Dreyer, und einen armseligen Soldatenrock auf dem Leib in meine Heimath brachte Nun mußt' ich wie- der als Taglöhner mein Brodt suchen; das kam mich freylich sauer genug an. In meinem sechs und zwan- zigsten heurathete ich ein Mädchen mit hundert Tha- lern. Damit glaubt' ich schon ein reicher Mann zu seyn, dachte itzt an leichtere Arbeit mit aufrechtem Rücken, und fieng, auf Anrathen meiner Braut, ei- nen Baumwollen- und Garngewerb an, ohne daß ich das geringste von diesem Handwerk verstuhnd. An- fangs fand ich Credit, baute ein eigenes Häuschen, und vertiefte mich unvermerkt in Schulden. Indes- sen verschaffte mir doch mein kleines Händelchen einen etwelchen Unterhalt; aber bösartige Leuthe betrogen mich immer um Waare und Geld, und die Haus- haltung mehrte sich von Jahr zu Jahre, so daß Ein- nahm' und Ausgabe sich immer wettauf frassen. Dann dacht' ich: Wenn einst meine Jungen grösser sind, wird's schon besser kommen! Aber ich betrog mich in dieser Hoffnung. Mittlerweile überfielen mich die hungrigen Siebenziger-Jahre, als ich oh- nedem schon in Schulden steckte. Ich hatte itzt fünf Kinder, und wehrte mich wie die Katz' am Strick. Das Herz brach mir, wenn ich so meine Jungen nach Brodt schreyen hörte. Dann noch meine arme Mutter und Geschwister! Von meinen Debitoren nahm die und da einer den Reißaus; andre starben, und liessen mich die Glocken zahlen; Ich hingegen wurde von etlichen meiner Gläubiger scharf gespornt; mit meinem Handel gieng's täglich schlechter. Itzt
Dreyer, und einen armſeligen Soldatenrock auf dem Leib in meine Heimath brachte Nun mußt’ ich wie- der als Tagloͤhner mein Brodt ſuchen; das kam mich freylich ſauer genug an. In meinem ſechs und zwan- zigſten heurathete ich ein Maͤdchen mit hundert Tha- lern. Damit glaubt’ ich ſchon ein reicher Mann zu ſeyn, dachte itzt an leichtere Arbeit mit aufrechtem Ruͤcken, und fieng, auf Anrathen meiner Braut, ei- nen Baumwollen- und Garngewerb an, ohne daß ich das geringſte von dieſem Handwerk verſtuhnd. An- fangs fand ich Credit, baute ein eigenes Haͤuschen, und vertiefte mich unvermerkt in Schulden. Indeſ- ſen verſchaffte mir doch mein kleines Haͤndelchen einen etwelchen Unterhalt; aber boͤsartige Leuthe betrogen mich immer um Waare und Geld, und die Haus- haltung mehrte ſich von Jahr zu Jahre, ſo daß Ein- nahm’ und Ausgabe ſich immer wettauf fraſſen. Dann dacht’ ich: Wenn einſt meine Jungen groͤſſer ſind, wird’s ſchon beſſer kommen! Aber ich betrog mich in dieſer Hoffnung. Mittlerweile uͤberfielen mich die hungrigen Siebenziger-Jahre, als ich oh- nedem ſchon in Schulden ſteckte. Ich hatte itzt fuͤnf Kinder, und wehrte mich wie die Katz’ am Strick. Das Herz brach mir, wenn ich ſo meine Jungen nach Brodt ſchreyen hoͤrte. Dann noch meine arme Mutter und Geſchwiſter! Von meinen Debitoren nahm die und da einer den Reißaus; andre ſtarben, und lieſſen mich die Glocken zahlen; Ich hingegen wurde von etlichen meiner Glaͤubiger ſcharf geſpornt; mit meinem Handel gieng’s taͤglich ſchlechter. Itzt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0237"n="221"/>
Dreyer, und einen armſeligen Soldatenrock auf dem<lb/>
Leib in meine Heimath brachte Nun mußt’ ich wie-<lb/>
