setzen kann. Doch eben in dieser Kunst bin ich noch nicht Meister; aber schon als Lehrjunge seh' ich ihre ganze Vortreflichkeit ein.
Meine liebe Ehehälfte ist frischer als je, und über- trift mich noch weit weit an Munterkeit. Die häu- figen Erschütterungen ihres Zwerchfells, und das Ein- ziehen der balsamischen Luft auf unserm Belvedere geht ihr für alle Arztneyen. Sonst freylich immer ihre alte Leyer! Doch, Zeit und Gewohnheit machen al- les leicht, zuletzt selbst angenehm -- und oft gar un- entbehrlich. Dieß würde gewiß unsre Trennung be- weisen.
Meine Jungen, hab' ich schon angezeigt, sind hoch aufgewachsen, gesund und munter -- nur Ein Gran mehr wäre zu viel: Zwar noch ziemlich roh' und hol- pricht; aber Zeit und Geschick wird schon abfeilen was ich nicht vermag; und kurz, ich hoffe, daß es noch aus allem etwas Brauchbares für die menschliche Ge- sellschaft absetzen kann.
Lesen und Schreiben ist mir wieder mehr als je- mals zum unentberlichen Bedürfniß geworden. Und sollt' ich auch die gleichgültigsten Dinge in mein Ta- gebuch kritzeln, oder in alten Kalendern studiren! Doch, ich habe keinen Mangel an Büchern. Wenn mir schon mein geringes Vermögen keinen eignen Vorrath gestattet, giebt's Menschenfreunde in der Nähe und Ferne genug, die meiner Wiß- und Neu- gierde fröhnen, und mir alles, was immer den Weg in unser abgelegenes Tockenburg finden kann, un-
ſetzen kann. Doch eben in dieſer Kunſt bin ich noch nicht Meiſter; aber ſchon als Lehrjunge ſeh’ ich ihre ganze Vortreflichkeit ein.
Meine liebe Ehehaͤlfte iſt friſcher als je, und uͤber- trift mich noch weit weit an Munterkeit. Die haͤu- figen Erſchuͤtterungen ihres Zwerchfells, und das Ein- ziehen der balſamiſchen Luft auf unſerm Belvedere geht ihr fuͤr alle Arztneyen. Sonſt freylich immer ihre alte Leyer! Doch, Zeit und Gewohnheit machen al- les leicht, zuletzt ſelbſt angenehm — und oft gar un- entbehrlich. Dieß wuͤrde gewiß unſre Trennung be- weiſen.
Meine Jungen, hab’ ich ſchon angezeigt, ſind hoch aufgewachſen, geſund und munter — nur Ein Gran mehr waͤre zu viel: Zwar noch ziemlich roh’ und hol- pricht; aber Zeit und Geſchick wird ſchon abfeilen was ich nicht vermag; und kurz, ich hoffe, daß es noch aus allem etwas Brauchbares fuͤr die menſchliche Ge- ſellſchaft abſetzen kann.
Leſen und Schreiben iſt mir wieder mehr als je- mals zum unentberlichen Beduͤrfniß geworden. Und ſollt’ ich auch die gleichguͤltigſten Dinge in mein Ta- gebuch kritzeln, oder in alten Kalendern ſtudiren! Doch, ich habe keinen Mangel an Buͤchern. Wenn mir ſchon mein geringes Vermoͤgen keinen eignen Vorrath geſtattet, giebt’s Menſchenfreunde in der Naͤhe und Ferne genug, die meiner Wiß- und Neu- gierde froͤhnen, und mir alles, was immer den Weg in unſer abgelegenes Tockenburg finden kann, un-
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ſetzen kann. Doch eben in dieſer Kunſt bin ich noch
nicht Meiſter; aber ſchon als Lehrjunge ſeh’ ich ihre
ganze Vortreflichkeit ein.
Meine liebe Ehehaͤlfte iſt friſcher als je, und uͤber-
trift mich noch weit weit an Munterkeit. Die haͤu-
figen Erſchuͤtterungen ihres Zwerchfells, und das Ein-
ziehen der balſamiſchen Luft auf unſerm Belvedere
geht ihr fuͤr alle Arztneyen. Sonſt freylich immer
ihre alte Leyer! Doch, Zeit und Gewohnheit machen al-
les leicht, zuletzt ſelbſt angenehm — und oft gar un-
entbehrlich. Dieß wuͤrde gewiß unſre Trennung be-
weiſen.
Meine Jungen, hab’ ich ſchon angezeigt, ſind hoch
aufgewachſen, geſund und munter — nur Ein Gran
mehr waͤre zu viel: Zwar noch ziemlich roh’ und hol-
pricht; aber Zeit und Geſchick wird ſchon abfeilen was
ich nicht vermag; und kurz, ich hoffe, daß es noch
aus allem etwas Brauchbares fuͤr die menſchliche Ge-
ſellſchaft abſetzen kann.
Leſen und Schreiben iſt mir wieder mehr als je-
mals zum unentberlichen Beduͤrfniß geworden. Und
ſollt’ ich auch die gleichguͤltigſten Dinge in mein Ta-
gebuch kritzeln, oder in alten Kalendern ſtudiren!
Doch, ich habe keinen Mangel an Buͤchern. Wenn
mir ſchon mein geringes Vermoͤgen keinen eignen
Vorrath geſtattet, giebt’s Menſchenfreunde in der
Naͤhe und Ferne genug, die meiner Wiß- und Neu-
gierde froͤhnen, und mir alles, was immer den Weg
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/300>, abgerufen am 16.02.2025.
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