Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

anzuhalten. Es mußte allerhand Milch- und Werk-
geschirr eingekauft werden; und, da man viel Waide
zu Wiesen einschlug, auch Heu und Stroh, um mehr
Mist zu machen. Im Winter hatten wir allemal
zu wenig Futter -- oder zu viel fressende Waar Man
mußt' immer mehr Geld entlehnen; die Zinse häuf-
ten sich, und die Kinder wurden grösser, Knecht und
Magd feißt, und der Vater mager.

IX.
Abänderungen
.

Er merkte endlich, daß so die Wirthschaft nicht ge-
hen könne. Er änderte sie also; und gab nämlich
das Salpetersieden auf, blieb daheim, führte das
Gesind selber zur Arbeit an, und war allenthalben
der erste. Ich weiß nicht ob er auf einmal gar zu
streng angefangen, oder ob Knecht und Magd, wie
oben gesagt, sonst zu meisterlos geworden; kurz, sie
jahrten aus, und liefen davon. Um die gleiche Zeit
wurde der Großäti krank. Erst stach er sich nur an
einem Dorn in den Daumen; der wurde geschwollen.
Er band frischwarmen Kühmist drauf; da schwoll die
ganze Hand. Er empfand entsetzliche Hitz' darinn,
gieng zum Brunnen, und wusch den Mist unter
der Röhre wieder ab. Aber das hatte nun gar böse
Folgen. Er mußte sich bald zu Beth legen, und
bekam die Wassersucht. Er ließ sich abzäpfen; das
Wasser rann in den Keller hinab. Nachdem er so
5. Monathe gelegen, starb er zum Leidwesen des gan-

anzuhalten. Es mußte allerhand Milch- und Werk-
geſchirr eingekauft werden; und, da man viel Waide
zu Wieſen einſchlug, auch Heu und Stroh, um mehr
Miſt zu machen. Im Winter hatten wir allemal
zu wenig Futter — oder zu viel freſſende Waar Man
mußt’ immer mehr Geld entlehnen; die Zinſe haͤuf-
ten ſich, und die Kinder wurden groͤſſer, Knecht und
Magd feißt, und der Vater mager.