der als Tagloͤhner mein Brodt ſuchen; das kam mich<lb/>
freylich ſauer genug an. In meinem ſechs und zwan-<lb/>
zigſten heurathete ich ein Maͤdchen mit hundert Tha-<lb/>
lern. Damit glaubt’ ich ſchon ein reicher Mann zu<lb/>ſeyn, dachte itzt an leichtere Arbeit mit aufrechtem<lb/>
Ruͤcken, und fieng, auf Anrathen meiner Braut, ei-<lb/>
nen Baumwollen- und Garngewerb an, ohne daß ich<lb/>
das geringſte von dieſem Handwerk verſtuhnd. An-<lb/>
fangs fand ich Credit, baute ein eigenes Haͤuschen,<lb/>
und vertiefte mich unvermerkt in Schulden. Indeſ-<lb/>ſen verſchaffte mir doch mein kleines Haͤndelchen einen<lb/>
etwelchen Unterhalt; aber boͤsartige Leuthe betrogen<lb/>
mich immer um Waare und Geld, und die Haus-<lb/>
haltung mehrte ſich von Jahr zu Jahre, ſo daß Ein-<lb/>
nahm’ und Ausgabe ſich immer wettauf fraſſen.<lb/>
Dann dacht’ ich: Wenn einſt meine Jungen groͤſſer<lb/>ſind, wird’s ſchon beſſer kommen! Aber ich betrog<lb/>
mich in dieſer Hoffnung. Mittlerweile uͤberfielen<lb/>
mich die hungrigen Siebenziger-Jahre, als ich oh-<lb/>
nedem ſchon in Schulden ſteckte. Ich hatte itzt fuͤnf<lb/>
Kinder, und wehrte mich wie die Katz’ am Strick.<lb/>
Das Herz brach mir, wenn ich ſo meine Jungen<lb/>
nach Brodt ſchreyen hoͤrte. Dann noch meine arme<lb/>
Mutter und Geſchwiſter! Von meinen Debitoren<lb/>
nahm die und da einer den Reißaus; andre ſtarben,<lb/>
und lieſſen mich die Glocken zahlen; Ich hingegen<lb/>
wurde von etlichen meiner Glaͤubiger ſcharf geſpornt;<lb/>
mit meinem Handel gieng’s taͤglich ſchlechter. Itzt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[221/0237]
Dreyer, und einen armſeligen Soldatenrock auf dem
Leib in meine Heimath brachte Nun mußt’ ich wie-
der als Tagloͤhner mein Brodt ſuchen; das kam mich
freylich ſauer genug an. In meinem ſechs und zwan-
zigſten heurathete ich ein Maͤdchen mit hundert Tha-
lern. Damit glaubt’ ich ſchon ein reicher Mann zu
ſeyn, dachte itzt an leichtere Arbeit mit aufrechtem
Ruͤcken, und fieng, auf Anrathen meiner Braut, ei-
nen Baumwollen- und Garngewerb an, ohne daß ich
das geringſte von dieſem Handwerk verſtuhnd. An-
fangs fand ich Credit, baute ein eigenes Haͤuschen,
und vertiefte mich unvermerkt in Schulden. Indeſ-
ſen verſchaffte mir doch mein kleines Haͤndelchen einen
etwelchen Unterhalt; aber boͤsartige Leuthe betrogen
mich immer um Waare und Geld, und die Haus-
haltung mehrte ſich von Jahr zu Jahre, ſo daß Ein-
nahm’ und Ausgabe ſich immer wettauf fraſſen.
Dann dacht’ ich: Wenn einſt meine Jungen groͤſſer
ſind, wird’s ſchon beſſer kommen! Aber ich betrog
mich in dieſer Hoffnung. Mittlerweile uͤberfielen
mich die hungrigen Siebenziger-Jahre, als ich oh-
nedem ſchon in Schulden ſteckte. Ich hatte itzt fuͤnf
Kinder, und wehrte mich wie die Katz’ am Strick.
Das Herz brach mir, wenn ich ſo meine Jungen
nach Brodt ſchreyen hoͤrte. Dann noch meine arme
Mutter und Geſchwiſter! Von meinen Debitoren
nahm die und da einer den Reißaus; andre ſtarben,
und lieſſen mich die Glocken zahlen; Ich hingegen
wurde von etlichen meiner Glaͤubiger ſcharf geſpornt;
mit meinem Handel gieng’s taͤglich ſchlechter. Itzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/237>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.