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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Stimme in meinem Busen: Freylich bist du ein gros-
ser, schwerer Sünder, und kannst mit dem allergröß-
ten um den Vorzug streiten; aber deine Vergehen ka-
men meist auf deinen Kopf heraus, und die Strafen
deiner Sinnlichkeit folgten ihr auf dem Fusse nach.
-- Wenigstens darf ich mir dieß Zeugniß geben:
Daß ich von Jugend an nie boshaft war, und mit
Wissen und Willen niemand Unrecht gethan. Wohl
hab' ich manchmal meine Pflichten zumal gegen mei-
ne Eltern versäumt; und meine dießfällige Schulden
seh' ich, aber leider zu späthe! erst itzt recht ein, da
ich selber Vater bin, und, wahrscheinlich zur Strafe
meiner Sünden, auch rohe und unbiegsame Kinder
habe. Bey mir war es Unwissenheit; und ich will
gerne hoffen, es ist's itzt auch bey ihnen. -- Einem
Mann gab ich vor drevßig Jahren ein Paar tüchtige
Ohrfeigen; und sonst noch einer oder zwoo Balgereyen
bin ich mir auch bewußt. Aber ich habe mir deßwe-
gen nie starke Vorwürfe gemacht. Zum Theil ward
ich augegriffen, oder ich hatte sonst ziemlich gerechte
Ursachen böse zu werden. Erwähnter Mann hatte mei-
nen Vater wegen einem vom Wind umgeworfenen
Tännchen im Gemeinwald vor dem Richter verklagt;
der gute Aeti wurde unschuldiger Weise gebüßt. Nun
brannte freylich die Rachbegier in meinem Busen hoch
auf. Eines Tages nun ertappt' ich den boshaften
Ankläger, daß er selbst -- Stauden stahl; da ja versetzt'
ich ihm eins, zwey, oder drey, daß ihm Maul und
Nase überloffen. Noch blutend rannte er zum Ober-
vogt. Der citirte mich; aber ich gestuhnd nichts,

und

Stimme in meinem Buſen: Freylich biſt du ein groſ-
ſer, ſchwerer Suͤnder, und kannſt mit dem allergroͤß-
ten um den Vorzug ſtreiten; aber deine Vergehen ka-
men meiſt auf deinen Kopf heraus, und die Strafen
deiner Sinnlichkeit folgten ihr auf dem Fuſſe nach.
— Wenigſtens darf ich mir dieß Zeugniß geben:
Daß ich von Jugend an nie boshaft war, und mit
Wiſſen und Willen niemand Unrecht gethan. Wohl
hab’ ich manchmal meine Pflichten zumal gegen mei-
ne Eltern verſaͤumt; und meine dießfaͤllige Schulden
ſeh’ ich, aber leider zu ſpaͤthe! erſt itzt recht ein, da
ich ſelber Vater bin, und, wahrſcheinlich zur Strafe
meiner Suͤnden, auch rohe und unbiegſame Kinder
habe. Bey mir war es Unwiſſenheit; und ich will
gerne hoffen, es iſt’s itzt auch bey ihnen. — Einem
Mann gab ich vor drevßig Jahren ein Paar tuͤchtige
Ohrfeigen; und ſonſt noch einer oder zwoo Balgereyen
bin ich mir auch bewußt. Aber ich habe mir deßwe-
gen nie ſtarke Vorwuͤrfe gemacht. Zum Theil ward
ich augegriffen, oder ich hatte ſonſt ziemlich gerechte
Urſachen boͤſe zu werden. Erwaͤhnter Mann hatte mei-
nen Vater wegen einem vom Wind umgeworfenen
Taͤnnchen im Gemeinwald vor dem Richter verklagt;
der gute Aeti wurde unſchuldiger Weiſe gebuͤßt. Nun
brannte freylich die Rachbegier in meinem Buſen hoch
auf. Eines Tages nun ertappt’ ich den boshaften
Anklaͤger, daß er ſelbſt — Stauden ſtahl; da ja verſetzt’
ich ihm eins, zwey, oder drey, daß ihm Maul und
Naſe uͤberloffen. Noch blutend rannte er zum Ober-
vogt. Der citirte mich; aber ich geſtuhnd nichts,

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[256/0272] Stimme in meinem Buſen: Freylich biſt du ein groſ- ſer, ſchwerer Suͤnder, und kannſt mit dem allergroͤß- ten um den Vorzug ſtreiten; aber deine Vergehen ka- men meiſt auf deinen Kopf heraus, und die Strafen deiner Sinnlichkeit folgten ihr auf dem Fuſſe nach. — Wenigſtens darf ich mir dieß Zeugniß geben: Daß ich von Jugend an nie boshaft war, und mit Wiſſen und Willen niemand Unrecht gethan. Wohl hab’ ich manchmal meine Pflichten zumal gegen mei- ne Eltern verſaͤumt; und meine dießfaͤllige Schulden ſeh’ ich, aber leider zu ſpaͤthe! erſt itzt recht ein, da ich ſelber Vater bin, und, wahrſcheinlich zur Strafe meiner Suͤnden, auch rohe und unbiegſame Kinder habe. Bey mir war es Unwiſſenheit; und ich will gerne hoffen, es iſt’s itzt auch bey ihnen. — Einem Mann gab ich vor drevßig Jahren ein Paar tuͤchtige Ohrfeigen; und ſonſt noch einer oder zwoo Balgereyen bin ich mir auch bewußt. Aber ich habe mir deßwe- gen nie ſtarke Vorwuͤrfe gemacht. Zum Theil ward ich augegriffen, oder ich hatte ſonſt ziemlich gerechte Urſachen boͤſe zu werden. Erwaͤhnter Mann hatte mei- nen Vater wegen einem vom Wind umgeworfenen Taͤnnchen im Gemeinwald vor dem Richter verklagt; der gute Aeti wurde unſchuldiger Weiſe gebuͤßt. Nun brannte freylich die Rachbegier in meinem Buſen hoch auf. Eines Tages nun ertappt’ ich den boshaften Anklaͤger, daß er ſelbſt — Stauden ſtahl; da ja verſetzt’ ich ihm eins, zwey, oder drey, daß ihm Maul und Naſe uͤberloffen. Noch blutend rannte er zum Ober- vogt. Der citirte mich; aber ich geſtuhnd nichts, und

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/272>, abgerufen am 22.11.2024.