seine Strasse. Die unsrige gieng den 14. bis 24. Okt. der kleinern Orte nicht zu gedenken, über In- golstadt, Donauwerth, Dillingen, Bur- heim, Wangen, Hohentwiel, Bregenz, Rhei- neck, Roschach (40 Meilen). Oberhalb Rhei- neck begegnete mir bald ein trauriger Spaß. Bis- her waren wir unter lauter muntern Gesprächen über unsre glückliche Flucht, über unsre ältern und neuern Schicksale und unsre Aussichten vor die Zu- kunft, ganz brüderlich gereist. Bachmann, dem, von vorigen Zeiten her, fast alle Tag Hünd' und Hasen wieder in den Sinn stiegen, hatte sich, so- bald wir von Prag weg waren, eine Jagdflinte ge- kauft, die er nun mit sich trug. Ich war seiner ewigen Discurse von Hetzen und Treiben schon längst müde geworden, als wir, wie gesagt, oberhalb Rhei- neck in den Weinbergen Hunde jagen hörten. Hier machte mein Urian vor Entzücken ordentliche Purzel- sprünge, und behauptete, es wären, beym Himmel! seine alten Bekannten; er kenne sie noch am Bellen! Ich lachte ihn aus. Hierüber ward er böse, befahl mir still- zustehn, und der schönen Musick zuzuhorchen. Jetzt spottete ich vollends seiner, und stampfte mit den Füssen. Das hätt' ich freylich sollen bleiben lassen. Er war rasend, stand ganz schäumend mit aufgehab- ner Flinte vor mich hin, und setzte sie mir zähn- knirschend vor den Kopf, als wenn er mich den Au- genblick tödten wollte. Ich erschrack; Er war bewaf- net, ich nicht; und auch dieß und seine Wuth unge- rechnet, glaub' ich kaum, daß ich dem ohnehin ver-
ſeine Straſſe. Die unſrige gieng den 14. bis 24. Okt. der kleinern Orte nicht zu gedenken, uͤber In- golſtadt, Donauwerth, Dillingen, Bur- heim, Wangen, Hohentwiel, Bregenz, Rhei- neck, Roſchach (40 Meilen). Oberhalb Rhei- neck begegnete mir bald ein trauriger Spaß. Bis- her waren wir unter lauter muntern Geſpraͤchen uͤber unſre gluͤckliche Flucht, uͤber unſre aͤltern und neuern Schickſale und unſre Ausſichten vor die Zu- kunft, ganz bruͤderlich gereiſt. Bachmann, dem, von vorigen Zeiten her, faſt alle Tag Huͤnd’ und Haſen wieder in den Sinn ſtiegen, hatte ſich, ſo- bald wir von Prag weg waren, eine Jagdflinte ge- kauft, die er nun mit ſich trug. Ich war ſeiner ewigen Discurſe von Hetzen und Treiben ſchon laͤngſt muͤde geworden, als wir, wie geſagt, oberhalb Rhei- neck in den Weinbergen Hunde jagen hoͤrten. Hier machte mein Urian vor Entzuͤcken ordentliche Purzel- ſpruͤnge, und behauptete, es waͤren, beym Himmel! ſeine alten Bekannten; er kenne ſie noch am Bellen! Ich lachte ihn aus. Hieruͤber ward er boͤſe, befahl mir ſtill- zuſtehn, und der ſchoͤnen Muſick zuzuhorchen. Jetzt ſpottete ich vollends ſeiner, und ſtampfte mit den Fuͤſſen. Das haͤtt’ ich freylich ſollen bleiben laſſen. Er war raſend, ſtand ganz ſchaͤumend mit aufgehab- ner Flinte vor mich hin, und ſetzte ſie mir zaͤhn- knirſchend vor den Kopf, als wenn er mich den Au- genblick toͤdten wollte. Ich erſchrack; Er war bewaf- net, ich nicht; und auch dieß und ſeine Wuth unge- rechnet, glaub’ ich kaum, daß ich dem ohnehin ver-
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ſeine Straſſe. Die unſrige gieng den 14. bis 24.
Okt. der kleinern Orte nicht zu gedenken, uͤber In-
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heim, Wangen, Hohentwiel, Bregenz, Rhei-
neck, Roſchach (40 Meilen). Oberhalb Rhei-
neck begegnete mir bald ein trauriger Spaß. Bis-
her waren wir unter lauter muntern Geſpraͤchen
uͤber unſre gluͤckliche Flucht, uͤber unſre aͤltern und
neuern Schickſale und unſre Ausſichten vor die Zu-
kunft, ganz bruͤderlich gereiſt. Bachmann, dem,
von vorigen Zeiten her, faſt alle Tag Huͤnd’ und
Haſen wieder in den Sinn ſtiegen, hatte ſich, ſo-
bald wir von Prag weg waren, eine Jagdflinte ge-
kauft, die er nun mit ſich trug. Ich war ſeiner
ewigen Discurſe von Hetzen und Treiben ſchon laͤngſt
muͤde geworden, als wir, wie geſagt, oberhalb Rhei-
neck in den Weinbergen Hunde jagen hoͤrten. Hier
machte mein Urian vor Entzuͤcken ordentliche Purzel-
ſpruͤnge, und behauptete, es waͤren, beym Himmel! ſeine
alten Bekannten; er kenne ſie noch am Bellen! Ich lachte
ihn aus. Hieruͤber ward er boͤſe, befahl mir ſtill-
zuſtehn, und der ſchoͤnen Muſick zuzuhorchen. Jetzt
ſpottete ich vollends ſeiner, und ſtampfte mit den
Fuͤſſen. Das haͤtt’ ich freylich ſollen bleiben laſſen.
Er war raſend, ſtand ganz ſchaͤumend mit aufgehab-
ner Flinte vor mich hin, und ſetzte ſie mir zaͤhn-
knirſchend vor den Kopf, als wenn er mich den Au-
genblick toͤdten wollte. Ich erſchrack; Er war bewaf-
net, ich nicht; und auch dieß und ſeine Wuth unge-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/178>, abgerufen am 26.11.2024.
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