wäre, alles einer höhern Hand anheimzustellen. Also meine Vaterliebe läßt mich ein Besseres hoffen. Aber du hättest gute Anlage, ein Taugenichts und Wild- fang zu werden. Bald auffahrend, bald wieder gut und nachgiebig; aber niemals herzfest. Wenn dir eine Gehülfin bescheert ist, die dich zu leiten weiß, so kann's noch leidentlich gehn; wo nicht, so leite dich Gott! --- Eins hab' ich mir gemerkt, und das freut mich. Du machst's wie jener, der immer sagte: Nein, ich thu's nicht! und dann hingieng, und's that. Aber keine Unze Geschmack am Lesen und al- lem was gründliches Erkennen und Wissen heißt --- es müßten denn Mord- und Gespenstergeschichten, oder andre Abentheuer seyn. Uebrigens ein nimmer satter Alltagsplanderer. Ich wünsche, daß ich mich irre --- Aber, aber!
Jakob, mein zweyter Sohn! in dem ich mich oft wie in einem Spiegel sehe, wenn schon unsre Er- ziehung sehr ungleich war. Ich wurde rauh und hart, in einer wüsten Einsamkeit gebildet; du hingegen un- ter den Menschen, in einer mildern Gegend, und, weil du immer kränkeltest und oft dem Tod nahe wa- rest, weich und zärtlich. Hätt' ich Vermögen, das Nöthige auf dich zu verwenden, glaubt' ich, daß et- was aus dir werden könnte, wenn ich anders auf eine dauerhaftere Gesundheit bey dir zählen dürfte. Dein Bruder würde sich übrigens eher zu roher Ar- beit, du dich zu allerley Tändeleyen schicken, wo man mehr den Kopf als die Hände gebrauchen muß. Aber ich muß eben alle meine Kinder bey meinem Gewerb
waͤre, alles einer hoͤhern Hand anheimzuſtellen. Alſo meine Vaterliebe laͤßt mich ein Beſſeres hoffen. Aber du haͤtteſt gute Anlage, ein Taugenichts und Wild- fang zu werden. Bald auffahrend, bald wieder gut und nachgiebig; aber niemals herzfeſt. Wenn dir eine Gehuͤlfin beſcheert iſt, die dich zu leiten weiß, ſo kann’s noch leidentlich gehn; wo nicht, ſo leite dich Gott! --- Eins hab’ ich mir gemerkt, und das freut mich. Du machſt’s wie jener, der immer ſagte: Nein, ich thu’s nicht! und dann hingieng, und’s that. Aber keine Unze Geſchmack am Leſen und al- lem was gruͤndliches Erkennen und Wiſſen heißt --- es muͤßten denn Mord- und Geſpenſtergeſchichten, oder andre Abentheuer ſeyn. Uebrigens ein nimmer ſatter Alltagsplanderer. Ich wuͤnſche, daß ich mich irre --- Aber, aber!
Jakob, mein zweyter Sohn! in dem ich mich oft wie in einem Spiegel ſehe, wenn ſchon unſre Er- ziehung ſehr ungleich war. Ich wurde rauh und hart, in einer wuͤſten Einſamkeit gebildet; du hingegen un- ter den Menſchen, in einer mildern Gegend, und, weil du immer kraͤnkelteſt und oft dem Tod nahe wa- reſt, weich und zaͤrtlich. Haͤtt’ ich Vermoͤgen, das Noͤthige auf dich zu verwenden, glaubt’ ich, daß et- was aus dir werden koͤnnte, wenn ich anders auf eine dauerhaftere Geſundheit bey dir zaͤhlen duͤrfte. Dein Bruder wuͤrde ſich uͤbrigens eher zu roher Ar- beit, du dich zu allerley Taͤndeleyen ſchicken, wo man mehr den Kopf als die Haͤnde gebrauchen muß. Aber ich muß eben alle meine Kinder bey meinem Gewerb
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0287"n="271"/>
waͤre, alles einer hoͤhern Hand anheimzuſtellen. Alſo<lb/>
meine Vaterliebe laͤßt mich ein Beſſeres hoffen. Aber<lb/>
