ehedem. In meiner Jugend ward ich lange Zeit von Flüssen geplagt. Kopf- und Zahnschmerzen, allerley Geschwüre, und ein scharfes Geblüt, waren mir, so zu sagen, wie angeerbt; durch den Genuß hitziger Speisen und Getränke, die ich ungemein liebte, ge- nährt; und plagen mich noch bis zu dieser Stunde, ob ich itzt gleich eine ziemlich genaue Diät beobachte. Zweymal in meinem Leben war ich gefährlich krank. Itzt ist mir die Gesundheit ein köstlich Gut, und die edelste Gabe des Höchsten, welche ich mit der eifersüchtigsten Sorgfalt bewahre. Sorgen der Nah- rung laß' ich mich wenig anfechten, und meinem Brodtkorbe nachzudenken raubt mir nicht viele Zeit. Was mich am meisten beunruhigt, sind meine Jun- gen. Diese schweben mir täglich vor Augen, und ich sehe mich in ihnen, von meiner ersten Kindheit an, wie in einem Spiegel. Alle Vergehungen, die ich gegen meine Eltern begangen, muß ich von ihnen an mir gerochen sehn. Auch wie ich mich an meinen Brüdern und Schwestern verfehlt, gewahr' ich mit Betrübniß, daß sie's nunmehr eben so gegen einander üben. Freylich auch meine bessere Seite find' ich wie- der an ihnen; und alles zusammengenommen hat die Freude an meinen Kindern mir meinen Ehestand vor- nämlich erträglich gemacht.
Ohne Kinder, weiß ich nicht, was aus mir ge- worden wäre; und ich hab' es meiner Frau vorher- gesagt, daß, wenn wir das Unglück hätten, keine zu bekommen, ich meiner Noth kein End' wüßte. Aber mein Wunsch ward erfüllt. Ich bin mit sieben Kin-
ehedem. In meiner Jugend ward ich lange Zeit von Fluͤſſen geplagt. Kopf- und Zahnſchmerzen, allerley Geſchwuͤre, und ein ſcharfes Gebluͤt, waren mir, ſo zu ſagen, wie angeerbt; durch den Genuß hitziger Speiſen und Getraͤnke, die ich ungemein liebte, ge- naͤhrt; und plagen mich noch bis zu dieſer Stunde, ob ich itzt gleich eine ziemlich genaue Diaͤt beobachte. Zweymal in meinem Leben war ich gefaͤhrlich krank. Itzt iſt mir die Geſundheit ein koͤſtlich Gut, und die edelſte Gabe des Hoͤchſten, welche ich mit der eiferſuͤchtigſten Sorgfalt bewahre. Sorgen der Nah- rung laß’ ich mich wenig anfechten, und meinem Brodtkorbe nachzudenken raubt mir nicht viele Zeit. Was mich am meiſten beunruhigt, ſind meine Jun- gen. Dieſe ſchweben mir taͤglich vor Augen, und ich ſehe mich in ihnen, von meiner erſten Kindheit an, wie in einem Spiegel. Alle Vergehungen, die ich gegen meine Eltern begangen, muß ich von ihnen an mir gerochen ſehn. Auch wie ich mich an meinen Bruͤdern und Schweſtern verfehlt, gewahr’ ich mit Betruͤbniß, daß ſie’s nunmehr eben ſo gegen einander uͤben. Freylich auch meine beſſere Seite find’ ich wie- der an ihnen; und alles zuſammengenommen hat die Freude an meinen Kindern mir meinen Eheſtand vor- naͤmlich ertraͤglich gemacht.
