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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Schwester ihr Sonntagskleid verkaufen, und mich
daraus heimholen lassen. Mittlerweile langte auch
der Vater an, den man ziemlich aus der Ferne ru-
fen mußte. Dem guten Mann rannten auch Trop-
fen die Backen herunter: "Ach! Willkomm, will-
"komm, mein Sohn! Gottlob, daß du gesund da
"bist, und ich einmal alle meine Zehne wieder bey-
"sammen habe. Obschon wir arm sind, giebt's doch
"alleweil Arbeit und Brodt". Jetzt brannte mein
Herz lichterloh, und fühlte tief die selige Wonne, so
viele Menschen auf einmal -- und zwar die Meini-
gen -- zu erfreuen. Dann erzählt' ich ihnen noch den-
selben, und etlich folgende Abende haarklein meine
ganze Geschichte. Da war's mir wieder so unge-
wohnt herzlich wohl! Nach ein Paar Tagen kam
Bachmann, holte wie gesagt seinen Thaler, und
bestäthigte alle meine Aussagen. Sonntags frühe
putzt' ich meine Montur, wie in Berlin zur Kir-
chenparade. Alle Bekannten bewillkommten mich;
die andern gafften mich an wie einen Türken. Auch --
nicht mehr meine, sondern Vetter Michels Anne
that es, und zwar ziemlich frech, ohne zu errö-
then. Ich hinwieder dankte ihr hohnlächelnd und
trocken. Dennoch besucht' ich sie eine Weile hernach,
als sie mir sagen ließ, sie wünschte allein mit mir
zu reden. Da machte sie freylich allerley kahle Ent-
schuldigungen: Z. E. Sie hab' mich auf immer
verloren geglaubt, der Michel hab' sie übertölpelt,
u. d. gl. Dann wollte sie gar meine Kupplerinn ab-
geben. Aber ich bedankte mich schönstens, und gieng.

Schweſter ihr Sonntagskleid verkaufen, und mich
daraus heimholen laſſen. Mittlerweile langte auch
der Vater an, den man ziemlich aus der Ferne ru-
fen mußte. Dem guten Mann rannten auch Trop-
fen die Backen herunter: „Ach! Willkomm, will-
„komm, mein Sohn! Gottlob, daß du geſund da
„biſt, und ich einmal alle meine Zehne wieder bey-
„ſammen habe. Obſchon wir arm ſind, giebt’s doch
„alleweil Arbeit und Brodt„. Jetzt brannte mein
Herz lichterloh, und fuͤhlte tief die ſelige Wonne, ſo
viele Menſchen auf einmal — und zwar die Meini-
gen — zu erfreuen. Dann erzaͤhlt’ ich ihnen noch den-
ſelben, und etlich folgende Abende haarklein meine
ganze Geſchichte. Da war’s mir wieder ſo unge-
wohnt herzlich wohl! Nach ein Paar Tagen kam
Bachmann, holte wie geſagt ſeinen Thaler, und
beſtaͤthigte alle meine Ausſagen. Sonntags fruͤhe
putzt’ ich meine Montur, wie in Berlin zur Kir-
chenparade. Alle Bekannten bewillkommten mich;
die andern gafften mich an wie einen Tuͤrken. Auch —
nicht mehr meine, ſondern Vetter Michels Anne
that es, und zwar ziemlich frech, ohne zu erroͤ-
then. Ich hinwieder dankte ihr hohnlaͤchelnd und
trocken. Dennoch beſucht’ ich ſie eine Weile hernach,
als ſie mir ſagen ließ, ſie wuͤnſchte allein mit mir
zu reden. Da machte ſie freylich allerley kahle Ent-
ſchuldigungen: Z. E. Sie hab’ mich auf immer
verloren geglaubt, der Michel hab’ ſie uͤbertoͤlpelt,
u. d. gl. Dann wollte ſie gar meine Kupplerinn ab-
geben. Aber ich bedankte mich ſchoͤnſtens, und gieng.

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[166/0182] Schweſter ihr Sonntagskleid verkaufen, und mich daraus heimholen laſſen. Mittlerweile langte auch der Vater an, den man ziemlich aus der Ferne ru- fen mußte. Dem guten Mann rannten auch Trop- fen die Backen herunter: „Ach! Willkomm, will- „komm, mein Sohn! Gottlob, daß du geſund da „biſt, und ich einmal alle meine Zehne wieder bey- „ſammen habe. Obſchon wir arm ſind, giebt’s doch „alleweil Arbeit und Brodt„. Jetzt brannte mein Herz lichterloh, und fuͤhlte tief die ſelige Wonne, ſo viele Menſchen auf einmal — und zwar die Meini- gen — zu erfreuen. Dann erzaͤhlt’ ich ihnen noch den- ſelben, und etlich folgende Abende haarklein meine ganze Geſchichte. Da war’s mir wieder ſo unge- wohnt herzlich wohl! Nach ein Paar Tagen kam Bachmann, holte wie geſagt ſeinen Thaler, und beſtaͤthigte alle meine Ausſagen. Sonntags fruͤhe putzt’ ich meine Montur, wie in Berlin zur Kir- chenparade. Alle Bekannten bewillkommten mich; die andern gafften mich an wie einen Tuͤrken. Auch — nicht mehr meine, ſondern Vetter Michels Anne that es, und zwar ziemlich frech, ohne zu erroͤ- then. Ich hinwieder dankte ihr hohnlaͤchelnd und trocken. Dennoch beſucht’ ich ſie eine Weile hernach, als ſie mir ſagen ließ, ſie wuͤnſchte allein mit mir zu reden. Da machte ſie freylich allerley kahle Ent- ſchuldigungen: Z. E. Sie hab’ mich auf immer verloren geglaubt, der Michel hab’ ſie uͤbertoͤlpelt, u. d. gl. Dann wollte ſie gar meine Kupplerinn ab- geben. Aber ich bedankte mich ſchoͤnſtens, und gieng.

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/182>, abgerufen am 22.11.2024.