Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.Dienst zu leisten. Ich kenn' ihn zu gut, und er Kein Messer in der Welt schärfer schneidt, Als wenn der Bettler zum Herren wirdt. Dienſt zu leiſten. Ich kenn’ ihn zu gut, und er Kein Meſſer in der Welt ſchaͤrfer ſchneidt, Als wenn der Bettler zum Herren wirdt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0309" n="293"/> Dienſt zu leiſten. Ich kenn’ <hi rendition="#fr">ihn</hi> zu gut, und er<lb/> kennt <hi rendition="#fr">dich</hi> zu gut, und weißt wie boshaft du<lb/> ihn uͤberall anzuſchwaͤrzen bemuͤhet biſt, achtet’s aber<lb/> auch ſo wenig, wie Fliegengeſums, und wuͤrde dir<lb/> mit lachendem Mund <hi rendition="#fr">Am Buͤhls</hi> bekanntes Lied:<lb/><hi rendition="#fr">Juchhe! Ich bin ein Biederman</hi>! friſch unter<lb/> die Naſe ſingen. Aber, auf meine eigene Rech-<lb/> nung, ſag’ ich dirs, Kerl! Du luͤgſt, du luͤgſt, wie<lb/> ein andrer Schelm, im Kleinen und Groſſen; und wo’s<lb/> noch gut geht, macht du dem armen guten Mann<lb/> Dinge zu Verbrechen, die eher dein Mitleid verdie-<lb/> nen ſollten. Daß ſeine Eltern z. B. nicht das Ta-<lb/> lent hatten, Schaͤtze zu ſammeln, wie du, ſoll das<lb/> ihnen oder ihm zum Vorwurf gereichen? Waren ſie<lb/> nicht, trotz aller ihrer klemmen Umſtaͤnde, ehrliche<lb/> Leuthe? Naͤhren ſich nicht alle ihre Kinder redlich<lb/> mit ihrer Haͤnde Arbeit? Und <hi rendition="#fr">Uli</hi> ſelber, dem du<lb/> Faulheit vorwirfſt, faͤllt nichts ſchwerer als Muͤßig-<lb/> gehn. Er ſoll von Hochmuth ſtrotzen; und von al-<lb/> len moͤglichen Leidenſchaften plagt ihn keine weniger<lb/> als dieſe, und kein Menſch von allen die ich kenne,<lb/> lebt lieber im Verborgnen als er? Daß er mitun-<lb/> ter an Leſen und Schreiben ein ſo groſſes Vergnuͤgen<lb/> findt, was geht das dich an? Laͤßt er dir nicht auch<lb/> deine Freude, Batzen zu faucken? Wenn du alſo nur<lb/> die Leuth ungeſchoren lieſſeſt. Aber an dir, Burſch’<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/> wird eben das Sprichwort wahr:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#fr">Kein Meſſer in der Welt ſchaͤrfer ſchneidt,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Als wenn der Bettler zum Herren wirdt.</hi> </l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0309]
Dienſt zu leiſten. Ich kenn’ ihn zu gut, und er
kennt dich zu gut, und weißt wie boshaft du
ihn uͤberall anzuſchwaͤrzen bemuͤhet biſt, achtet’s aber
auch ſo wenig, wie Fliegengeſums, und wuͤrde dir
mit lachendem Mund Am Buͤhls bekanntes Lied:
Juchhe! Ich bin ein Biederman! friſch unter
die Naſe ſingen. Aber, auf meine eigene Rech-
nung, ſag’ ich dirs, Kerl! Du luͤgſt, du luͤgſt, wie
ein andrer Schelm, im Kleinen und Groſſen; und wo’s
noch gut geht, macht du dem armen guten Mann
Dinge zu Verbrechen, die eher dein Mitleid verdie-
nen ſollten. Daß ſeine Eltern z. B. nicht das Ta-
lent hatten, Schaͤtze zu ſammeln, wie du, ſoll das
ihnen oder ihm zum Vorwurf gereichen? Waren ſie
nicht, trotz aller ihrer klemmen Umſtaͤnde, ehrliche
Leuthe? Naͤhren ſich nicht alle ihre Kinder redlich
mit ihrer Haͤnde Arbeit? Und Uli ſelber, dem du
Faulheit vorwirfſt, faͤllt nichts ſchwerer als Muͤßig-
gehn. Er ſoll von Hochmuth ſtrotzen; und von al-
len moͤglichen Leidenſchaften plagt ihn keine weniger
als dieſe, und kein Menſch von allen die ich kenne,
lebt lieber im Verborgnen als er? Daß er mitun-
ter an Leſen und Schreiben ein ſo groſſes Vergnuͤgen
findt, was geht das dich an? Laͤßt er dir nicht auch
deine Freude, Batzen zu faucken? Wenn du alſo nur
die Leuth ungeſchoren lieſſeſt. Aber an dir, Burſch’_
wird eben das Sprichwort wahr:
Kein Meſſer in der Welt ſchaͤrfer ſchneidt,
Als wenn der Bettler zum Herren wirdt.
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