Ohne Kinder, weiß ich nicht, was aus mir ge- worden waͤre; und ich hab’ es meiner Frau vorher- geſagt, daß, wenn wir das Ungluͤck haͤtten, keine zu bekommen, ich meiner Noth kein End’ wuͤßte. Aber mein Wunſch ward erfuͤllt. Ich bin mit ſieben Kin-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0281"n="265"/>
ehedem. In meiner Jugend ward ich lange Zeit von<lb/>
Fluͤſſen geplagt. Kopf- und Zahnſchmerzen, allerley<lb/>
Geſchwuͤre, und ein ſcharfes Gebluͤt, waren mir, ſo<lb/>
zu ſagen, wie angeerbt; durch den Genuß hitziger<lb/>
Speiſen und Getraͤnke, die ich ungemein liebte, ge-<lb/>
naͤhrt; und plagen mich noch bis zu dieſer Stunde,<lb/>
ob ich itzt gleich eine ziemlich genaue Diaͤt beobachte.<lb/>
Zweymal in meinem Leben war ich gefaͤhrlich krank.<lb/>
Itzt iſt mir die Geſundheit ein koͤſtlich Gut, und<lb/>
die edelſte Gabe des Hoͤchſten, welche ich mit der<lb/>
eiferſuͤchtigſten Sorgfalt bewahre. Sorgen der Nah-<lb/>
rung laß’ ich mich wenig anfechten, und meinem<lb/>
Brodtkorbe nachzudenken raubt mir nicht viele Zeit.<lb/>
Was mich am meiſten beunruhigt, ſind meine Jun-<lb/>
gen. Dieſe ſchweben mir taͤglich vor Augen, und ich<lb/>ſehe mich in ihnen, von meiner erſten Kindheit an,<lb/>
wie in einem Spiegel. Alle Vergehungen, die ich<lb/>
gegen meine Eltern begangen, muß ich von ihnen<lb/>
an mir gerochen ſehn. Auch wie ich mich an meinen<lb/>
Bruͤdern und Schweſtern verfehlt, gewahr’ ich mit<lb/>
Betruͤbniß, daß ſie’s nunmehr eben ſo gegen einander<lb/>
uͤben. Freylich auch meine beſſere Seite find’ ich wie-<lb/>
der an ihnen; und alles zuſammengenommen hat die<lb/>
Freude an meinen Kindern mir meinen Eheſtand vor-<lb/>
naͤmlich ertraͤglich gemacht.</p><lb/><p>Ohne Kinder, weiß ich nicht, was aus mir ge-<lb/>
worden waͤre; und ich hab’ es meiner Frau vorher-<lb/>
geſagt, daß, wenn wir das Ungluͤck haͤtten, keine zu<lb/>
bekommen, ich meiner Noth kein End’ wuͤßte. Aber<lb/>
mein Wunſch ward erfuͤllt. Ich bin mit ſieben Kin-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[265/0281]
ehedem. In meiner Jugend ward ich lange Zeit von
Fluͤſſen geplagt. Kopf- und Zahnſchmerzen, allerley
Geſchwuͤre, und ein ſcharfes Gebluͤt, waren mir, ſo
zu ſagen, wie angeerbt; durch den Genuß hitziger
Speiſen und Getraͤnke, die ich ungemein liebte, ge-
naͤhrt; und plagen mich noch bis zu dieſer Stunde,
ob ich itzt gleich eine ziemlich genaue Diaͤt beobachte.
Zweymal in meinem Leben war ich gefaͤhrlich krank.
Itzt iſt mir die Geſundheit ein koͤſtlich Gut, und
die edelſte Gabe des Hoͤchſten, welche ich mit der
eiferſuͤchtigſten Sorgfalt bewahre. Sorgen der Nah-
rung laß’ ich mich wenig anfechten, und meinem
Brodtkorbe nachzudenken raubt mir nicht viele Zeit.
Was mich am meiſten beunruhigt, ſind meine Jun-
gen. Dieſe ſchweben mir taͤglich vor Augen, und ich
ſehe mich in ihnen, von meiner erſten Kindheit an,
wie in einem Spiegel. Alle Vergehungen, die ich
gegen meine Eltern begangen, muß ich von ihnen
an mir gerochen ſehn. Auch wie ich mich an meinen
Bruͤdern und Schweſtern verfehlt, gewahr’ ich mit
Betruͤbniß, daß ſie’s nunmehr eben ſo gegen einander
uͤben. Freylich auch meine beſſere Seite find’ ich wie-
der an ihnen; und alles zuſammengenommen hat die
Freude an meinen Kindern mir meinen Eheſtand vor-
naͤmlich ertraͤglich gemacht.
Ohne Kinder, weiß ich nicht, was aus mir ge-
worden waͤre; und ich hab’ es meiner Frau vorher-
geſagt, daß, wenn wir das Ungluͤck haͤtten, keine zu
bekommen, ich meiner Noth kein End’ wuͤßte. Aber
mein Wunſch ward erfuͤllt. Ich bin mit ſieben Kin-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/281>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.