wa 50. Mann Gefangener von der Preussischen Cavallerie; ein erbärmlich Specktackel! Da war kaum einer von Wunden oder Beulen lär ausgegangen; etliche über's ganze Gesicht heruntergehauen, andre ins Genick, andre über die Ohren, über die Schul- tern, die Schenkel u. s. f. Da war alles ein Aech- zen und Wehklagen! Wie priesen uns diese armen Wichte selig, einem ähnlichen Schicksal so glücklich en- tronnen zu seyn; und wie dankten wir selber Gott dafür! Wir mußten im Lager übernachten, und bekamen jeder seinen Duckaten Reisgeld. Dann schickte man uns mit einem Cavallerietransport, es waren unser an die 200., auf ein Böhmisches Dorf, wo wir, nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und bekamen Pässe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder- seltsames Gemengsel von Schweitzern, Schwa- ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welschen, Franzosen, Polacken und Türken. Einen solchen Paß bekamen unser 6. zusammen bis Regenspurg. In Prag selber war indessen ebenfalls ein Zittern und Beben vor den Preussen, ohne seinesgleichen. Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo- wositz bereits vernommen, und glaubte nun den Sieger schon vor den Thoreu zu sehn. Auch da stuhn- den ganze Truppen Soldaten und Bürger um uns her, denen wir sagen sollten, was der Preuß' im Sinn habe? Einige von uns trösteten diese neugie- rigen Haasen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-
wa 50. Mann Gefangener von der Preuſſiſchen Cavallerie; ein erbaͤrmlich Specktackel! Da war kaum einer von Wunden oder Beulen laͤr ausgegangen; etliche uͤber’s ganze Geſicht heruntergehauen, andre ins Genick, andre uͤber die Ohren, uͤber die Schul- tern, die Schenkel u. ſ. f. Da war alles ein Aech- zen und Wehklagen! Wie prieſen uns dieſe armen Wichte ſelig, einem aͤhnlichen Schickſal ſo gluͤcklich en- tronnen zu ſeyn; und wie dankten wir ſelber Gott dafuͤr! Wir mußten im Lager uͤbernachten, und bekamen jeder ſeinen Duckaten Reisgeld. Dann ſchickte man uns mit einem Cavallerietransport, es waren unſer an die 200., auf ein Boͤhmiſches Dorf, wo wir, nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und bekamen Paͤſſe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder- ſeltſames Gemengſel von Schweitzern, Schwa- ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welſchen, Franzoſen, Polacken und Tuͤrken. Einen ſolchen Paß bekamen unſer 6. zuſammen bis Regenſpurg. In Prag ſelber war indeſſen ebenfalls ein Zittern und Beben vor den Preuſſen, ohne ſeinesgleichen. Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo- woſitz bereits vernommen, und glaubte nun den Sieger ſchon vor den Thoreu zu ſehn. Auch da ſtuhn- den ganze Truppen Soldaten und Buͤrger um uns her, denen wir ſagen ſollten, was der Preuß’ im Sinn habe? Einige von uns troͤſteten dieſe neugie- rigen Haaſen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0175"n="159"/>
wa 50. Mann Gefangener von der <hirendition="#fr">Preuſſiſchen</hi><lb/>
Cavallerie; ein erbaͤrmlich Specktackel! Da war kaum<lb/>
einer von Wunden oder Beulen laͤr ausgegangen;<lb/>
etliche uͤber’s ganze Geſicht heruntergehauen, andre<lb/>
ins Genick, andre uͤber die Ohren, uͤber die Schul-<lb/>
tern, die Schenkel u. ſ. f. Da war alles ein Aech-<lb/>
zen und Wehklagen! Wie prieſen uns dieſe armen<lb/>
Wichte ſelig, einem aͤhnlichen Schickſal ſo gluͤcklich en-<lb/>
tronnen zu ſeyn; und wie dankten wir ſelber Gott dafuͤr!<lb/>
Wir mußten im Lager uͤbernachten, und bekamen<lb/>
jeder ſeinen Duckaten Reisgeld. Dann ſchickte man<lb/>
uns mit einem Cavallerietransport, es waren unſer<lb/>
an die 200., auf ein Boͤhmiſches Dorf, wo wir,<lb/>
nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf<lb/><hirendition="#fr">Prag</hi> abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und<lb/>
bekamen Paͤſſe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche<lb/>
einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder-<lb/>ſeltſames Gemengſel von <hirendition="#fr">Schweitzern, Schwa-<lb/>
ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welſchen,<lb/>
Franzoſen, Polacken</hi> und <hirendition="#fr">Tuͤrken</hi>. Einen ſolchen<lb/>
Paß bekamen unſer 6. zuſammen bis <hirendition="#fr">Regenſpurg</hi>.<lb/>
In <hirendition="#fr">Prag</hi>ſelber war indeſſen ebenfalls ein Zittern<lb/>
und Beben vor den <hirendition="#fr">Preuſſen</hi>, ohne ſeinesgleichen.<lb/>
Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey <hirendition="#fr">Lo-<lb/>
woſitz</hi> bereits vernommen, und glaubte nun den<lb/>
Sieger ſchon vor den Thoreu zu ſehn. Auch da ſtuhn-<lb/>
den ganze Truppen Soldaten und Buͤrger um uns<lb/>
her, denen wir ſagen ſollten, was der Preuß’ im<lb/>
Sinn habe? Einige von uns troͤſteten dieſe neugie-<lb/>
rigen Haaſen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[159/0175]
wa 50. Mann Gefangener von der Preuſſiſchen
Cavallerie; ein erbaͤrmlich Specktackel! Da war kaum
einer von Wunden oder Beulen laͤr ausgegangen;
etliche uͤber’s ganze Geſicht heruntergehauen, andre
ins Genick, andre uͤber die Ohren, uͤber die Schul-
tern, die Schenkel u. ſ. f. Da war alles ein Aech-
zen und Wehklagen! Wie prieſen uns dieſe armen
Wichte ſelig, einem aͤhnlichen Schickſal ſo gluͤcklich en-
tronnen zu ſeyn; und wie dankten wir ſelber Gott dafuͤr!
Wir mußten im Lager uͤbernachten, und bekamen
jeder ſeinen Duckaten Reisgeld. Dann ſchickte man
uns mit einem Cavallerietransport, es waren unſer
an die 200., auf ein Boͤhmiſches Dorf, wo wir,
nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf
Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und
bekamen Paͤſſe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche
einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder-
ſeltſames Gemengſel von Schweitzern, Schwa-
ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welſchen,
Franzoſen, Polacken und Tuͤrken. Einen ſolchen
Paß bekamen unſer 6. zuſammen bis Regenſpurg.
In Prag ſelber war indeſſen ebenfalls ein Zittern
und Beben vor den Preuſſen, ohne ſeinesgleichen.
Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo-
woſitz bereits vernommen, und glaubte nun den
Sieger ſchon vor den Thoreu zu ſehn. Auch da ſtuhn-
den ganze Truppen Soldaten und Buͤrger um uns
her, denen wir ſagen ſollten, was der Preuß’ im
Sinn habe? Einige von uns troͤſteten dieſe neugie-
rigen Haaſen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/175>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.