zu rechter Zeit die Wahrheit des Sprüch-
worts ein: Wer will daß es ihm ling, schau selber
zu seinem Ding! -- Nun gieng er nicht mehr fort,
trat auf's neue an die Spitze der Haushaltung, ar-
beitete über Kopf und Hals, und hirtete die Kühe
selber; Ich war sein Handbub, und mußte mich brav
tummeln. Die Magd schafte er ab; und dingte da-
für einen Gaißenknab, da er jetzt einen Fasel Gais-
sen gekauft, mit deren Mist er viel Waid und Wie-
sen machte. Inzwischen wollten ihn die Weiber noch
immer meistern; das konnt' er nicht leiden; 's
gab wieder allerley Händel. Endlich da er ein-
mal der Großmutter in der Hitz' ein Habermußbe-
cken nachgeschmissen, lief sie davon, und gieng wie-
der zu ihren Freunden in den Näbis. Die Sach'
kam vor die Amtsleuth. Der Vater mußt ihr alle
Wochen 6. Batzen und etwas Schmalz geben. Sie
war ein kleines bucklichtes Fräulein; mir eine liebe
Großmutter; die hinwieder auch mich hielt wie ihr
rechtes Großkind; aber, die Wahrheit zu sagen, ein
wenig wunderlich, wetterwendisch; gieng immer den
sogenannten Frommen nach, und fand doch niemand
recht nach ihrem Sinn. Ich mußt' ihr alle Jahr

B

Joggele einen guten Theil vom Hausfrieden mit
ſich unter den Boden genommen haͤtte. Aus Ver-
druß gieng darum der Vater einſtweilig wieder dem
Salpeterſieden nach, uͤbergab die Wirthſchaft ſeinem
Bruder N. als Knecht, und glaubte mit einem ſo
nahen Blutsfreunde wohl verſorgt zu ſeyn. Er betrog
ſich. Er konnt’ ihn nur ein Jahr behalten, und
ſah noch zu rechter Zeit die Wahrheit des Spruͤch-
worts ein: Wer will daß es ihm ling, ſchau ſelber
zu ſeinem Ding! — Nun gieng er nicht mehr fort,
trat auf’s neue an die Spitze der Haushaltung, ar-
beitete uͤber Kopf und Hals, und hirtete die Kuͤhe
ſelber; Ich war ſein Handbub, und mußte mich brav
tummeln. Die Magd ſchafte er ab; und dingte da-
fuͤr einen Gaißenknab, da er jetzt einen Faſel Gaiſ-
ſen gekauft, mit deren Miſt er viel Waid und Wie-
ſen machte. Inzwiſchen wollten ihn die Weiber noch
immer meiſtern; das konnt’ er nicht leiden; ’s
gab wieder allerley Haͤndel. Endlich da er ein-
mal der Großmutter in der Hitz’ ein Habermußbe-
cken nachgeſchmiſſen, lief ſie davon, und gieng wie-
der zu ihren Freunden in den Naͤbis. Die Sach’
kam vor die Amtsleuth. Der Vater mußt ihr alle
Wochen 6. Batzen und etwas Schmalz geben. Sie
war ein kleines bucklichtes Fraͤulein; mir eine liebe
Großmutter; die hinwieder auch mich hielt wie ihr
rechtes Großkind; aber, die Wahrheit zu ſagen, ein
wenig wunderlich, wetterwendiſch; gieng immer den
ſogenannten Frommen nach, und fand doch niemand
recht nach ihrem Sinn. Ich mußt’ ihr alle Jahr

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[17/0033] Joggele einen guten Theil vom Hausfrieden mit ſich unter den Boden genommen haͤtte. Aus Ver- druß gieng darum der Vater einſtweilig wieder dem Salpeterſieden nach, uͤbergab die Wirthſchaft ſeinem Bruder N. als Knecht, und glaubte mit einem ſo nahen Blutsfreunde wohl verſorgt zu ſeyn. Er betrog ſich. Er konnt’ ihn nur ein Jahr behalten, und ſah noch zu rechter Zeit die Wahrheit des Spruͤch- worts ein: Wer will daß es ihm ling, ſchau ſelber zu ſeinem Ding! — Nun gieng er nicht mehr fort, trat auf’s neue an die Spitze der Haushaltung, ar- beitete uͤber Kopf und Hals, und hirtete die Kuͤhe ſelber; Ich war ſein Handbub, und mußte mich brav tummeln. Die Magd ſchafte er ab; und dingte da- fuͤr einen Gaißenknab, da er jetzt einen Faſel Gaiſ- ſen gekauft, mit deren Miſt er viel Waid und Wie- ſen machte. Inzwiſchen wollten ihn die Weiber noch immer meiſtern; das konnt’ er nicht leiden; ’s gab wieder allerley Haͤndel. Endlich da er ein- mal der Großmutter in der Hitz’ ein Habermußbe- cken nachgeſchmiſſen, lief ſie davon, und gieng wie- der zu ihren Freunden in den Naͤbis. Die Sach’ kam vor die Amtsleuth. Der Vater mußt ihr alle Wochen 6. Batzen und etwas Schmalz geben. Sie war ein kleines bucklichtes Fraͤulein; mir eine liebe Großmutter; die hinwieder auch mich hielt wie ihr rechtes Großkind; aber, die Wahrheit zu ſagen, ein wenig wunderlich, wetterwendiſch; gieng immer den ſogenannten Frommen nach, und fand doch niemand recht nach ihrem Sinn. Ich mußt’ ihr alle Jahr B

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/33>, abgerufen am 21.11.2024.