Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

zen Hauses; denn alle liebten ihn, vom Kleinsten
bis zum Größten. Er war ein angenehmer, Freud'
und Friede liebender Mann. Er hatte an meinem
Vater und mir ungemein viel gethan; und ich habe
nie von keinem Menschen etwas Böses über ihn sa-
gen gehört. Mein Vater und Mutter erzählten noch
viele Jahre allerhand Löbliches und Schönes von
ihm. Als ich ein wenig zum Verstand kam, erin-
nerte ich mich seiner erst recht, und verehrt' ihn im
Staub und Moder. Er liegt im Kirchhof zu Krynau
begraben.

X.
Nächste Folgen von des Groß-
vaters Tod
.

Nun wurde wieder eine Magd angeschaft; die war
dem Vater recht, weil sie brav arbeitete. Aber Mut-
ter und Großmutter konnten sie nicht leiden, weil
sie glaubten, sie schmeichle dem Vater, und trag'
ihm alles zu Ohren. Auch war sie krätzig, so daß
wir alle die Raud von ihr erbten. Und kurz, die
Mütter ruhten nicht; sie mußte fort, und eine andre
zu. Die war nun ihnen recht, aber dem Vater
nicht, weil sie nur das Haus- aber nicht das Feld-
werk verstand. Auch meinte er, sie helfe den Wei-
bern allerhand verschmauchen. Jetzt gab's bald alle
Tag einen Zank. Die Weibervölker stunden zusam-
men; der Mann hinwieder glaubte, Er sey einmal
Meister; und kurz, es schien als wenn der alte Näbis-

Joggele

zen Hauſes; denn alle liebten ihn, vom Kleinſten
bis zum Groͤßten. Er war ein angenehmer, Freud’
und Friede liebender Mann. Er hatte an meinem
Vater und mir ungemein viel gethan; und ich habe
nie von keinem Menſchen etwas Boͤſes uͤber ihn ſa-
gen gehoͤrt. Mein Vater und Mutter erzaͤhlten noch
viele Jahre allerhand Loͤbliches und Schoͤnes von
ihm. Als ich ein wenig zum Verſtand kam, erin-
nerte ich mich ſeiner erſt recht, und verehrt’ ihn im
Staub und Moder. Er liegt im Kirchhof zu Krynau
begraben.

X.
Naͤchſte Folgen von des Groß-
vaters Tod
.

Nun wurde wieder eine Magd angeſchaft; die war
dem Vater recht, weil ſie brav arbeitete. Aber Mut-
ter und Großmutter konnten ſie nicht leiden, weil
ſie glaubten, ſie ſchmeichle dem Vater, und trag’
ihm alles zu Ohren. Auch war ſie kraͤtzig, ſo daß
wir alle die Raud von ihr erbten. Und kurz, die
Muͤtter ruhten nicht; ſie mußte fort, und eine andre
zu. Die war nun ihnen recht, aber dem Vater
nicht, weil ſie nur das Haus- aber nicht das Feld-
werk verſtand. Auch meinte er, ſie helfe den Wei-
bern allerhand verſchmauchen. Jetzt gab’s bald alle
Tag einen Zank. Die Weibervoͤlker ſtunden zuſam-
men; der Mann hinwieder glaubte, Er ſey einmal
Meiſter; und kurz, es ſchien als wenn der alte Naͤbis-

