die ich endlich, unter Gottes Beystand, mit so vie- ler Mühe und Arbeit ab meinen Schultern gewälzt) dieser Talent, sag' ich, ward mir eben nie zu Theil, und wird es wohl nimmer werden, so lang ich in dieser Zeitlichkeit walle. Nicht daß es nicht von Zeit zu Zeit Augenblicke gebe, wo ich mich über eine un- nöthige Ansgabe, oder einen meist durch Nachgiebigkeit versäumten Gewinnst quälen und grämen, wo mich, sonderlich bey Hause, ein Kreutzer -- ein Pfenning reuen kann. Aber, sobald ich in Gesellschaft komme, wo man mir gute Worte giebt, einen Dienst er- weist -- oder wo mein Vergnügen in Anschlag kömmt -- da spiel' ich meist die Rolle eines Man- nes der nicht auf den Schilling oder Gulden zu sehen hat, und nicht bey Hunderten sondern bey Tausen- den besitzt. Dieß geschah besonders während dem ersten Entzücken über meine Befreyung von jedem nachjagenden Herrn. Da war mir wie einem der aus einer vermeinten ewigen Gefangenschaft, oder gar schon auf dem Schaffot, mit Eins auf ledigen Fuß gestellt wird, und nun über Stauden und Stöcke rennt. Da würd' ich bald hundert und hundertmal gestrauchelt, und vielleicht in Schwelgerey und andre Laster -- kurz vor lauter Freuden bald in neue noch ärgere Abgründe versunken seyn, wäre mir nicht mein guter Engel mit dem blossen Schwerdt, wie einst dem Esel Bileams, in den Weg gestanden.
die ich endlich, unter Gottes Beyſtand, mit ſo vie- ler Muͤhe und Arbeit ab meinen Schultern gewaͤlzt) dieſer Talent, ſag’ ich, ward mir eben nie zu Theil, und wird es wohl nimmer werden, ſo lang ich in dieſer Zeitlichkeit walle. Nicht daß es nicht von Zeit zu Zeit Augenblicke gebe, wo ich mich uͤber eine un- noͤthige Ansgabe, oder einen meiſt durch Nachgiebigkeit verſaͤumten Gewinnſt quaͤlen und graͤmen, wo mich, ſonderlich bey Hauſe, ein Kreutzer — ein Pfenning reuen kann. Aber, ſobald ich in Geſellſchaft komme, wo man mir gute Worte giebt, einen Dienſt er- weist — oder wo mein Vergnuͤgen in Anſchlag koͤmmt — da ſpiel’ ich meiſt die Rolle eines Man- nes der nicht auf den Schilling oder Gulden zu ſehen hat, und nicht bey Hunderten ſondern bey Tauſen- den beſitzt. Dieß geſchah beſonders waͤhrend dem erſten Entzuͤcken uͤber meine Befreyung von jedem nachjagenden Herrn. Da war mir wie einem der aus einer vermeinten ewigen Gefangenſchaft, oder gar ſchon auf dem Schaffot, mit Eins auf ledigen Fuß geſtellt wird, und nun uͤber Stauden und Stoͤcke rennt. Da wuͤrd’ ich bald hundert und hundertmal geſtrauchelt, und vielleicht in Schwelgerey und andre Laſter — kurz vor lauter Freuden bald in neue noch aͤrgere Abgruͤnde verſunken ſeyn, waͤre mir nicht mein guter Engel mit dem bloſſen Schwerdt, wie einſt dem Eſel Bileams, in den Weg geſtanden.
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die ich endlich, unter Gottes Beyſtand, mit ſo vie-
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dieſer Talent, ſag’ ich, ward mir eben nie zu Theil,
und wird es wohl nimmer werden, ſo lang ich in
dieſer Zeitlichkeit walle. Nicht daß es nicht von Zeit
zu Zeit Augenblicke gebe, wo ich mich uͤber eine un-
noͤthige Ansgabe, oder einen meiſt durch Nachgiebigkeit
verſaͤumten Gewinnſt quaͤlen und graͤmen, wo mich,
ſonderlich bey Hauſe, ein Kreutzer — ein Pfenning
reuen kann. Aber, ſobald ich in Geſellſchaft komme,
wo man mir gute Worte giebt, einen Dienſt er-
weist — oder wo mein Vergnuͤgen in Anſchlag
koͤmmt — da ſpiel’ ich meiſt die Rolle eines Man-
nes der nicht auf den Schilling oder Gulden zu ſehen
hat, und nicht bey Hunderten ſondern bey Tauſen-
den beſitzt. Dieß geſchah beſonders waͤhrend dem
erſten Entzuͤcken uͤber meine Befreyung von jedem
nachjagenden Herrn. Da war mir wie einem der
aus einer vermeinten ewigen Gefangenſchaft, oder
gar ſchon auf dem Schaffot, mit Eins auf ledigen
Fuß geſtellt wird, und nun uͤber Stauden und Stoͤcke
rennt. Da wuͤrd’ ich bald hundert und hundertmal
geſtrauchelt, und vielleicht in Schwelgerey und andre
Laſter — kurz vor lauter Freuden bald in neue noch
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guter Engel mit dem bloſſen Schwerdt, wie einſt
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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