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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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chen am Herzen: Dann sucht' ich mich des lästigen
Gastes durch Zerstreuungen zu entledigen; jauchzte,
pfiff, und trillerte einen Gassenhauer, deren ich in
kurzer Zeit viele von meinen Kameraden gelernt hatte;
oder brütete an abgelegenen Orten wieder etliche Fan-
taseyen aus, und träumte von lauter Glück und gu-
ten Tagen, ohne daß ich mir einfallen ließ, mich auch
zu fragen: Wenn und woher sie auch kommen soll-
ten? das ich mir auch sicher nicht hätte beantworten
können. Denn die Wahrheit zu gestehn, ich war
ein Erzlappe und Stockfisch, und besaß zumal keine
Unze Klugheit, oder gründliches Wissen, wenn ich
schon über alles ganz artlich zu reden wußte. Daß
ich bey jedermann, und bey jenen schönen Dingern
insonderheit wohl gelitten war, kam einzig daher,
weil ich so ziemlich gut an jedem Ort augenblicklich
den für dasselbe schicklichsten Ton zu treffen wußte,
und mir, wie meine Nymphen behaupteten, alles
zierlich nett anstuhnd. -- Und nun abermals ein neuer
Akt meines Lebens. Als mich nämlich bald hernach
das Verhängniß in Kriegsdienste führte, und vorzüglich
in den sechs Monathen, da ich noch auf der Werbung
herumstreifte, ja da geht's über alle Beschreibung,
wie ich mich nun fast gänzlich im Getümmel der Welt
verlor. Zwar unterließ ich auch während meinen wil-
desten Schwärmereyen nie, Gott täglich mein Mor-
gen- und Abendopfer zu bringen, und meinen Ge-
schwisterten gute Lehren nach Haus zu schreiben. Aber
damit war's dann auch gethan; und ob der Himmel
daran grosse Freude hatte, muß ich zweifeln? Doch,

wer

chen am Herzen: Dann ſucht’ ich mich des laͤſtigen
Gaſtes durch Zerſtreuungen zu entledigen; jauchzte,
pfiff, und trillerte einen Gaſſenhauer, deren ich in
kurzer Zeit viele von meinen Kameraden gelernt hatte;
oder bruͤtete an abgelegenen Orten wieder etliche Fan-
taſeyen aus, und traͤumte von lauter Gluͤck und gu-
ten Tagen, ohne daß ich mir einfallen ließ, mich auch
zu fragen: Wenn und woher ſie auch kommen ſoll-
ten? das ich mir auch ſicher nicht haͤtte beantworten
koͤnnen. Denn die Wahrheit zu geſtehn, ich war
ein Erzlappe und Stockfiſch, und beſaß zumal keine
Unze Klugheit, oder gruͤndliches Wiſſen, wenn ich
ſchon uͤber alles ganz artlich zu reden wußte. Daß
ich bey jedermann, und bey jenen ſchoͤnen Dingern
inſonderheit wohl gelitten war, kam einzig daher,
weil ich ſo ziemlich gut an jedem Ort augenblicklich
den fuͤr daſſelbe ſchicklichſten Ton zu treffen wußte,
und mir, wie meine Nymphen behaupteten, alles
zierlich nett anſtuhnd. — Und nun abermals ein neuer
Akt meines Lebens. Als mich naͤmlich bald hernach
das Verhaͤngniß in Kriegsdienſte fuͤhrte, und vorzuͤglich
in den ſechs Monathen, da ich noch auf der Werbung
herumſtreifte, ja da geht’s uͤber alle Beſchreibung,
wie ich mich nun faſt gaͤnzlich im Getuͤmmel der Welt
verlor. Zwar unterließ ich auch waͤhrend meinen wil-
deſten Schwaͤrmereyen nie, Gott taͤglich mein Mor-
gen- und Abendopfer zu bringen, und meinen Ge-
ſchwiſterten gute Lehren nach Haus zu ſchreiben. Aber
damit war’s dann auch gethan; und ob der Himmel
daran groſſe Freude hatte, muß ich zweifeln? Doch,

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[240/0256] chen am Herzen: Dann ſucht’ ich mich des laͤſtigen Gaſtes durch Zerſtreuungen zu entledigen; jauchzte, pfiff, und trillerte einen Gaſſenhauer, deren ich in kurzer Zeit viele von meinen Kameraden gelernt hatte; oder bruͤtete an abgelegenen Orten wieder etliche Fan- taſeyen aus, und traͤumte von lauter Gluͤck und gu- ten Tagen, ohne daß ich mir einfallen ließ, mich auch zu fragen: Wenn und woher ſie auch kommen ſoll- ten? das ich mir auch ſicher nicht haͤtte beantworten koͤnnen. Denn die Wahrheit zu geſtehn, ich war ein Erzlappe und Stockfiſch, und beſaß zumal keine Unze Klugheit, oder gruͤndliches Wiſſen, wenn ich ſchon uͤber alles ganz artlich zu reden wußte. Daß ich bey jedermann, und bey jenen ſchoͤnen Dingern inſonderheit wohl gelitten war, kam einzig daher, weil ich ſo ziemlich gut an jedem Ort augenblicklich den fuͤr daſſelbe ſchicklichſten Ton zu treffen wußte, und mir, wie meine Nymphen behaupteten, alles zierlich nett anſtuhnd. — Und nun abermals ein neuer Akt meines Lebens. Als mich naͤmlich bald hernach das Verhaͤngniß in Kriegsdienſte fuͤhrte, und vorzuͤglich in den ſechs Monathen, da ich noch auf der Werbung herumſtreifte, ja da geht’s uͤber alle Beſchreibung, wie ich mich nun faſt gaͤnzlich im Getuͤmmel der Welt verlor. Zwar unterließ ich auch waͤhrend meinen wil- deſten Schwaͤrmereyen nie, Gott taͤglich mein Mor- gen- und Abendopfer zu bringen, und meinen Ge- ſchwiſterten gute Lehren nach Haus zu ſchreiben. Aber damit war’s dann auch gethan; und ob der Himmel daran groſſe Freude hatte, muß ich zweifeln? Doch, wer

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/256>, abgerufen am 25.11.2024.