Joggele
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="16"/>
zen Hau&#x017F;es; denn alle liebten ihn, vom Klein&#x017F;ten<lb/>
bis zum Gro&#x0364;ßten. Er war ein angenehmer, Freud&#x2019;<lb/>
und Friede liebender Mann. Er hatte an meinem<lb/>
Vater und mir ungemein viel gethan; und ich habe<lb/>
nie von keinem Men&#x017F;chen etwas Bo&#x0364;&#x017F;es u&#x0364;ber ihn &#x017F;a-<lb/>
gen geho&#x0364;rt. Mein Vater und Mutter erza&#x0364;hlten noch<lb/>
viele Jahre allerhand Lo&#x0364;bliches und Scho&#x0364;nes von<lb/>
ihm. Als ich ein wenig zum Ver&#x017F;tand kam, erin-<lb/>
nerte ich mich &#x017F;einer er&#x017F;t recht, und verehrt&#x2019; ihn im<lb/>
Staub und Moder. Er liegt im Kirchhof zu <hi rendition="#fr">Krynau</hi><lb/>
begraben.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq">X.</hi><lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Na&#x0364;ch&#x017F;te Folgen von des Groß-<lb/>
vaters Tod</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>un wurde wieder eine Magd ange&#x017F;chaft; die war<lb/>
dem Vater recht, weil &#x017F;ie brav arbeitete. Aber Mut-<lb/>
ter und Großmutter konnten &#x017F;ie nicht leiden, weil<lb/>
&#x017F;ie glaubten, &#x017F;ie &#x017F;chmeichle dem Vater, und trag&#x2019;<lb/>
ihm alles zu Ohren. Auch war &#x017F;ie kra&#x0364;tzig, &#x017F;o daß<lb/>
wir alle die Raud von ihr erbten. Und kurz, die<lb/>
Mu&#x0364;tter ruhten nicht; &#x017F;ie mußte fort, und eine andre<lb/>
zu. Die war nun ihnen recht, aber dem Vater<lb/>
nicht, weil &#x017F;ie nur das Haus- aber nicht das Feld-<lb/>
werk ver&#x017F;tand. Auch meinte er, &#x017F;ie helfe den Wei-<lb/>
bern allerhand ver&#x017F;chmauchen. Jetzt gab&#x2019;s bald alle<lb/>
Tag einen Zank. Die Weibervo&#x0364;lker &#x017F;tunden zu&#x017F;am-<lb/>
men; der Mann hinwieder glaubte, Er &#x017F;ey einmal<lb/>
Mei&#x017F;ter; und kurz, es &#x017F;chien als wenn der alte <hi rendition="#fr">Na&#x0364;bis-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Joggele</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0032] zen Hauſes; denn alle liebten ihn, vom Kleinſten bis zum Groͤßten. Er war ein angenehmer, Freud’ und Friede liebender Mann. Er hatte an meinem Vater und mir ungemein viel gethan; und ich habe nie von keinem Menſchen etwas Boͤſes uͤber ihn ſa- gen gehoͤrt. Mein Vater und Mutter erzaͤhlten noch viele Jahre allerhand Loͤbliches und Schoͤnes von ihm. Als ich ein wenig zum Verſtand kam, erin- nerte ich mich ſeiner erſt recht, und verehrt’ ihn im Staub und Moder. Er liegt im Kirchhof zu Krynau begraben. X. Naͤchſte Folgen von des Groß- vaters Tod. Nun wurde wieder eine Magd angeſchaft; die war dem Vater recht, weil ſie brav arbeitete. Aber Mut- ter und Großmutter konnten ſie nicht leiden, weil ſie glaubten, ſie ſchmeichle dem Vater, und trag’ ihm alles zu Ohren. Auch war ſie kraͤtzig, ſo daß wir alle die Raud von ihr erbten. Und kurz, die Muͤtter ruhten nicht; ſie mußte fort, und eine andre zu. Die war nun ihnen recht, aber dem Vater nicht, weil ſie nur das Haus- aber nicht das Feld- werk verſtand. Auch meinte er, ſie helfe den Wei- bern allerhand verſchmauchen. Jetzt gab’s bald alle Tag einen Zank. Die Weibervoͤlker ſtunden zuſam- men; der Mann hinwieder glaubte, Er ſey einmal Meiſter; und kurz, es ſchien als wenn der alte Naͤbis- Joggele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/32
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/32>, abgerufen am 18.12.2024.