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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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wie ein Vogel auf dem Zweig, und wie das Wetter
im Aprill. Wer sein ganzes Studium darauf wen-
det, und zumal die rechte Zeit abzupassen weiß, kann
noch sein Glück damit machen. Aber dieß Talent
in gehörigem Maasse hatt' ich nie, war immer ein
Stümper, und werd' es ewig bleiben. Und doch
hab' ich diese Art Handel und Wandel (die von vie-
len sonst einsichtsvollen Männern, welchen aber nur
seine schlimme Seite auffällt, wie's mir scheint, so
unschuldig verlästert wird) gleichsam von Jahr zu Jahr
lieber gewonnen. Warum? Ich denke natürlich: Weil
derselbe das Mittel war, durch welches mich die gü-
tige Vorsehung, ohne mein sonderliches Zuthun, aus
meiner drückenden Lage wenigstens in eine sehr leid-
liche emporhub. Freylich wär' ich, ohne die Rolle
eines Handelsmanns zu spielen, vielleicht auch nie-
mals so tief in jene hineingerathen? -- Doch, wer
weiß? Es wäre wohl gleich viel gewesen, mit wel-
chem Berufe ich mich -- läßig, unvorsichtig und un-
geschickt beschäftigt hätte. Und heißt's, denk' ich, auch
hier: Der Hund, der ihn biß, leckt' ihn wieder, bis
er heil war. Genug, itzt liegen mir meine kleinen
Geschäfte wirklich am Herzen, ich nehme mich ihrer mir
allem mir möglichen Fleiß an, und denke auch mei-
nen Sohn darinn fortfahren zu lassen, wenn er an-
ders Lust dazu hat, und meinen Unterricht, so weit
dieser reichet, annehmen will -- der alles leitende
Himmel ordne denn etwas anders und besseres für
ihn, oder dieser Gewerb komme ganz in Verfall.
Derselbe hat mich fünfzigjährigen Mann, itzt dreys-

wie ein Vogel auf dem Zweig, und wie das Wetter
im Aprill. Wer ſein ganzes Studium darauf wen-
det, und zumal die rechte Zeit abzupaſſen weiß, kann
noch ſein Gluͤck damit machen. Aber dieß Talent
in gehoͤrigem Maaſſe hatt’ ich nie, war immer ein
Stuͤmper, und werd’ es ewig bleiben. Und doch
hab’ ich dieſe Art Handel und Wandel (die von vie-
len ſonſt einſichtsvollen Maͤnnern, welchen aber nur
ſeine ſchlimme Seite auffaͤllt, wie’s mir ſcheint, ſo
unſchuldig verlaͤſtert wird) gleichſam von Jahr zu Jahr
lieber gewonnen. Warum? Ich denke natuͤrlich: Weil
derſelbe das Mittel war, durch welches mich die guͤ-
tige Vorſehung, ohne mein ſonderliches Zuthun, aus
meiner druͤckenden Lage wenigſtens in eine ſehr leid-
liche emporhub. Freylich waͤr’ ich, ohne die Rolle
eines Handelsmanns zu ſpielen, vielleicht auch nie-
mals ſo tief in jene hineingerathen? — Doch, wer
weiß? Es waͤre wohl gleich viel geweſen, mit wel-
chem Berufe ich mich — laͤßig, unvorſichtig und un-
geſchickt beſchaͤftigt haͤtte. Und heißt’s, denk’ ich, auch
hier: Der Hund, der ihn biß, leckt’ ihn wieder, bis
er heil war. Genug, itzt liegen mir meine kleinen
Geſchaͤfte wirklich am Herzen, ich nehme mich ihrer mir
allem mir moͤglichen Fleiß an, und denke auch mei-
nen Sohn darinn fortfahren zu laſſen, wenn er an-
ders Luſt dazu hat, und meinen Unterricht, ſo weit
dieſer reichet, annehmen will — der alles leitende
Himmel ordne denn etwas anders und beſſeres fuͤr
ihn, oder dieſer Gewerb komme ganz in Verfall.
Derſelbe hat mich fuͤnfzigjaͤhrigen Mann, itzt dreyſ-

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[274/0290] wie ein Vogel auf dem Zweig, und wie das Wetter im Aprill. Wer ſein ganzes Studium darauf wen- det, und zumal die rechte Zeit abzupaſſen weiß, kann noch ſein Gluͤck damit machen. Aber dieß Talent in gehoͤrigem Maaſſe hatt’ ich nie, war immer ein Stuͤmper, und werd’ es ewig bleiben. Und doch hab’ ich dieſe Art Handel und Wandel (die von vie- len ſonſt einſichtsvollen Maͤnnern, welchen aber nur ſeine ſchlimme Seite auffaͤllt, wie’s mir ſcheint, ſo unſchuldig verlaͤſtert wird) gleichſam von Jahr zu Jahr lieber gewonnen. Warum? Ich denke natuͤrlich: Weil derſelbe das Mittel war, durch welches mich die guͤ- tige Vorſehung, ohne mein ſonderliches Zuthun, aus meiner druͤckenden Lage wenigſtens in eine ſehr leid- liche emporhub. Freylich waͤr’ ich, ohne die Rolle eines Handelsmanns zu ſpielen, vielleicht auch nie- mals ſo tief in jene hineingerathen? — Doch, wer weiß? Es waͤre wohl gleich viel geweſen, mit wel- chem Berufe ich mich — laͤßig, unvorſichtig und un- geſchickt beſchaͤftigt haͤtte. Und heißt’s, denk’ ich, auch hier: Der Hund, der ihn biß, leckt’ ihn wieder, bis er heil war. Genug, itzt liegen mir meine kleinen Geſchaͤfte wirklich am Herzen, ich nehme mich ihrer mir allem mir moͤglichen Fleiß an, und denke auch mei- nen Sohn darinn fortfahren zu laſſen, wenn er an- ders Luſt dazu hat, und meinen Unterricht, ſo weit dieſer reichet, annehmen will — der alles leitende Himmel ordne denn etwas anders und beſſeres fuͤr ihn, oder dieſer Gewerb komme ganz in Verfall. Derſelbe hat mich fuͤnfzigjaͤhrigen Mann, itzt dreyſ-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/290>, abgerufen am 22.11.2024.