du haͤtteſt gute Anlage, ein Taugenichts und Wild-<lb/>
fang zu werden. Bald auffahrend, bald wieder gut<lb/>
und nachgiebig; aber niemals herzfeſt. Wenn dir<lb/>
eine Gehuͤlfin beſcheert iſt, die dich zu leiten weiß,<lb/>ſo kann’s noch leidentlich gehn; wo nicht, ſo leite<lb/>
dich Gott! --- Eins hab’ ich mir gemerkt, und das<lb/>
freut mich. Du machſt’s wie jener, der immer ſagte:<lb/>
Nein, ich thu’s nicht! und dann hingieng, und’s<lb/>
that. Aber keine Unze Geſchmack am Leſen und al-<lb/>
lem was gruͤndliches Erkennen und Wiſſen heißt ---<lb/>
es muͤßten denn Mord- und Geſpenſtergeſchichten,<lb/>
oder andre Abentheuer ſeyn. Uebrigens ein nimmer<lb/>ſatter Alltagsplanderer. Ich wuͤnſche, daß ich mich<lb/>
irre --- Aber, aber!</p><lb/><p><hirendition="#fr">Jakob</hi>, mein zweyter Sohn! in dem ich mich oft<lb/>
wie in einem Spiegel ſehe, wenn ſchon unſre Er-<lb/>
ziehung ſehr ungleich war. Ich wurde <choice><sic>ranh</sic><corr>rauh</corr></choice> und hart,<lb/>
in einer wuͤſten Einſamkeit gebildet; du hingegen un-<lb/>
ter den Menſchen, in einer mildern Gegend, und,<lb/>
weil du immer kraͤnkelteſt und oft dem Tod nahe wa-<lb/>
reſt, weich und zaͤrtlich. Haͤtt’ ich Vermoͤgen, das<lb/>
Noͤthige auf dich zu verwenden, glaubt’ ich, daß et-<lb/>
was aus dir werden koͤnnte, wenn ich anders auf<lb/>
eine dauerhaftere Geſundheit bey dir zaͤhlen duͤrfte.<lb/>
Dein Bruder wuͤrde ſich uͤbrigens eher zu roher Ar-<lb/>
beit, du dich zu allerley Taͤndeleyen ſchicken, wo man<lb/>
mehr den Kopf als die Haͤnde gebrauchen muß. Aber<lb/>
ich muß eben alle meine Kinder bey meinem Gewerb<lb/></p></div></body></text></TEI>
[271/0287]
waͤre, alles einer hoͤhern Hand anheimzuſtellen. Alſo
meine Vaterliebe laͤßt mich ein Beſſeres hoffen. Aber
du haͤtteſt gute Anlage, ein Taugenichts und Wild-
fang zu werden. Bald auffahrend, bald wieder gut
und nachgiebig; aber niemals herzfeſt. Wenn dir
eine Gehuͤlfin beſcheert iſt, die dich zu leiten weiß,
ſo kann’s noch leidentlich gehn; wo nicht, ſo leite
dich Gott! --- Eins hab’ ich mir gemerkt, und das
freut mich. Du machſt’s wie jener, der immer ſagte:
Nein, ich thu’s nicht! und dann hingieng, und’s
that. Aber keine Unze Geſchmack am Leſen und al-
lem was gruͤndliches Erkennen und Wiſſen heißt ---
es muͤßten denn Mord- und Geſpenſtergeſchichten,
oder andre Abentheuer ſeyn. Uebrigens ein nimmer
ſatter Alltagsplanderer. Ich wuͤnſche, daß ich mich
irre --- Aber, aber!
Jakob, mein zweyter Sohn! in dem ich mich oft
wie in einem Spiegel ſehe, wenn ſchon unſre Er-
ziehung ſehr ungleich war. Ich wurde rauh und hart,
in einer wuͤſten Einſamkeit gebildet; du hingegen un-
ter den Menſchen, in einer mildern Gegend, und,
weil du immer kraͤnkelteſt und oft dem Tod nahe wa-
reſt, weich und zaͤrtlich. Haͤtt’ ich Vermoͤgen, das
Noͤthige auf dich zu verwenden, glaubt’ ich, daß et-
was aus dir werden koͤnnte, wenn ich anders auf
eine dauerhaftere Geſundheit bey dir zaͤhlen duͤrfte.
Dein Bruder wuͤrde ſich uͤbrigens eher zu roher Ar-
beit, du dich zu allerley Taͤndeleyen ſchicken, wo man
mehr den Kopf als die Haͤnde gebrauchen muß. Aber
ich muß eben alle meine Kinder bey meinem Gewerb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.