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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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und gerieth in einen solchen Schuldenlast, daß er,
besonders in den theuren Siebenzigerjahren ein star-
kes Falliment gemacht, wenn nicht seine Gläubiger
gute Leuth' gewesen, und dem Narrn, zwar nicht sei-
net-sondern Weib und Kinder wegen, geschont hät-
ten. Ob er sich seither erholt oder nicht, ist mir un-
bekannt; denke aber doch, daß es noch mißlich genug
um ihn stehe. Denn noch immer fährt er in seiner
alten commoden Lebensart fort, macht sich gute Täg'l,
besonders wo er's verstohlen thun kann, steht andre
ehrliche Leuth' über die Achsel an, legt sich auf lau-
ter gelehrte Poßen, und hat doch keinen Hund aus
dem Ofen zu locken. Kurz, er ist ein läppischer Hoch-
muthsnarr, der sich immer auszeichnen, und aus
seiner Bettelfamilie hervorragen will, obgleich auch
diese wenig genug auf ihm hält. Doch, das wär'
alles noch nichts. Aber daß dieser Erzschöps' itzt gar
seine eigne Geschicht' in die Welt ausgehen läßt, das
ist zum Rasendwerden. Wenn doch nur gewisse Her-
ren so gescheidt wären, als sie witzig seyn wollen,
so würden sie an solchen Lauskerlen -- --

Paul. Genug ist genug, Peterle! Das ist zu arg.
Wär' ich auch nie des Manns Freund gewesen, so
müßt' ich doch itzt seine Parthey nehmen. Denn das
ist nun so einmal meine Art: Wenn ich höre, daß
einem so offenbar Gewalt und Unrecht geschieht, wallt
mir das Blut in allen Adern. Also wird mir's der
Herr nicht übel nehmen, wenn meine Vertheidigung
des guten Uli's etwas unfreundlich ablaufen sollte.
Nicht daß ich denke, ihm damit einen sonderlichen

und gerieth in einen ſolchen Schuldenlaſt, daß er,
beſonders in den theuren Siebenzigerjahren ein ſtar-
kes Falliment gemacht, wenn nicht ſeine Glaͤubiger
gute Leuth’ geweſen, und dem Narrn, zwar nicht ſei-
net-ſondern Weib und Kinder wegen, geſchont haͤt-
ten. Ob er ſich ſeither erholt oder nicht, iſt mir un-
bekannt; denke aber doch, daß es noch mißlich genug
um ihn ſtehe. Denn noch immer faͤhrt er in ſeiner
alten commoden Lebensart fort, macht ſich gute Taͤg’l,
beſonders wo er’s verſtohlen thun kann, ſteht andre
ehrliche Leuth’ uͤber die Achſel an, legt ſich auf lau-
ter gelehrte Poßen, und hat doch keinen Hund aus
dem Ofen zu locken. Kurz, er iſt ein laͤppiſcher Hoch-
muthsnarr, der ſich immer auszeichnen, und aus
ſeiner Bettelfamilie hervorragen will, obgleich auch
dieſe wenig genug auf ihm haͤlt. Doch, das waͤr’
alles noch nichts. Aber daß dieſer Erzſchoͤpſ’ itzt gar
ſeine eigne Geſchicht’ in die Welt ausgehen laͤßt, das
iſt zum Raſendwerden. Wenn doch nur gewiſſe Her-
ren ſo geſcheidt waͤren, als ſie witzig ſeyn wollen,
ſo wuͤrden ſie an ſolchen Lauskerlen — —

Paul. Genug iſt genug, Peterle! Das iſt zu arg.
Waͤr’ ich auch nie des Manns Freund geweſen, ſo
muͤßt’ ich doch itzt ſeine Parthey nehmen. Denn das
iſt nun ſo einmal meine Art: Wenn ich hoͤre, daß
einem ſo offenbar Gewalt und Unrecht geſchieht, wallt
mir das Blut in allen Adern. Alſo wird mir’s der
Herr nicht uͤbel nehmen, wenn meine Vertheidigung
des guten Uli’s etwas unfreundlich ablaufen ſollte.
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[292/0308] und gerieth in einen ſolchen Schuldenlaſt, daß er, beſonders in den theuren Siebenzigerjahren ein ſtar- kes Falliment gemacht, wenn nicht ſeine Glaͤubiger gute Leuth’ geweſen, und dem Narrn, zwar nicht ſei- net-ſondern Weib und Kinder wegen, geſchont haͤt- ten. Ob er ſich ſeither erholt oder nicht, iſt mir un- bekannt; denke aber doch, daß es noch mißlich genug um ihn ſtehe. Denn noch immer faͤhrt er in ſeiner alten commoden Lebensart fort, macht ſich gute Taͤg’l, beſonders wo er’s verſtohlen thun kann, ſteht andre ehrliche Leuth’ uͤber die Achſel an, legt ſich auf lau- ter gelehrte Poßen, und hat doch keinen Hund aus dem Ofen zu locken. Kurz, er iſt ein laͤppiſcher Hoch- muthsnarr, der ſich immer auszeichnen, und aus ſeiner Bettelfamilie hervorragen will, obgleich auch dieſe wenig genug auf ihm haͤlt. Doch, das waͤr’ alles noch nichts. Aber daß dieſer Erzſchoͤpſ’ itzt gar ſeine eigne Geſchicht’ in die Welt ausgehen laͤßt, das iſt zum Raſendwerden. Wenn doch nur gewiſſe Her- ren ſo geſcheidt waͤren, als ſie witzig ſeyn wollen, ſo wuͤrden ſie an ſolchen Lauskerlen — — Paul. Genug iſt genug, Peterle! Das iſt zu arg. Waͤr’ ich auch nie des Manns Freund geweſen, ſo muͤßt’ ich doch itzt ſeine Parthey nehmen. Denn das iſt nun ſo einmal meine Art: Wenn ich hoͤre, daß einem ſo offenbar Gewalt und Unrecht geſchieht, wallt mir das Blut in allen Adern. Alſo wird mir’s der Herr nicht uͤbel nehmen, wenn meine Vertheidigung des guten Uli’s etwas unfreundlich ablaufen ſollte. Nicht daß ich denke, ihm damit einen ſonderlichen

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/308>, abgerufen am 24.11.2024.