IX.
Abaͤnderungen
.

Er merkte endlich, daß ſo die Wirthſchaft nicht ge-
hen koͤnne. Er aͤnderte ſie alſo; und gab naͤmlich
das Salpeterſieden auf, blieb daheim, fuͤhrte das
Geſind ſelber zur Arbeit an, und war allenthalben
der erſte. Ich weiß nicht ob er auf einmal gar zu
ſtreng angefangen, oder ob Knecht und Magd, wie
oben geſagt, ſonſt zu meiſterlos geworden; kurz, ſie
jahrten aus, und liefen davon. Um die gleiche Zeit
wurde der Großaͤti krank. Erſt ſtach er ſich nur an
einem Dorn in den Daumen; der wurde geſchwollen.
Er band friſchwarmen Kuͤhmiſt drauf; da ſchwoll die
ganze Hand. Er empfand entſetzliche Hitz’ darinn,
gieng zum Brunnen, und wuſch den Miſt unter
der Roͤhre wieder ab. Aber das hatte nun gar boͤſe
Folgen. Er mußte ſich bald zu Beth legen, und
bekam die Waſſerſucht. Er ließ ſich abzaͤpfen; das
Waſſer rann in den Keller hinab. Nachdem er ſo
5. Monathe gelegen, ſtarb er zum Leidweſen des gan-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="15"/>
anzuhalten. Es mußte allerhand Milch- und Werk-<lb/>
ge&#x017F;chirr eingekauft werden; und, da man viel Waide<lb/>
zu Wie&#x017F;en ein&#x017F;chlug, auch Heu und Stroh, um mehr<lb/>
Mi&#x017F;t zu machen. Im Winter hatten wir allemal<lb/>
zu wenig Futter &#x2014; oder zu viel fre&#x017F;&#x017F;ende Waar Man<lb/>
mußt&#x2019; immer mehr Geld entlehnen; die Zin&#x017F;e ha&#x0364;uf-<lb/>
ten &#x017F;ich, und die Kinder wurden gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, Knecht und<lb/>
Magd feißt, und der Vater mager.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">IX.</hi><lb/><hi rendition="#fr">Aba&#x0364;nderungen</hi></hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>r merkte endlich, daß &#x017F;o die Wirth&#x017F;chaft nicht ge-<lb/>
hen ko&#x0364;nne. Er a&#x0364;nderte &#x017F;ie al&#x017F;o; und gab na&#x0364;mlich<lb/>
das Salpeter&#x017F;ieden auf, blieb daheim, fu&#x0364;hrte das<lb/>
Ge&#x017F;ind &#x017F;elber zur Arbeit an, und war allenthalben<lb/>
der er&#x017F;te. Ich weiß nicht ob er auf einmal gar zu<lb/>
&#x017F;treng angefangen, oder ob Knecht und Magd, wie<lb/>
oben ge&#x017F;agt, &#x017F;on&#x017F;t zu mei&#x017F;terlos geworden; kurz, &#x017F;ie<lb/>
jahrten aus, und liefen davon. Um die gleiche Zeit<lb/>
wurde der Großa&#x0364;ti krank. Er&#x017F;t &#x017F;tach er &#x017F;ich nur an<lb/>
einem Dorn in den Daumen; der wurde ge&#x017F;chwollen.<lb/>
Er band fri&#x017F;chwarmen Ku&#x0364;hmi&#x017F;t drauf; da &#x017F;chwoll die<lb/>
ganze Hand. Er empfand ent&#x017F;etzliche Hitz&#x2019; darinn,<lb/>
gieng zum Brunnen, und wu&#x017F;ch den Mi&#x017F;t unter<lb/>
der Ro&#x0364;hre wieder ab. Aber das hatte nun gar bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
Folgen. Er mußte &#x017F;ich bald zu Beth legen, und<lb/>
bekam die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht. Er ließ &#x017F;ich abza&#x0364;pfen; das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er rann in den Keller hinab. Nachdem er &#x017F;o<lb/>
5. Monathe gelegen, &#x017F;tarb er zum Leidwe&#x017F;en des gan-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0031] anzuhalten. Es mußte allerhand Milch- und Werk- geſchirr eingekauft werden; und, da man viel Waide zu Wieſen einſchlug, auch Heu und Stroh, um mehr Miſt zu machen. Im Winter hatten wir allemal zu wenig Futter — oder zu viel freſſende Waar Man mußt’ immer mehr Geld entlehnen; die Zinſe haͤuf- ten ſich, und die Kinder wurden groͤſſer, Knecht und Magd feißt, und der Vater mager. IX. Abaͤnderungen. Er merkte endlich, daß ſo die Wirthſchaft nicht ge- hen koͤnne. Er aͤnderte ſie alſo; und gab naͤmlich das Salpeterſieden auf, blieb daheim, fuͤhrte das Geſind ſelber zur Arbeit an, und war allenthalben der erſte. Ich weiß nicht ob er auf einmal gar zu ſtreng angefangen, oder ob Knecht und Magd, wie oben geſagt, ſonſt zu meiſterlos geworden; kurz, ſie jahrten aus, und liefen davon. Um die gleiche Zeit wurde der Großaͤti krank. Erſt ſtach er ſich nur an einem Dorn in den Daumen; der wurde geſchwollen. Er band friſchwarmen Kuͤhmiſt drauf; da ſchwoll die ganze Hand. Er empfand entſetzliche Hitz’ darinn, gieng zum Brunnen, und wuſch den Miſt unter der Roͤhre wieder ab. Aber das hatte nun gar boͤſe Folgen. Er mußte ſich bald zu Beth legen, und bekam die Waſſerſucht. Er ließ ſich abzaͤpfen; das Waſſer rann in den Keller hinab. Nachdem er ſo 5. Monathe gelegen, ſtarb er zum Leidweſen des gan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/31
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/31>, abgerufen am 13.11.2024.